Anwendung des Stabilitätspakts strittig:Eklat um Strafverfahren für Frankreich

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Erstmals seit Einführung der gemeinsamen Währung haben zwei EU-Staaten gegen Passagen eines Strafverfahrens gestimmt. Unterdessen machten die EU-Finanzminister nach harten Verhandlungen den Weg für eine Zinsbesteuerung frei.

Alexander Hagelüken und Gerhard Bläske

(SZ vom 04.06.2003) — Die Europäische Union hat am Dienstag ein offizielles Strafverfahren gegen Frankreich eröffnet, weil das Haushaltsdefizit des Landes im vergangenen Jahr die Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschritten hat. Wie die Bundesrepublik wird Frankreich aufgefordert, seine Haushaltslücke 2004 wieder unter die vorgeschriebene Marke zu drücken.

Anders als Deutschland hat die französische Regierung wiederholt ihren Weigerung erklärt, die Finanzen so schnell wie möglich wieder in Ordnung zu bringen.

Zwischen den EU-Finanzministern entspann sich bei ihrem Treffen in Luxemburg ein Streit darüber, wie hart Frankreich aus diesem Grund angepackt werden soll. "Die Niederlande können keine Sonderbehandlung Frankreichs akzeptieren" gab der niederländische Finanzminister Gerrit Zalm in einer Erklärung zu Protokoll.

Skeptische Experten

Zalm verwies auf die Leistungen der anderen EU-Staaten, gegen die bereits ein Strafverfahren läuft. So reduziere die Bundesrepublik ihr konjunkturunabhängiges Defizit in diesem Jahr um ein Prozent. Portugal habe sogar für eine Senkung von 1,5 Prozentpunkten binnen eines Jahres gesorgt. Deswegen pochte Zalm darauf, dass Frankreich sein konjunkturunabhängiges Defizit bereits in diesem Jahr um wenigstens 0,5 Prozent reduziert.

Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Francis Mer gestand nach der Sitzung ein, dass Frankreich "große Anstrengungen" unternehmen müsse, um das Defizit 2004 unter drei Prozent zu drücken. Er begrüßte es, "dass wir selbst den Weg dahin" wählen können. Die "große Mehrheit der EU-Staaten" habe Frankreichs Wunsch anerkannt, den Stabilitätspakt einzuhalten.

Die Regierung in Paris weigerte sich, das strukturelle Defizit 2003 um 0,5 Prozent zurückzuführen und geht bisher von einem Fehlbetrag von 3,4 Prozent aus. Aufgrund des hohen Defizits der Sozialversicherung dürfte dieser Wert aber mindestens 3,8 Prozent erreichen.

Mer will Ausgaben einfrieren und bereits gewährte Kredite nicht freigeben, um im Rahmen des Fehlbetrages zu bleiben. "Wir müssen bis Herbst konkrete Maßnahmen ergreifen, um 2004 unter drei Prozent zu kommen." Experten halten dies selbst bei einem Wachstum von 2,5 Prozent und einem Ausgabeplus nur in Höhe der Inflationsrate für unrealistisch.

"Es gab eine schwierige und kontroverse Diskussion über die Glaubwürdigkeit des Stabilitätspakts" berichtete Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser. Deutschland war aber wie 13 von 15 EU-Staaten der Meinung, dass es reiche, Frankreich zu einer "signifikant größeren Senkung des konjunkturunabhängigen Defizits 2003 als bisher geplant" aufzufordern.

"Für uns ist eine Gleichbehandlung im kommenden Jahr entscheidend", sagte Koch-Weser. Dann müsse Frankreich wie Deutschland sein Defizit unter drei Prozent drücken. In Anspielung auf die Zögerlichkeit der Regierung in Paris sagte er, "wenn ein Staat in diesem Jahr weniger spart, muss er im nächsten umso mehr machen".

Weg ist frei für europaweite Zinsbesteuerung

Nach harten Verhandlungen machten die EU-Finanzminister den Weg frei für eine europaweite Zinsbesteuerung, um die Kapitalflucht zu stoppen. Ab dem Jahr 2005 werden damit zwölf Staaten Informationen über Konten von EU-Bürgern in ihrem Land austauschen.

Ein Deutscher mit einem Konto in Frankreich muss dann damit rechnen, dass sein Finanzamt über Zinserträge auf seinem französischen Konto benachrichtigt wird. Österreich, Belgien und Luxemburg beteiligen sich zunächst nicht am Informationsaustausch, sondern erheben eine Quellensteuer von zunächst 15 Prozent auf die Zinserträge von EU-Bürgern. Diese Quellensteuer soll später auf 35 Prozent steigen.

Für den Zinssteuerkompromiss war es nötig, der italienischen Regierung weitgehende Zugeständnisse zu machen. So sollen Italiens Bauern 14 Jahre Zeit haben, rund 1,3 Milliarden Euro Strafzahlungen für zu viel produzierte Milch an die EU zu überweisen.

Diese Strafzahlungen sollen auch nicht wie bisher gefordert mit Zinszuschlägen belegt werden. Italien wollte bisher eine Frist von 30 Jahre, zahlreiche EU-Staaten bestanden auf nur fünf Jahren.

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