Auch Russland und Aserbaidschan streiten:Noch ein Hahn abgedreht

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Während der Energiestreit zwischen Minsk und Moskau Sorgen um die deutsche Ölversorgung auslöst, ist inzwischen eine weitere Ölquelle versiegt. Denn auch Aserbaidschan streitet sich mit Russland.

Paul Katzenberger

Die staatliche Ölgesellschaft Socar habe am Neujahrstag jene Ölexporte nach Europa eingestellt, die durch eine durch Russland führende Pipeline laufen, sagte Socar-Exportchef Muchtar Babajew nach einem Bericht der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua.

Ölfeld in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. (Foto: Foto: Reuters)

Socar erklärte, der Grund sei ein Importstopp von russischem Erdgas, nachdem Moskau gefordert habe, die Preise mehr als zu verdoppeln. Aserbaidschan wolle das bislang exportierte Öl nun in den eigenen Kraftwerken verwenden, um das russische Gas zu ersetzen.

Preisverdopplung

Aserbaidschan weigert sich, künftig statt 110 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas 235 Dollar (180 Euro) an Russlands halbstaatlichen Energiekonzern Gazprom zu zahlen.

Aserbaidschan verfügt zwar selbst über enorme Öl- und Gasvorräte, importierte aber wegen seiner mangelnden Infrastruktur bislang Gas aus Russland. 2006 beliefen sich diese Lieferungen auf 4,5 Milliarden Kubikmeter Gas.

Wegen des Streits mit Russland erhöhte die Regierung in Baku bereits am Montag die Strom, Wasser- und Gaspreise im eigenen Land. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung teilte mit, dass die die Strompreise auf das Dreifache und Preise für Wasser auf das 1,8-Fache angehoben würden. Gas werde um 50 Prozent teurer.

Baku-Noworossijsk

Im vergangenen Jahr exportierte Socar 1,17 Millionen Tonnen über die russisch kontrollierte Pipeline, die von Baku zum russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk führt.

Um von Russland unabhängiger zu werden, hatte Aserbaidschan neben Georgien, der Türkei und dem britischen Öl-Multi BP die sogenannte BTC-Pipeline realisiert, die von Baku über Georgien zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan führt.

Die Umgehung russischen Gebietes erforderte enormen Aufwand: Unter anderem muss die im Juli 2006 eröffnete BTC-Pipeline (Baku - Tiflis - Ceyhan) bis zu 2.800 Meter hohe Berge überwinden. Auf seinem Weg durch die Pipeline passiert das Öl acht Pump-, zwei Molch- und 87 Ventilblockstationen.

Offshore-Förderung

BP führt ein Konsortium an, dass vor der Küste Aserbaidschans Öl fördert. Der britische Ölkonzern hatte allerdings immer betont, dass er neben der BTC-Pipeline auch die Baku-Noworossijsk-Verbindung nutzen wolle.

Am Montag waren bereits russische Öllieferungen in die deutschen Raffinerien Schwedt und Leuna ausgeblieben, da zwischen Russland und Weißrussland neue Differenzen über die Durchleitung von Rohöl aufgekommen waren. Die russischen Öllieferungen durch die sogenannte "Druschba"-Pipeline waren daher versiegt.

Für Deutschland hat die Unterbrechung des Ölflusses aus Aserbaidschan allerdings bei weitem nicht die Bedeutung wie die Blockierung der "Druschba"-Pipeline. "Über Noworossijsk kommen nur ganz geringe Ölmengen nach Deutschland", sagte Roland Götz zu sueddeutsche.de.

Aufschluss unter die Top-Ten

Noch sei Aserbaidschan insgesamt kein großer Ölexporteur, erklärt der Energieexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Aufgrund der derzeitigen Fördertätigkeit werde das Land allerdings bis in fünf bis sieben Jahren weltweit unter den Top-Ten der ölausführenden Länder rangieren, schätzt Götz .

Doch dies sei nur ein vorübergehendes Phänomen: "Es ist absehbar, dass die Vorkommen des Kaukasusstaates in der längeren Frist rasch erschöpft sind", so Götz.

Russland hatte auch von Georgien eine ähnlich dramatische Preiserhöhung wie von Aserbaidschan gefordert. Da Georgien im Gegensatz zu Aserbaidschan über keine nennenswerten Energiereserven verfügt, hatte Tiflis die Preiserhöhung schließlich akzeptiert. Allerdings verringerte der Kaukasus-Staat seine Abnahmemenge.

Näher an den Westen gerückt

Sowohl Aserbaidschan als auch Georgien haben ihre Beziehungen zu den USA deutlich intensiviert. Manche Beobachter interpretieren die drastischen Preiserhöhungen für russisches Gas daher als Strafaktion Moskaus.

Russland argumentiert hingegen, die Preise für Gas an die früheren Sowjetrepubliken lediglich auf Weltmarktniveau anheben zu wollen. Nur so könnten die Subventionen abgebaut werden, die früher innerhalb der Sowjetunion gewährt worden seien.

Gegenseitige Bezichtungen

Russland und Weißrussland bezichtigten sich gegenseitig, für die Blockade verantwortlich zu sein, von der neben Deutschland auch Polen und die Ukraine betroffen waren.

Weißrussland muss seit Jahresbeginn 100 Dollar je 1000 Kubikmeter Erdgas an den russischen Konzern Gazprom zahlen - doppelt so viel wie bisher. Zudem führte Russland einen Exportzuschlag von 180 Dollar pro gelieferter Tonne Öl ein.

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