Anpassung des Mindestlohns:Streit um ein paar Cent

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Gibt es bald mindestens 8,83 Euro pro Stunde im Callcenter? (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Arbeitgeber und Gewerkschaften sind sich nicht einig, um wie viel der Mindestlohn von 8,50 Euro im kommenden Jahr steigen soll.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Eigentlich geht es nur um ein paar Cent - aber für Millionen wäre es eine beträchtliche Lohnerhöhung: In drei Wochen muss die Mindestlohnkommission entscheiden, um wie viel die gesetzliche Lohnuntergrenze steigen soll. Eigentlich sollten Gewerkschaften und Arbeitgeber, die in dem Gremium mit je drei Vertretern paritätisch stimmberechtigt sind, sich im Stillen auf einen Kompromiss einigen. Doch nun wird der Streit öffentlich ausgetragen.

Seit 1. Januar 2015 gibt es den Mindestlohn, der derzeit bei 8,50 Euro liegt. Alle zwei Jahre wird er angepasst, zum ersten Mal also zum Jahresanfang 2017. Über die neue Höhe entscheidet aber nicht das Parlament, sondern die Kommission, um das Thema aus dem Parteienstreit herauszuhalten.

Die Kommission hat aber in ihrer Geschäftsordnung ihren eigenen Spielraum schon relativ stark begrenzt. Maßgeblich für eine mögliche Erhöhung ist die Tarifentwicklung. An dieser hat sich die Kommission "nachlaufend" zu orientieren. Die entscheidende Größe ist dabei der Tarifindex des Statistischen Bundesamtes, der mehr als 700 Tarifverträge in Deutschland abbildet. Nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit kann die Runde überhaupt von dem Tarifindex abweichen.

Bei der ersten Erhöhung kommt es nun darauf an, wie sich der Index in den ersten anderthalb Jahren seit Einführung des Mindestlohns entwickelt hat, und hier wird die Sache nun knifflig: Bislang belaufen sich danach die Lohnsteigerungen seit Ende 2014 auf 3,2 Prozent. Der Mindestlohn würde dann auf 8,77 Euro steigen. Die Gewerkschaften pochen aber darauf, dass die jüngsten Abschlüsse in der Metall- und Elektrobranche sowie im öffentlichen Dienst in den Index noch hineinfließen, obwohl es die höheren Löhne erst im zweiten Halbjahr 2016 gibt.

"Angerechnet werden müssen auch die Tarifabschlüsse, die ab Juli 2016 wirksam werden", sagte zum Beispiel der stellvertretende Chef der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), Burkhard Siebert der Nachrichtenagentur dpa. Der Mindestlohn würde dann um 4,3 Prozent auf 8,87 Euro steigen.

Rainer Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und selbst Mitglied der Mindestlohnkommission, sieht dafür aber keinen Spielraum. So sieht es auch die Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges: Einen Cent über den Tarifindex hinauszugehen, "wäre eine Fortsetzung der Eingriffe in die Tarifautonomie".

Der unabhängige Vorsitzende der Kommission, der frühere RWE-Arbeitsdirektor Jan Zilius, hat nun eine schwierige Aufgabe: Er muss bis Ende Juni, wenn die Entscheidung fallen soll, mit den Mitgliedern der Kommission einen Kompromiss finden. So könnte man zum Beispiel den öffentlichen Dienst mitrechnen, den Metallabschluss aber nicht. Heraus kämen dabei plus 4,3 Prozent oder 8,83 Euro. Hinzu kommt allerdings ein weiteres Problem: Wird der neue Mindestlohn auf- oder abgerundet?

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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