Atomkraft:Frankreich übt das Abschalten

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  • Die Betreiber des Atomkraftwerks Fessenheim in Frankreich haben

Von Leo Klimm, Paris

In Fessenheim gehen die Lichter aus. Fürchten die Fessenheimer. Die Straßenlaternen blieben symbolisch aus, als die Bewohner des elsässischen Ortes zuletzt abends gegen die Schließung ihres Atomkraftwerks protestierten. Sie fühlen sich den Atomgegnern geopfert - nicht zuletzt denen von der anderen Rheinseite, den deutschen. Doch der Protest für den Erhalt der zwei Reaktoren, die 2000 Menschen Arbeit geben, half erst einmal nichts: Am Dienstag leitete der Kraftwerksbetreiber EDF die Abschaltung ein. In einer knappen Entscheidung billigte der Verwaltungsrat eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung zur Stilllegung.

Damit beginnt im Atomland Frankreich ein heikles Verfahren zur endgültigen Abschaltung eines Atomkraftwerks. Allerdings ist die Frage, ob es nicht auch hier um Symbolik geht. Denn ob das Verfahren auch zu Ende gebracht wird, ist unsicher. Sicher ist dagegen: Fessenheim geht frühestens Ende 2018 vom Netz. Und: Der Prozess ist juristisch wie politisch umkehrbar - was François Fillon, bürgerlicher Favorit bei der Präsidentenwahl im Mai, zum Ausstieg aus dem Ausstieg nutzen will.

Der scheidende sozialistische Präsident François Hollande hatte versprochen, das Kraftwerk während seiner Amtszeit stillzulegen. Daraus wird nach allerlei Verzögerungen nichts mehr. Doch seine Regierung hat zuletzt massiven Druck auf EDF-Chef Jean-Bernard Lévy ausgeübt, um die Abschaltung wenigstens in Gang zu setzen.

Das älteste französische Atomkraftwerk Fessenheim, das 1977 ans Netz ging, ist besonders pannenanfällig und umstritten. Ein Reaktor war jüngst wegen Mängeln an einer Stahlhülle außer Betrieb, der andere ist es noch, weil Fälschungen an technischen Dokumenten entdeckt wurden. Kritiker sehen auch Gefahren, weil die Meiler im Erdbebengebiet stehen. Neben Bürgerinitiativen fordert auch die Bundesregierung eine rasche Stilllegung. Frankreichs Atomaufsicht ASN jedoch hält das Werk für unbedenklich. Sie hat den Betrieb über die ursprünglich geplante Laufzeit von 40 Jahren hinaus genehmigt. EDF möchte die 58 Reaktoren in Frankreich sogar am liebsten 60 Jahre am Netz lassen.

Gemäß der nun getroffenen Vereinbarung erhält EDF vom Staat - der zugleich Eigner des Konzerns ist - mindestens 490 Millionen Euro für den Gewinnausfall infolge der Stilllegung. Bis es soweit ist, dauert es aber: EDF muss die Abschaltung noch formal beantragen. Das wird das Unternehmen erst tun, wenn die Regierung ihm bei Bau und Betrieb zweier anderer Kraftwerke entgegenkommt. Tatsächlich enden soll die Kernspaltung in Fessenheim, wenn ein neuer Druckwasserreaktor in der Normandie in Betrieb geht. Das wird nach aktuellem Stand Ende 2018 sein - kann sich aber verzögern. Der Abschaltplan ließe einem Staatspräsidenten Fillon also genug Zeit, den Ausstieg zu stoppen.

Noch-Umweltministerin Ségolène Royal feierte den Beschluss vom Dienstag trotzdem wie einen Sieg. Er ermögliche EDF mehr Investitionen in erneuerbare Energien, schwärmte Royal. Im Bundesumweltministerium fiel die Reaktion nüchterner aus: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", hieß es. Man erwarte, dass Paris die Stilllegung "kurzfristig zu einem Abschluss bringt". Das aber wird ganz sicher nicht geschehen.

© SZ vom 25.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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