Arcandor:Immobiliengeschäfte holen Middelhoff ein

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Middelhoff in der Bredouille: Justizministerin Zypries fordert ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren Arcandor-Chef, um dessen Privatvermögen zu beleuchten.

Dirk Graalmann und Stefan Weber

Zwei Jahre vor seiner Wahl in den Aufsichtsrat des Handels- und Touristik-Konzerns Arcandor, der damals noch Karstadt-Quelle hieß, war Thomas Middelhoff im Frühjahr 2002 auf der Suche nach einer privaten Geldanlage. In Vermögensfragen ließ er sich gerne vom Kölner Privatbankhaus Sal. Oppenheim beraten. Die Banker empfahlen dem ehemaligen Bertelsmann-Chef die Beteiligung an mehreren Immobilienfonds, die die Bank gemeinsam mit dem Projektentwickler Josef Esch aufgelegt hatte. Diese Oppenheim/Esch-Fonds waren Eigentümer von fünf Häusern, die an Karstadt-Quelle vermietet waren: die Warenhäuser in Leipzig und Potsdam sowie ein Teil des Oberpollinger-Hauses in München, das Sporthaus in Karlsruhe sowie das Wiesbadener Luisen-Forum.

Thomas Middelhoff (Foto: Foto: AP)

Der Essener Konzern war schon damals knapp bei Kasse und verschaffte sich mit dem Verkauf der Häuser Liquidität. Die neuen Eigentümer sagten zu, dringend notwendige Investitionen an den Standorten zu finanzieren. Karstadt-Quelle verpflichtete sich, die umgebauten Häuser für jeweils 20 Jahre zu mieten. Die aktuelle, an den Fonds zu zahlende Miete beträgt 42,6 Millionen Euro pro Jahr.

Überhöhte Mieten

Das erschien Middelhoff eine attraktive Anlage, und so investierte er für sich und seine Frau einen siebenstelligen Betrag. Seine Geldanlage beschäftigt nun die deutsche Justiz. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) höchstselbst regte in einem Brief an ihre nordrhein-westfälische Ressortkollegin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) an, durch die zuständigen Behörden ein Ermittlungsverfahren prüfen zu lassen.

Für Karstadt-Quelle erwies sich der Vertrag mit Oppenheim/Esch bald als Desaster. Die Mieten machten zum Teil deutlich mehr als zehn Prozent des in den Häusern erzielten Umsatzes aus; üblich sind Quoten zwischen fünf und sieben Prozent. Auch bei dem Versuch, einen Teil der Verkaufsflächen unterzuvermieten, sahen die Handelsmanager rasch ein, dass die kalkulierten Preise nicht zu erzielen waren. In der Bilanz 2004 musste der Konzern deshalb eine Rückstellung von 152 Millionen Euro bilden. Die Zusage von Esch, Karstadt-Quelle zum Ausgleich an künftigen Projekten zu beteiligen, löste er nicht ein.

Als Middelhoff im Mai 2004 Aufsichtsrat von Karstadt-Quelle wurde und zwölf Monate später gar an die Vorstandsspitze rückte, stießen seine privaten Immobiliengeschäfte auf heftige Kritik. Anlegerschützer sahen einen Interessenkonflikt: Als Konzernchef, so monierten sie, müsse Middelhoff auf eine Anpassung der Miete drängen oder eine Klage gegen Esch anstreben. Dagegen könne es ihm als Fondszeichner nur recht sein, dass Karstadt-Quelle kräftig zur Kasse gebeten wird. Middelhoff, der den Konzern im Februar 2009 verließ, hat diese Interessenkollision stets heruntergespielt. Forderungen, die Fondsanteile zu veräußern, konterte er mit dem Argument: Das sei für ihn mit Verlusten verbunden. Zudem habe er die Papiere schon vor seinem Amtsantritt besessen.

Jetzt holt das Immobiliengeschäft Middelhoff wieder ein. In dem einseitigen Schreiben von Zypries , das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zeigt sich die Ministerin "sehr beunruhigt" über Presseberichte zu den Immobiliengeschäften. Die Zeitungsartikel allein, schreibt Zypries, reichten jedoch nicht aus, um "ein strafbares Verhalten von Herrn Middelhoff - etwa wegen Untreue" zu behaupten. Deshalb müsse der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden.

Justiz soll für Klarheit sorgen

Sie würde es "sehr begrüßen", schreibt Zypries an Müller-Piepenkötter, "wenn durch die zuständige Justiz Ihres Landes Klarheit über die juristische Bewertung der Vorgänge geschaffen werden könnte". Das NRW-Justizministerium leitete das Schreiben nach eigener Aussage direkt nach Erhalt am vergangenen Freitag an die zuständige Essener Staatsanwaltschaft weiter. "Wir haben den Brief als Strafanzeige gewertet", sagte Ministeriumssprecher Ulrich Hermanski. Nun müsse die Staatsanwaltschaft allerdings "ohne politischen Druck und Einfluss" über den weiteren Verfahrensgang entscheiden. Bei der Essener Staatsanwaltschaft lag der Brief nach Aussage von Oberstaatsanwältin Angelika Matthiesen am Sonntag aber noch nicht vor. Entsprechend sei auch über ein mögliches Ermittlungsverfahren noch nicht entschieden.

Middelhoff selbst zeigte sich gelassen. Eine Untersuchung werde "den jetzt aus der Anonymität heraus vorgetragenen Angriffen den Boden entziehen", ließ er am Wochenende ausrichten. Nach seiner Darstellung ist der Sachverhalt von den zuständigen Gremien des Unternehmens unter Hinzuziehung von Wirtschaftsprüfern und Anwälten damals intensiv geprüft und abschließend bearbeitet worden.

© SZ vom 08.06.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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