Autoversicherer:Crash mit Ansage

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Die Autoversicherung war jahrzehntelang eine Geldmaschine für die Konzerne. Doch die Digitalisierung und das selbstfahrende Auto werden das Geschäft massiv verändern.

Von Herbert Fromme, Anna GenTrup und Patrick Hagen, Köln/Frankfurt

Die deutschen Autoversicherer werden unruhig. "Der Wettbewerb nimmt zu", klagt Klaus-Jürgen Heitmann, Vorstand bei der HUK-Coburg. "Dazu kommt die neue Konkurrenz von Autoherstellern und Vermittlern im Internet." Die Hersteller bieten Autokäufern Policen über ihre Händler an, während andere Kunden online bei Vergleichsportalen wie Check24 abschließen - wenn sie überhaupt einen Wagen haben. In den Großstädten wird das Carsharing beliebter.

"Die Kfz-Versicherer müssen sich auf deutlich sinkende Prämieneinnahmen einstellen", warnt Jörg Wälder vom Beratungsunternehmen KPMG. Je nach Geschwindigkeit der technischen Umwälzungen rechnet er mit einem Rückgang des Umsatzes um bis zu 45 Prozent - also elf Milliarden der bisher 24 Milliarden Euro.

Langfristig lieferte das Geschäft auch wegen Zinserträgen aus den Schadenreserven gute Gewinne

Jahrzehntelang galt die Autoversicherung als sichere Bank. Alle Fahrzeughalter sind gesetzlich verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Gelegentlich klagte die Branche, der intensive Wettbewerb führe zu Verlusten. Das mag in einzelnen Jahren gestimmt haben. Aber langfristig lieferte das Geschäft auch wegen hoher Zinserträge aus den Schadenreserven gute Gewinne.

Doch jetzt ändert sich alles. "Uns treiben die Verschiebungen in der Wettbewerbslandschaft an", sagt HUK-Vorstand Heitmann. "Die Autoindustrie baut Fahrzeuge, die immer vernetzter sind." Das verändere den Wettbewerb. "Künftig werden die Fahrzeuge Unfallschäden automatisch melden, dann sind möglicherweise die Hersteller der erste Ansprechpartner in der Not." Alexander Vollert verantwortet im Vorstand der Allianz Deutschland die Sachversicherung. "Die größten Herausforderungen sind mehr Kundenorientierung und Digitalisierung", sagt er und verweist auf Online-Abschlüsse, Telematik-Tarife und die neue Kommunikation mit den Kunden auch im Schadensfall.

In den Chefetagen ist klar: Die Branche muss reagieren. Aber über die Rezepte sind sich die Chefs noch nicht einig. Ein wichtiges Thema sind Telematik-Tarife, bei denen die Autos mithilfe von speziellen Boxen oder von Handys Daten über das Fahrverhalten liefern und der Versicherer entsprechende Rabatte vergibt. S-Direkt, Signal Iduna und VHV haben solche Systeme bereits eingeführt, Axa, HUK-Coburg und Allianz wollen folgen. "Wir machen mit dieser Technik eine neue Art Versicherung", sagt VHV-Vorstand Per-Johan Horgby. "Wir wollen, dass der Kunde entscheiden kann, wie er fährt, und dazu die passende Prämie erhält." Illusionen über die Verbreitung der neuen Angebote macht sich niemand. "Telematik-Tarife zielen auf bestimmte Kundengruppen ab", sagt Allianz-Mann Vollert. "Der Fokus liegt auf jungen Leuten." Damit könne die Allianz junge Fahrer gewinnen und an sich binden. "In den USA, Italien und anderen Märkten, wo es Telematik-Tarife schon länger gibt, sehen wir momentan eine Durchdringung von höchstens zehn Prozent." Trotzdem investieren die Versicherer Millionen. Sie wollen über die Telematik-Tarife eine engere Beziehung zum Kunden aufbauen. Er erhält regelmäßig Auswertungen über sein Fahrverhalten.

Ein Stuttgarter Schrottplatz im Jahr 2009, in dem die Regierung eine Abwrackprämie eingeführt hatte. (Foto: imago stock&people)

Bessere Online-Abschlussmöglichkeiten und ein besseres "Schadenerlebnis", wie Allianz-Mann Vollert es nennt, gehören ebenfalls zum Umbau. Alle großen Anbieter haben inzwischen Werkstattnetze. Kunden erhalten Rabatt auf ihre Kaskoversicherung, wenn sie zustimmen, dass die Fahrzeuge nach Unfällen nur in einer Vertragswerkstatt des Versicherers repariert werden. Die Allianz baut an einem System, mit dem der Kunde jederzeit online sehen kann, wie weit seine Schadensbearbeitung ist. "Für uns ist es sehr wichtig, wie wir uns von anderen im Schadensfall unterscheiden", sagt Vollert.

Auf keinen Fall wird die Branche so fragmentiert bleiben wie heute. Mehr als 100 Anbieter wollen die Autos der Deutschen versichern. Größter Anbieter nach Stück ist die HUK-Coburg, die 10,6 Millionen der 62 Millionen Fahrzeuge im Land versichert. Es folgt die Allianz mit knapp 8,5 Millionen, die allerdings beim Umsatz größer als die HUK ist, weil sie mehr Lkws versichert. "Aktuell sind extrem hohe Investitionen nötig, um mithalten zu können", weiß Allianz-Vorstand Vollert. Es werde vielen Anbietern schwerfallen, diese Investitionen zu stemmen. "Wir sind gern bereit, die Möglichkeiten einer Konsolidierung für uns zu nutzen", sagt Vollert. Dabei schließt er Zukäufe nicht aus.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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