Arbeitsmarkt:Schmutzige Geschäfte

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Ausgerechnet im Reinigungsgewerbe sind unsaubere Machenschaften verbreitet - bei ihrem Kampf gegen die Schwarzarbeit stoßen Fahnder auf mafiöse Strukturen.

Klaus Ott

München - Es ist nicht die erste Strafe, die Horst R. derzeit verbüßen muss. Die kriminelle Karriere des gelernten Zimmermanns und studierten Bauingenieurs begann 1977 mit einer Steuerhinterziehung. Das Amtsgericht Hannover entschied auf 30 Tagessätze zu je 50 Mark.

Putzfrau auf einer Messe (Foto: Foto: AP)

Anschließend folgten Unterschlagung, dreimal Betrug und diverse Verkehrsverstöße. Wegen Trunkenheit am Steuer verurteilte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin den freiberuflichen Bauleiter im Mai 1987 zu drei Monaten Haft - auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Im Februar 2001, den gebürtigen Norddeutschen hatte es inzwischen nach Bayern verschlagen, verhängte die Justiz Strafe Nummer 14: Fahren ohne Führerschein, lautete das Delikt. Die Richter ließen ein letztes Mal Gnade walten: Acht Monate Gefängnis, aber wiederum drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Nun sitzt Horst R. tatsächlich hinter Gittern, für längere Zeit. Die sechste Strafkammer des Landgerichts München I registrierte eine "erhebliche kriminelle Energie" und verfügte sechs Jahre Haft. Der Bauleiter hatte die Branche gewechselt und im Reinigungsgewerbe sein Glück gesucht.

Sauber sollte es zugehen, aber nur dem Namen nach. Fast fünf Jahre brauchten die Sozialversicherungen und der Fiskus, ehe sie merkten, wie sie von der Firma München Clean GmbH systematisch betrogen wurden. Bis zu 200 Beschäftigte, darunter viele Iraker und Afghanen, putzten regelmäßig am Flughafen und in diversen Gaststätten in der Innenstadt.

Millionenschaden

Aber nur 22 Mitarbeiter waren laut Urteil im Schnitt offiziell gemeldet. Der Schaden ging in die Millionen. Der Staat hat Horst R., 60, gewissermaßen zwangspensioniert; sein türkischer Partner Muharrem Y. bekam ebenfalls sechs Jahre Haft.

Die schmutzigen Geschäfte der München Clean sind ein typischer Fall in der deutschen Reinigungsbranche, die jährlich Aufträge für immerhin gut zehn Milliarden Euro abwickelt. Schwarzarbeit ist weit verbreitet, dunkle Figuren haben leichtes Spiel, schnelle und hohe Gewinne locken.

Angeheuert und dirigiert werden die ungesetzlichen Putzkolonnen in der Regel von notorischen Gesetzesbrechern, die auch anderweitig auffallen. Mal als Geldwäscher, wie passend, mal als Schleuser.

Drei bis vier Euro pro Stunde

Die Arbeitskräfte stammen, fast ohne Ausnahme, aus dem Ausland; oft vom Balkan, aus Osteuropa oder aus dem Orient. Sie sind billig und willig, vor allem dann, wenn sie sich illegal in Deutschland aufhalten und mühelos ausbeuten lassen. Auf drei bis vier Euro, das rechneten die Ermittler aus, belief sich der Stundenlohn bei der München Clean. Der Tarifvertrag sieht mindestens den doppelten Betrag vor.

Lange Zeit galt der Bau als ideale Branche für den Betrug am Finanzamt und den Sozialkassen. Doch ausgerechnet jener Wirtschaftszweig, der vom Säubern lebt, holt in der Kriminalstatistik mächtig auf. Fast jeder sechste Beschäftigte ist nirgends registriert oder putzt und schrubbt weit länger als offiziell gemeldet.

Ein Spitzenplatz, ermittelt vom Zoll, der bundesweit nach Schwarzarbeitern und vor allem nach den Hintermännern fahndet. In Schulen und Altersheimen, Krankenhäusern und Einkaufszentren, Hotels und sogar in den WCs an den Autobahn-Raststätten. Dort habe sich eine "Toiletten-Mafia" etabliert, sagt Oberinspektorin Ines Graf von der Oberfinanzdirektion (OFD) Köln, Abteilung Finanzkontrolle Schwarzarbeit.

Die OFD koordiniert bundesweit den Einsatz der Zöllner gegen den verbotenen Arbeitsmarkt und gelangt stets aufs Neue zu überraschenden Erkenntnissen. Sogar das Trinkgeld, das für die Putzfrauen in den öffentlichen Klosetts entlang der Schnellstraßen oder in den Einkaufszentren bestimmt ist, landet am Ende auf den Konten gerissener Arbeitgeber. Abgeschleppt in Fünf-Liter-Eimern, die bis zum Rand mit Münzen gefüllt sind.

Die Fahnder haben vorsichtshalber Fotos gemacht, damit ihnen die Gerichte die Geschichte später auch glauben. "Toiletten-Mafia", das sei nicht nur so dahingesagt, berichtet Graf. Die neu eingerichtete Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll habe eine eigens geschaffene Struktur für die Bewirtschaftung der WCs entdeckt, mit ständig wechselnden Firmen, aber festen Gebietsleitern.

Die steuern den Einsatz der Putzkräfte, die für Hungerlöhne Pissoirs und Rinnsteine bürsten, manchmal für 150 Euro im Monat. Gespart wird eben nicht nur bei der Lohn- und Umsatzsteuer und den Beiträgen zur Sozialversicherung.

Extremer Preiskampf

Selbst den Branchenführern macht die illegale Konkurrenz schwer zu schaffen. Der Berliner Dienstleistungskonzern Dussmann AG, der insgesamt fast 1,2 Milliarden Euro umsetzt, klagt über einen "extremen Preiskampf" in der Gebäudereinigung. 160 Millionen Euro erwirtschaftet Dussmann mit gut 5000 Kunden aus der Privatwirtschaft und vom Staat in dieser Sparte.

Die Schwarzarbeit sei "inzwischen ein ernstes Problem", vor allem in grenznahen Regionen, erklärt das Unternehmen.

Der Kampf um saubere Verhältnisse ist mühsam und wohl kaum zu gewinnen. 718.924 Beschäftigte waren im vergangenen Jahr nach Angaben des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks offiziell gemeldet, bei 13143 Firmen.

Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Auf 7000 Zöllner stockt der Bund die Finanzkontrolle Schwarzarbeit nach und nach auf, und die müssen alle Branchen im Auge haben, in denen die illegale Beschäftigung an der Tagesordnung ist: Bau, Spielhallen, Hotels und Gaststätten, Taxis und eben das Reinigungsgewerbe. "Je geringer die geforderte Qualifikation, desto größer die Gefahr, dass schwarzgearbeitet wird", sagt Reinhard Mayr, der Chef der FKS beim Hauptzollamt Rosenheim.

Einen Besen in die Hand nehmen, kehren, staubsaugen, wischen, das könne "eigentlich jeder". Es braucht auch nicht viel, um Unternehmer zu werden: das Handwerkszeug, ein paar Büromöbel, geleaste Fahrzeuge, die Arbeitskräfte. Und manchmal eben kriminelle Energie.

Mit der lässt sich eine Firma leicht gründen, verlagern, abwickeln, um mit dem nächsten Betrieb wieder von vorn anzufangen, was den Betrug ungemein erleichtert. Der reisende Reinigungs-Meister Rolf S. aus Berlin tingelte mit seinen Putztruppen quer durch die Republik, von der Hauptstadt über Thüringen nach Bayern.

Alle paar Monate wechselte S. den Firmensitz und sparte sich die Sozialabgaben, ehe ihn das Amtsgericht Wolfratshausen zu packen bekam und zu zwei Jahren Haft verurteilte - auf Bewährung, obwohl er einschlägig vorbestraft war und die Krankenkassen um 135.000 Euro geschädigt hatte. Auch sonst kam der Berliner in Bayern milde davon. Er soll 100 Euro im Monat an die Krankenkassen zahlen, fünf Jahre lang. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft erneut, nach einer Razzia im Juli.

S. putzte gern auch für Gemeinden, die sich leicht täuschen ließen oder gar nicht wissen wollten, ob sie ein seriöses Unternehmen beauftragen. In staatlichen Einrichtungen wird häufig schwarz gereinigt, in der Stadt wie auf dem Land.

Die Rosenheimer FKS ertappte in der Schule Westendorf-St. Peter eine Rumänin, die dort die Klassenzimmer in Ordnung hielt. Den Ermittlern erzählte die Frau, sie habe nur einen Bekannten begleitet und dort zufällig gekehrt, weil sie "noch nie einen so großen Besen" gesehen habe wie in der Lehranstalt. Den habe sie unbedingt ausprobieren müssen.

Tatsächlich war die inzwischen abgeschobene Frau, die weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis hatte, bei einer Münchner Firma beschäftigt. Und die wiederum hatte den Reinigungsjob in Westendorf von einem Landshuter Mittelständler bekommen. Die Landshuter Firma wiederum war Vertragspartner der Schulbehörde. So läuft das oft, auch am Bau.

Ein Unternehmen, das bei den eigenen Beschäftigten die Gesetze einhält, bekommt den Auftrag und schaltet Subunternehmer ein. Und wie zuverlässig diese sind, interessiert am Ende nur noch die Fahnder und Richter.

Staatliche Rechtspfleger müssen dann aufwändig ermitteln, was staatliche Geldausgeber leichtfertig übersehen haben. Die Subunternehmer seien ein generelles Problem, sagt Rosenheims FKS-Chef Mayr und lässt deshalb seine Leute auch in Ämtern und anderen öffentlichen Einrichtungen nach Schwarzarbeitern suchen.

Beim Münchner Flughafen, den Stadt, Land und Bund gemeinsam betreiben, kamen die zu hohen Haftstrafen verurteilten Horst R. und Muharrem Y. jedenfalls gut ins Geschäft. Für das vor zwei Jahren fertiggestellte Terminal 2 hatten die Flughafen GmbH und die Lufthansa die FM Bau gegründet. Die suchte sich für die Reinigung des riesigen Areals ein in der Branche bekanntes Unternehmen, und das bediente sich bei Bedarf der München Clean.

"Keine Gewähr für Subunternehmen"

Die FM Bau habe, sagt Geschäftsführer Volker Rohde, nur die eigenen Vertragspartner auf deren Zuverlässigkeit hin geprüft. Und die Partnerfirma der FM Bau behauptet, man könne "keine Gewähr für Subunternehmen übernehmen". Im Übrigen habe die München Clean ja alle erforderlichen Unterlagen "wunderbar dahergebracht", sagt der Firmenchef.

Vielleicht hat sich der Hauptauftragnehmer des Flughafens ja auch von Muharrem Y. beeindrucken lassen, dem Inhaber und Generalbevollmächtigten von München Clean, der im Mercedes vorfuhr und im Maßanzug auftrat. Geschäftsführer Horst R. blieb lieber im Hintergrund. Er war aber keineswegs unsichtbar, sondern im Handelsregister eingetragen. Die Partnerfirma des Flughafens hätte sich von ihm nur sein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lassen müssen und wäre vermutlich schnell stutzig geworden.

Stattdessen schauten sich erst die Zoll- und Steuerfahnder die München Clean GmbH genauer an. Was sie fanden, war höchst kriminell. 1000 bis 2000 Euro Lohnsteuer pro Monat hatte die GmbH in der Regel dem Fiskus gemeldet, bis zu 91375,88 Euro hätten es sein müssen. Bei den Sozialabgaben wurden maximal 8388,23 Euro im Monat überwiesen, fällig gewesen wären bis zu 148731,41 Euro. Die Ermittler stießen auf zahlreiche Anmeldeformulare für die Sozialversicherungen, die ausgefüllt, aber nie abgeschickt worden waren. Und auf viele Scheinrechnungen, mit denen die beiden Betrüger Millionensummen aus der Firma in schwarze Kassen umleiteten. Mit diesem Geld bezahlten Y. und R. die Schwarzarbeiter.

Im Reinigungsgewerbe, so die Erkenntnisse der FKS und der Gerichte, machen die Personalkosten bis zu 70 Prozent der Firmenetats aus. Es lohnt sich also ganz besonders, den Staat und die Sozialkassen zu hintergehen. Bundesfinanzminister Hans Eichel ist freilich zuversichtlich, die Schwarzarbeit eindämmen zu können, generell zumindest.

Speziell in der Putzbranche sei das aber ein Trugschluss, klagen Steuerfahnder aus ganz Deutschland. Die Hälfte der Arbeitszeit gehe mitunter für Ermittlungen in diesem Wirtschaftszweig drauf, der Effekt sei gering. Vor dem Zugriff seien die Täter und das Geld meist verschwunden. Man sehe kaum noch Land, klagen Fahnder. "Wir ertrinken in diesen Fällen."

© SZ vom 13.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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