Autobahngebühren:Prozess um Lkw-Maut

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Der Bund sucht einen neuen Betreiber für das lukrative Lkw-Mautsystem in Deutschland. Im Zuge dessen durfte der Staat das Unternehmen Ages vom Bieterverfahren ausschließen, deutet das Oberlandesgericht Düsseldorf an.

Von Markus Balser und Benedikt Müller, Berlin/Düsseldorf

Wenn Deutschland im nächsten Herbst sein Lkw-Mautsystem neu vergibt, dann will das Unternehmen Ages unbedingt dabei sein. Ende 2018 läuft der Betreibervertrag für die Technik der Lkw-Maut aus. Der Bund sucht einen Nachfolger für das Konsortium Toll Collect, das die Gebühr seit dem Jahr 2005 erhebt. Doch seit diesem Mittwoch stehen Ages' Chancen auf den Zuschlag nahe null. Das Bundesverkehrsministerium hatte das Tochterunternehmen von Shell und BP vom Bieterverfahren ausgeschlossen - und zwar zu Recht, deutet das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf nun an: In seiner vorläufigen Rechtsmeinung sieht Richter Heinz-Peter Dicks keinen Verstoß gegen das Vergaberecht. Sein endgültiges Urteil will der Vergabesenat Mitte Dezember verkünden.

Bei dem Streit geht es um die Zukunft eines Milliardengeschäfts. Das Berliner Unternehmen Toll Collect treibt mit 600 Beschäftigten die Lkw-Maut ein. Es geht um jährlich etwa fünf Milliarden Euro für die Staatskasse. Ein dreistelliger Millionenbetrag bleibt bei den Betreibern hängen - ein einträgliches Geschäft also, um das mehrere Unternehmen ringen. Bislang wird Toll Collect von der Deutschen Telekom, Daimler und der französischen Cofiroute betrieben. Doch der Bund will die Anteile an dem Unternehmen neu vergeben.

Darauf hatte sich auch Ages beworben. Das Unternehmen aus dem Rheinland schied jedoch in der ersten Runde aus. Ein Punktesystem gab den Ausschlag: Die Bieter konnten ihre Punktzahl verdoppeln, wenn sie nachwiesen, dass sie Erfahrung mit dem produktiven Betrieb eines Mautsystems haben. Dazu zählt nach Ansicht des Bundes, Mautgebühren zu erheben, zu kontrollieren und abzurechnen. Ages erhielt diese doppelte Punktzahl nicht, andere Bewerber hingegen schon. Das Bundeskartellamt billigte diesen Ausschluss bei einer Nachprüfung im Frühjahr.

Doch Ages pocht am Mittwoch darauf, man habe eine Referenz vorgelegt, welche die Voraussetzungen erfülle. Richter Dicks stellt sich hingegen auf die Seite des Bundes. "Der Betrieb einzelner Komponenten konnte nicht zur Verdopplung der Punktzahl reichen." Ages habe zwar Erfahrung in der Abrechnung von Mautgebühren, nicht aber in der Erhebung und Kontrolle.

Bei einem Urteil zugunsten von Ages hatten Insider mit massiven Auswirkungen auf das Vergabeverfahren gerechnet. Möglicherweise hätte die Vergabe von vorne beginnen müssen. Zudem hätte es Einfluss auf die Vergabe für den Betrieb der Pkw-Maut haben können, die im Jahr 2019 eingeführt werden soll. Denn auch dafür hat sich Ages interessiert. In der Bundesregierung geht man davon aus, dass sich Ages Hoffnungen auf ein Tauschgeschäft machte: Das Unternehmen hätte bei einer Beteiligung an der Pkw-Maut den Rechtsstreit in Düsseldorf beenden können.

Bei der Verhandlung am Mittwoch weist Dicks jedoch die Argumente von Ages zurück. Ein sachkundiger Bieter sei in der Lage gewesen, die Ausschreibungsunterlagen korrekt auszulegen, sagt der Richter. "Bei einem Auftragswert von zwölf Milliarden Euro kann man sich auch mal ein bisschen anstrengen." Zwar hätte der Bund manche Kriterien stärker formulieren können, sagt Dicks. "Aber bitte: Das Ganze ist kein Wunschkonzert." Toll Collect treibt seit 2005 im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Maut für Lastwagen auf Autobahnen und Bundesstraßen ein. Wer den Zuschlag bekommt, ist unklar. Neben der Telekom und Cofiroute bewerben sich weitere deutsche und internationale Konsortien. Daimler will sich offenbar nicht erneut beteiligen.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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