Autobranche:Lichthupe aus Stuttgart

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Porsche-Vorstand Lutz Meschke erklärt, welche Vorteile ein Börsengang des Sportwagenherstellers bringen könnte. Damit setzt er die Eigentümer-Familien unter Druck.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Porsche (hier die Produktion in Stuttgart) spielt Szenarien für einen Börsengang durch. (Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)

Lutz Meschke hat sein Sakko abgelegt, er trägt schwarzes Hemd, schwarze Jeans, schwarze Sportschuhe mit weißer Sohle und weißen Schnüren. Das Outfit mag ungewöhnlich sein für einen Finanz-Vorstand. Doch es passt zu jedem Wort, das der Vizechef der Stuttgarter Flitzerfabrik Porsche im firmeneigenen Entwicklungszentrum Weissach bei Stuttgart sagt. Für einen Manager aus dem Reich des Volkswagen-Konzerns lehnt sich Meschke sehr weit aus dem Fenster und fordert die Eigentümer mehr oder weniger deutlich auf, bitteschön über einen Börsengang von Porsche nachzudenken.

Angesichts der anstehenden Brüche in der Auto-Branche müsse sich jeder Hersteller fragen, wie er sich "mit seinen Einheiten" aufzustellen habe. "Ist es nicht besser, zumindest einen Teilbörsengang anzustreben", sagt der 52-jährige Vorstand für Finanzen und IT und fügt hinzu: "Gehen Sie davon aus, dass ich die Vorteile auch im Konzern äußere."

Meschke würde Porsche gerne flotter weiterentwickeln und fit machen für eine ungewisse Zukunft, in der neben Ferrari und Aston Martin viele weitere gefährliche Konkurrenten hinzukommen wie die Tech-Konzerne aus Asien und den USA, die bald Roboterautos auf die Straße bringen. Es gehe darum, "interessanter zu sein für Kooperationen und Investoren" - und es gehe "gegen die Verwässerung".

Gegen die Verwässerung? Damit deutet Meschke an, was der Hintergrund ist: Porsche hat es satt, Jahr für Jahr Milliarden-Gewinne an die Konzern-Mutter nach Wolfsburg zu überweisen und als Gegenleistung - stark zugespitzt formuliert - nur Schummel-Dieselmotoren von der Schwester Audi geliefert zu bekommen.

Der Autohersteller Porsche firmiert zwar bereits als Aktiengesellschaft, befindet sich allerdings zu 100 Prozent im Besitz der Volkswagen AG. Nicht zu verwechseln ist diese Porsche AG mit der gleichnamigen Holding Porsche SE, mit der die Porsche-Erben ihre Beteiligungen verwalten. Die mit Abstand wichtigste Beteiligung dieser Porsche SE ist wiederum Volkswagen.

Daimler und Ferrari als Vorbild

Er gehe davon aus, sagt Lutz Meschke, dass im dortigen Aufsichtsrat "intelligente Menschen sitzen, die sich Gedanken machen über die Weiterentwicklung des Konzerns". Er vermeidet zwar, den Börsengang explizit zu fordern. Stattdessen spricht er von den Beispielen Daimler und Ferrari - und zwischen den Zeilen ist klar, was er sagen will. Daimler treibt derzeit die Aufspaltung in drei unabhängige Sparten noch im kommenden Jahr voran. Und Ferrari hat den Börsengang vor drei Jahren gewagt. Davon habe nicht nur der Sportwagenbauer selbst, sondern auch die Konzern-Mutter Fiat Chrysler profitiert. So startete die Ferrari-Aktie im Oktober 2015 bei 50 Euro und verdoppelte sich bis heute auf 100 Euro. Zwischenzeitlich lag sie sogar bei mehr als 125 Euro. Die Aktien von Fiat Chrysler legten im selben Zeitraum von neun auf 14 Euro zu. Schon im Jahr davor hatte sich der Börsenwert verdoppelt, seitdem Ferraris Börsengang angekündigt worden war.

"Wie bei Ferrari wird sich der Hebel auch auf andere Einheiten auswirken", sagt Lutz Meschke. Er spricht das Wort Volkswagen nicht aus, aber es ist klar, wen er meint. Und er sagt auch, auf welchen Börsenwert er ein Unternehmen taxieren würde, in dem die Luxus-Volkswagenschwestern Porsche, Lamborghini, Bentley und Bugatti zusammengefasst wären: "60 bis 70 Milliarden Euro liegen nicht aus der Welt."

Vollkommen abwegig wäre ein Börsengang Porsches nicht, immerhin bereitet der Volkswagen-Konzern selbiges für seine Nutzfahrzeug-Sparte vor: Sie wurde abgespalten, das Börsendebüt ist für 2019 geplant. Automobil-Analyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI kann Meschkes Worte gut nachvollziehen: "Der Volkswagen-Konzern gehört mit seinen Marken zu den mit großem Abstand am niedrigsten bewerteten Unternehmen im gesamten Kapitalmarkt." Er rechnet einen fast schon grotesken Unterschied beim Unternehmenswert von Tochter- und Mutter-Unternehmen vor: Ihm zufolge wäre Porsche als börsennotierte Gesellschaft momentan etwa 100 Milliarden Euro wert, den VW-Konzern taxiert er dagegen auf nur 25 Milliarden. "Was die Bewertung angeht, zieht der VW-Konzern die Porsche AG also runter", sagt Ellinghorst. "Das ist für alle Aktionäre ein echtes Drama." Deshalb sollte "jeder halbwegs ökonomisch denkende Mensch den Börsengang eines Teils von Porsche in Betracht ziehen." Ellinghorst bezeichnet Meschkes Ausführungen als "zwingend logisch", diese hätte er "ohne bestehende Überlegungen im Management und innerhalb der Porsche-Familien sicher nicht gemacht."

Man kann also davon ausgehen, dass Meschkes Aussagen gut überlegt und mit Porsche-Vorstandschef Oliver Blume abgestimmt sind. Vielleicht ist es ein Testballon, vielleicht sogar ein Hallo-Wach-Ruf Richtung Konzern-Eigentümer. Porsche ist nur eine von einem Dutzend Töchtern in der Volkswagen-Familie, aber die mit der höchsten Rendite und dem größten Gewinn. Etwa vier Milliarden Euro hat Porsche zuletzt stets in Wolfsburg abgeliefert, etwa ein Viertel des Konzern-Gewinns.

Zwar verschickte das Unternehmen schleunigst ein Dementi. "Porsche verfolgt derzeit keine Aktivitäten für einen (Teil-)Börsengang", schreibt ein Sprecher. Soll heißen: Abgebogen Richtung Börse sind die Stuttgarter noch nicht. Lichthupe und Blinker haben sie aber betätigt. Mal schauen, wie Aufsichtsrat und Börse reagieren. Am Montag gehörte die Volkswagen-Aktie zu den Gewinnern im Dax. Ein Plus gab es auch für stimmlose Vorzüge der Porsche SE, derzeit der einzige, für Anleger käufliche Porsche-Titel an der Börse.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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