Axa Deutschland :Morgens einen freien Schreibtisch suchen

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Axa-Zentrale in Köln: Bald der Sitz eines empathischen Tech-Konzerns? (Foto: imago)

Deutschlandchef Alexander Vollert redet im SZ-Gespräch über den Umbau des Versicherers und die Furcht vor Rivalen wie Amazon.

Von Anne-Christin Gröger und Herbert Fromme, Köln

Wenn es nach Alexander Vollert geht, hat bald kein Axa-Mitarbeiter mehr einen festen Schreibtisch, auch er selbst nicht. Stattdessen sucht sich jeder morgens einen Arbeitsplatz, den er abends vollständig räumen muss. Bis Ende 2019 soll das Konzept an allen 16 Standorten in Deutschland umgesetzt sein. Beim "New Way of Working" geht es nicht so sehr um Kostenersparnis. Der französische Konzern will dafür sorgen, dass Unternehmen und Mitarbeiter anders auftreten, eher wie die von Start-ups oder Google. "Wir wollen so etwas werden wie ein empathischer Technologiekonzern", gibt Deutschlandchef Alexander Vollert im SZ-Interview das Ziel vor. "Die Geschwindigkeit, mit der sich Dinge verändern, wird zunehmen", sagt er. "Wir müssen alles tun, damit diese Beschleunigung in den Köpfen ankommt."

Seine Zustandsbeschreibung: "Das Kundenverhalten ändert sich, und zwar nicht aus sich selbst heraus, sondern weil eine neue Technologie kommt", sagt er. "Alexa kam ja nicht deswegen auf den Markt, weil wir es uns gewünscht haben, sondern weil jemand Geld in die Hand genommen hat." Das habe Konsequenzen für die Versicherer: "Wir müssen künftig Technologie stärker nutzen, um im Leben unserer Kunden relevant zu sein."

Sein Credo: "Kunden wollen keine Versicherung, Kunden wollen Sicherheit." Dafür müsse der Versicherer mit Hilfe der Technologie sorgen. Bestes Beispiel ist die Axa-App Wayguard, mit der Frau oder Mann sich auf einsamen Wegen elektronisch begleiten lassen kann. Axa-Policen werden nur noch digital entwickelt. Eine neue Berufsunfähigkeitsversicherung, die als Pilotprojekt über Xing vertrieben wird, ist für Smartphones entwickelt worden.

Seit zwei Jahren leitet Vollert Axa Deutschland. Vorher war er bei der Allianz und bei McKinsey. "Wir brauchen schnellere und kürzere Entscheidungswege", fordert er. "Denn sonst werden Wettbewerber von außen kommen, die eine hohe Investitionskraft haben und viel über Kunden wissen, die können uns angreifen", sagt er und meint Amazon, Google und Facebook.

Vollert sieht sein Unternehmen dafür in einer guten Ausgangsposition. "Das müssen wir nutzen, und zwar sehr schnell", sagt er. Am Ende habe alles mit Tempo zu tun. "Wer zu langsam ist, den kann es erwischen, das gilt für die gesamte Branche."

Mit 10,9 Milliarden Euro Prämieneinnahmen im Jahr 2017 ist die Axa die Nummer sechs im deutschen Markt, weit hinter Allianz und Generali, aber deutlich vor den vielen kleinen und sehr kleinen Konkurrenten. Das ist eine undankbare Stellung - nicht groß genug, um Trends im Markt zu bestimmen, aber zu groß, um sich in Nischen zu tummeln. Hohes Wachstum steht deshalb ganz oben auf der Tagesordnung. "Unser Ziel muss es sein, organisch über dem Markt zu wachsen", sagt Vollert.

2017 hat es damit nicht ganz geklappt: Die Axa steigerte zwar den Gewinn, legte beim Umsatz aber nur um 1,4 Prozent zu, die Branche um 1,7 Prozent. Die Kölner haben Marktanteile verloren. Doch das dürfte sich spätestens 2019 ändern: Die Axa in Paris hat gerade den nordamerikanischen Rivalen XL für 12,4 Milliarden Euro übernommen, der auch hierzulande aktiv ist. "Mit XL können wir auch im deutschen Markt unsere Position im Firmenkundengeschäft weiter ausbauen", schwärmt Vollert. Denn bei Firmen und in der Schadenversicherung - Gebäude, Autos, Haftpflicht- oder Unfallrisiken - will er vor allem wachsen.

Die Belegschaft wird reduziert, betriebsbedingte Kündigungen will der Chef aber vermeiden

Anfang des Jahres hat Vollert die Axa-Tochter Pro bAV Pensionskasse und einen Bestand von 30 000 fondsgebundenen Verträgen an den Abwicklungsspezialisten Frankfurter Leben verkauft. Dafür musste er sich heftige Kritik mancher Kollegen anhören, die negative Auswirkungen auf das Kundenvertrauen befürchten. Vollert verteidigt den Schritt: "Wir mussten etwas tun, Nicht-Handeln war keine Option." Die Pensionskasse sei schon lange keine attraktive Form der Altersvorsorge mehr, dazu seien komplexe Regeln und der Wegfall von Steuervorteilen gekommen. "Wir glauben, dass wir für die Pro bAV Pensionskasse eine Lösung gefunden haben, die die Kunden jetzt besserstellt", sagt er. Die Frankfurter Leben hat eine Kostenreduktion von 15 Prozent vertraglich zugesagt, die direkt den Versicherten zugutekommt.

Von großflächigen Stellenstreichungen als Folge der Digitalisierung will Vollert nichts wissen. Aber er ist Realist: "Eine Transformation in dieser Größenordnung wird die Zahl der Mitarbeiter deutlich verändern und reduzieren, das ist uns sehr wohl bewusst", gesteht er zu. "Deshalb haben wir unseren Mitarbeitern und auch den Arbeitnehmervertretern reinen Wein eingeschenkt." Die Axa verzichtet auf betriebsbedingte Kündigungen, aber die Gesamtbelegschaft wird reduziert.

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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