Auto: Bittgang der Konzerne:Milliarden für das Ende

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Die amerikanischen Autobosse betteln erneut vor dem US-Senat um Hilfe. Sinnvoll wären die Milliardenhilfen nach Expertenmeinung aber nur bei Konkurs - dann könnten die Konzerne sinnvoll schrumpfen.

Paul Katzenberger

So tief sind sie also schon gefallen, die Chefs der drei großen US-Autokonzerne. Am Donnerstag dürften sie wohl in Sack und Asche vor dem Banking Comittee erscheinen. In Privatjets, wie bei ihrem ersten Bittgang vor zwei Wochen, werden Robert Nardelli, Alan Mulally und Rick Wagoner auf jeden Fall nicht mehr die kurze Reise von Detroit nach Washington antreten.

Wurden zum Nachsitzen verdonnert: GM-Chef Richard Wagoner, Chrysler-Boss Robert Nardelli und Ford-Vorstandsvorsitzender Alan Mulally (von links). (Foto: Foto: AFP)

Zu katastrophal war die öffentliche Wirkung, als die Chefs von Chrysler, Ford und General Motors (GM) den Staat um Milliarden Dollar für ihre maroden Unternehmen anflehten, gleichzeitig aber Tausende Dollars für den 500-Meilen-Trip verpulverten. An diesem Dienstag läuft die Frist ab, bis zu der sie einen definitiven Rettungsplan vorlegen müssen.

In amerikanischen Internet-Blogs wird schon seit Tagen spekuliert, auf welche Weise die drei Konzernchefs wohl ihre zweite Washington-Tour gestalten wollen. Eine Fahrgemeinschaft beite sich nach Meinung der Blogger zwar an, doch auf diese Weise würden sich die drei Autobosse wohl noch mehr zum Gespött machen.

Sicher erscheint auf jeden Fall, dass GM-Boss Rick Wagoner dieses Mal auf den Firmenjet verzichten wird - wenngleich Konzernsprecher Tony Cervone klarstellte, dass das Unternehmen die Reisepläne seines Spitzenpersonals aus Sicherheitsgründen niemals vorher bekanntgebe. Auch Chrysler und Ford hielten sich über den Reiseverlauf ihrer Vorstandschefs bedeckt.

Auch deutsche Arbeitsplätze in Gefahr

Bei allem Hohngeschrei läuft der zweite Canossa-Gang der drei Konzernlenker aber vor einem todernsten Hintergrund ab: Immerhin geht es um die einstige Vorzeige-Industrie der größten Wirtschaftsnation der Welt. Hunderttausende Jobs könnten nicht nur in den USA, sondern weltweit gefährdet sein, wenn die Big Three aus Detroit in den Abgrund gerissen würden.

Die Schockwellen eines solchen Erdbebens wären auch in Deutschland unmittelbar zu spüren. Denn allein an der GM-Tochter Opel, mit ihren 30.000 Mitarbeitern, hängen noch einmal weitere 40.000 Arbeitsplätze bei Zulieferunternehmen.

Weit wichtiger als die Reiseroute der drei amerikanischen Autobosse sind daher die Sanierungspläne, die die Manager aus Detroit dieses Mal unbedingt auf den Tisch legen müssen. Bei der ersten Anhörung war der katastrophale Eindruck entstanden, dass die Chefs der einst so stolzen Weltunternehmen außer leeren Taschen wenig zu bieten hatten: Sie machten zwar unmissverständlich klar, dass sie dringend insgesamt 25 Milliarden Dollar bräuchten - aber einen konkreten Plan, wie es danach weitergehen solle, legten sie da nicht vor. Das wollen sie nachholen.

Klar ist, dass in Detroit derzeit jeden Tag unermesslich viel Geld verbrannt wird. GM-Chef Wagoner warnte schon, dass der einst größte Automobilhersteller der Welt das Mindestniveau seiner liquiden Mittel in Höhe von elf Milliarden Dollar noch in diesem Jahr unterschreiten könnte. Allein im dritten Quartal brauchte GM 6,9 Milliarden Dollar seiner Barrreserven auf und verfügte am Ende nur noch über 16,2 Milliarden Dollar.

Schlimmer noch ist die Lage bei Chrysler. Bei der einstigen Daimler-Tochtergesellschaft sackten die liquiden Mittel im dritten Quartal um mehr als drei Milliarden Dollar auf 6,1 Milliarden Dollar ab.

Frisches Geld wird in Detroit also dringend gebraucht. Doch ob es fließen wird, ist mehr als unsicher. Während die Republikaner nach dem 700-Milliarden-Dollar Rettungsschirm für die Banken kein weiteres Staatsgeld herausrücken wollen, neigen die Demokraten eher einem Hilfspaket zu.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie staatliche Hilfen für die US-Autohersteller nach Expertenmeinung am besten eingesetzt würden.

"Wenn der Kongress jetzt 25 Milliarden Dollar gibt, dann sind die einfach mal weg", glaubt Christian Schattner, Autoanalyst bei der Privatbank Sal. Oppenheim. Aus diesem Grund sei es besser, die Unternehmen nach Chapter 11 des amerikanischen Konkursrechtes insolvent gehen zu lassen, so der Experte.

Allerdings wollen General Motors und seine Wettbewerber eine Pleite bislang mit aller Macht verhindern. Sie befürchten, dass ein insolventer Hersteller seine Autos nicht mehr absetzen kann. Eine Insolvenz stünde daher nicht am Anfang einer Restrukturierung, sondern bedeute schlicht das Todesurteil, so die Konzernlenker.

"Solche Horrorszenarien sind natürlich Blödsinn", sagt Experte Schattner. Das amerikanische Insolvenzrecht biete ausreichende Möglichkeiten einer kontrollierten Umstrukturierung. Das GM-Unternehmen werde es auch nach der Zahlungsunfähigkeit geben. Notwendig sei eine Gesundschrumpfung um 30 bis 40 Prozent innerhalb der nächsten 12 bis 36 Monate. Ein solches Downsizing sei am besten durch einen Schnitt wie eine Insolvenz zu verwirklichen. Dann, aber auch erst dann, könnten auch staatliche Hilfen sinnvoll sein, meint Schattner.

Schwache Verhandlungsposition

Auch Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler glaubt, dass die Insolvenz für die drei Konzerne inzwischen unumgänglich ist: "Für jede andere Lösung ist die Verhandlungsposition der drei Manager inzwischen zu schwach."

Ein Kompromiss könnte nach Auffassung Piepers darin bestehen, die benötigte Milliardenhilfe an die Bedingung einer Insolvenz nach Chapter 11 zu knüpfen. Durch den Gang vor den Konkursrichter könnten die Autohersteller ihre Angelegenheiten viel leichter regeln: Die Gewerkschaften müssten einer Reduzierung der enormen Pensions- und Gesundheitsverpflichtungen für die Mitarbeiter wohl oder übel zustimmen, und auch die Trennung von bestehenden Händlernetzen fiele leichter.

Nach Auffassung Schattners ist aber selbst dieser Mittelweg nicht sinnvoll: "Jetzt noch in die Insolvenz Geld reinzuschießen, hilft nur den Gläubigern", glaubt der Oppenheim-Analyst: "Dann bekommen eben diejenigen das Geld, die Bonds von den drei Unternehmen haben."

Dauerhaft helfen würde nur eine glaubhafte Strategie. Die amerikanischen Autohersteller, die sich zu sehr auf große Autos und Pick-up-Trucks spezialisiert hätten, müssten auf verbrauchsarme Autos umsatteln. An diesem "harten Weg", so glaubt auch Metzler-Mann Pieper führt kein Weg vorbei.

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