Anschläge in Norwegen:Ego-Shooter als Massaker-Vorbereitung

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Im sogenannten Manifest des Attentäter Anders Behring Breivik finden sich konkrete Hinweise auf Computerspiele, die er selber gespielt hat. Darunter waren das Online-Rollenspiel "World of Warcraft" und der Ego-Shooter "Call of Duty: Modern Warfare 2".

Bernd Graff

Der Attentäter aus Norwegen hat seine mörderischen Taten minutiös geplant und seine Maßnahmen zur Vorbereitung wie seine jeweiligen Befindlichkeiten in dem mehr als 1500 Seiten umfassenden Manifest in einer Art Tagebuch anscheinend kalt dokumentiert. Formuliert ist dies alles in der Sprache der belehrenden Anweisung: ein Trainingsprotokoll, das vorbildhaft sein will.

Szene aus "Call of Duty: Modern Warfare 2" (Foto: AP)

An verschiedenen Stellen des Bekenner-Konvoluts finden sich auch konkrete Hinweise auf Computerspiele, die der Attentäter Anders Behring Breivik selber gespielt hat. Er habe, so steht es in dem Manifest, zuerst ausgiebig an dem Online-Rollenspiel "World of Warcraft" (WoW) teilgenommen und in dieser virtuellen Fantasy-Welt eine Gilde von Mitspielern geführt.

Er müsse "ehrlicherweise einräumen", so Breivik zu seiner offenbar ausgiebigen Spieler-Erfahrung, "dass es genauso herausfordernd ist, eine Hardcore-WoW zu führen wie ein Unternehmen mit sieben Angestellten".

Aktuelle Kriegssimulation

Nach der WoW-Phase habe er sich Ego- und First-Person-Shootern zugewandt, also Spielen, in denen der Spieler die dargestellte Welt und das Kampfgeschehen aus der Perspektive der von ihm gesteuerten Figur wahrnimmt und mit Schusswaffen andere Spieler oder Computer-Gegner bekämpft.

So sei er auf den Ego-Shooter "Call of Duty: Modern Warfare 2" (MW2) gestoßen, eine aktuelle Kriegssimulation, die den Spieler zum Mitglied einer multinationalen Task-Force in die Einsatzgebiete Russland, Kasachstan und Afghanistan führt.

Beide Spiele, WoW und MW2, sind extrem erfolgreiche und weitverbreitete Titel in der Gamer-Szene. Beide Titel sind fest etabliert und nahezu überall online spielbar. Breivik empfiehlt die moderne Kriegssimulation ausdrücklich als "Schießübung" für "urbane Europäer wie uns", die "Schwierigkeiten haben dürften", überall mit realen Waffen zu trainieren: "Call of Duty", so Breivik in seiner Anleitung, "ist da eine sehr gute Alternative.

Dennoch solltet ihr versuchen, auch mit automatischen Gewehren zu üben. Fahrt in Länder, in denen man ungestörter trainieren kann als hier." Dennoch würdigt er den Realismus der Spiele: "Der militärische Drill neuer Prägung", so schreibt er, verlagere "das Training weg von der physischen Übung hin zu Computersimulationen". Das ermögliche "längere Übungszeiten in realistischeren Situationen. Sie kosten weniger und sind mit weniger Risiko verbunden", schreibt er an anderer Stelle.

Er rät deshalb dazu, in "Internet-Cafés zu gehen, um online ,Modern Warfare' in der Multi-Player-Version zu spielen". Er selber habe das Spiel 2010 erworben: "Modern Warfare 2 ist vermutlich die beste Militär-Simulation, die es gibt. Und eins der heißesten Spiele überhaupt." "Ich", so Breivik dazu, "mag zwar eigentlich Rollenspiele lieber. Aber ich sehe MW2 als bedeutenden Teil meines Trainings. Mehr noch als alles andere. Ich lernte es lieben. Man kann damit mehr oder weniger alle Operationen simulieren."

Wirre Vermischung von realer und Spiele-Szenerie

Wenn ich dann loslege", so räsoniert er in der wirren Vermischung von realer und Spiele-Szenerie über den Ablauf seiner tatsächlichen Attentate, "dann werde ich wohl zu Gott beten, während ich durch die Straßen renne, im Visier der Gewehre, die auf mich zielen, verfolgt von bewaffneten System-Schützern, die versuchen werden, mich zu stoppen und/oder zu töten.

Ich habe eine 70-Prozent-Chance, mein erstes Ziel zu erreichen, eine 40-prozentige für das zweite, 20 Prozent für das dritte. Und weniger als fünf Prozent, um mein Bonus-Level zu erreichen. Ich vermag jetzt nicht zu sagen", so notiert er abschließend, "in welcher mentalen Verfassung ich während der Operation sein werde. Ich werde im Ephedrin-Rausch sein, der meine Aggressivität erhöht. Ich werde dabei meinen iPod auf volle Lautstärke stellen und vermutlich 'Lux Aeterna' von Clint Mansell in einer Endlosschleife hören."

"Lux Aeterna" trägt den weiteren Titel: "Requiem für einen Traum".

© SZ vom 27.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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