Azubis:Tiefe Kluft

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Start in eine hoffentlich gute Zukunft: Ausbildungszentrum in der Münchner Region. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Bei den Verdiensten von Auszubildenden gibt es in Deutschland große Unterschiede. Je nach Region, Wirtschaftszweig und Ausbildungsjahr erhalten die jungen Menschen 515 Euro im Monat - oder fast dreimal so viel.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Jungen lassen sich am liebsten in einer Autowerkstatt zum Kfz-Mechatroniker ausbilden. Mädchen wollen gerne Kauffrau für Büromanagement werden. Bei der Wahl der richtigen Lehrstelle konzentrieren sich die Jugendlichen in Deutschland nach wie vor auf wenige Berufe. Geld spielt dabei sicherlich eine Rolle. Was Auszubildende bekommen, hängt aber sehr davon ab, wo sie arbeiten und lernen. Nach wie vor gibt es bei der Bezahlung große regionale Unterschiede - und nicht nur zwischen West- und Ostdeutschland. Das zeigt eine neue Untersuchung des WSI-Tarifarchivs in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, das dafür Tarifverträge in verschiedenen Branchen ausgewertet hat.

Danach stiegen die Vergütungen für die Lehrlinge im vergangenen Jahr in den meisten Fällen um zwei bis 4,5 Prozent. Die Bandbreite ist allerdings groß: Im Kfz-Gewerbe in Thüringen gibt es im ersten Ausbildungsjahr gerade einmal 515 Euro brutto im Monat. In keiner anderen Branche erhalten Azubis weniger Geld. Unterdurchschnittlich wenig wird laut der WSI-Analyse auch im privaten Verkehrsgewerbe und in der Hotel- und Gaststättenbranche bezahlt.

Im Hotel- und Gaststättengewerbe gibt es im dritten Jahr 610 Euro oder 896 Euro, je nach Region

Im Bauhauptgewerbe West sind hingegen zumindest im vierten Ausbildungsjahr bis zu 1505 Euro drin - ein Gehalt, das sogar leicht oberhalb des Mindestlohns liegt, wenn über einen Monat hinweg 8,50 Euro pro Stunde fällig sind. Auch im Bankgewerbe, der chemischen Industrie und bei Versicherungen sowie in der Metall- und Elektroindustrie sind im letzten Ausbildungsjahr mehr als 1000 Euro im Monat drin.

Am größten sind die regionalen Abstände im Hotel- und Gaststättengewerbe: Im dritten Ausbildungsjahr beläuft sich in Mecklenburg-Vorpommern die Vergütung auf 610 Euro, in Bayern sind es mit 896 Euro deutlich mehr. Ähnlich sieht es im Groß- und Einzelhandel aus. In dem östlichsten Bundesland erhalten die Auszubildenden 765 Euro, in Hessen 943 Euro. Deutlich geringer sind die Unterschiede in der Metall- und Elektroindustrie. Dort reichen die Verdienste für die Lehrlinge im dritten Jahr von 1008 Euro in Nordrhein-Westfalen bis 1097 Euro in Baden-Württemberg.

25 Jahre nach der deutschen Einheit haben einige Branchen auch bundesweit einheitliche Vergütungen vereinbart. Das gilt zum Beispiel für die Banken, die Versicherungen und für Unternehmen, die ganz oder teilweise in der Hand des Bundes sind, wie der Deutschen Bahn oder der Deutschen Post.

Nach wie vor gebe es neben diesen bundeseinheitlichen Tarifverträgen solche mit einem zum Teil starken West-Ost- und mit einem Süd-Nord-Gefälle, sagt WSI-Tarifexperte Reinhard Bispinck. Die Tarifverträge seien aber ein Garant für die gesetzlich vorgeschriebene "angemessene Vergütung". Davon profitierten jedoch nur die Auszubildenden, die in tarifgebundenen Betrieben arbeiten.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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