Anlage:Treffer, versenkt

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Unendliche Weiten, unendliche Möglichkeiten? Anleger wollten mit Schiffscontainern viel Geld machen. Stattdessen zittern sie jetzt um ihre Investments. (Foto: Tim Rue/Bloomberg)

Von einem Investment in Schiffscontainer erhofften sich viele Tausend Anleger satte Erträge. Sie sollten sich irren: Der Anbieter Magellan trudelt ins Chaos.

Von Angelika Slavik

Dietrich Mattausch ist jetzt 76 Jahre alt. Er ist Schauspieler, mehrfach war er für den Tatort engagiert, er hat den Don Carlos gespielt und den Don Juan. Große Kunst. Jetzt muss er sich mit den Banalitäten der Geldanalage auseinandersetzen. "Bin ich eben wieder etwas klüger geworden", sagt Mattausch. Über Jahre habe er mehrfach bei Magellan Maritime Services investiert, erzählt er, immer, wenn gerade etwas Geld übrig gewesen sei. Das Konzept erschien ihm schlüssig. "Wenn das wirklich ein Schneeballsystem war, verliere ich den Glauben an die Welt."

Die Containerfirma Magellan ist pleite. Anfang September wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Frage, wie es dazu kommen konnte, beschäftigt nun gut 9000 Anleger, zahlreiche Anwälte - und den Insolvenzverwalter. An diesem Dienstag findet in Hamburg die Gläubigerversammlung statt. Dietrich Mattausch sagt, er wüsste schon ganz gerne, wie viel von seinem Geld er wiedersehen wird. Vor allem aber wolle er wissen, was denn da eigentlich so schrecklich schiefgegangen sei. "War das Pech oder war das Betrug?"

Das Konzept, mit dem Magellan die Anleger lockte, klang simpel: Die Investoren kaufen Schiffscontainer. Magellan kümmert sich um die Vermietung dieser Container an Reedereien. Die Anleger profitieren von den Mieteinnahmen und, nach einer festgelegten Laufzeit, vom Weiterverkauf der dann gebrauchten, aber immer noch werthaltigen Container. Dieses Modell ist nicht ungewöhnlich, mehrere andere Anbieter arbeiten seit Jahren mit ähnlichen Angeboten. Viele Anleger fanden vor allem die Idee reizvoll, dass mit ihrem Geld ein Container, also ein echter Sachwert, angeschafft wird. Es gibt sehr viele Schiffe auf den Weltmeeren. Diese Schiffe brauchen Container. Und der Container ist ja auf jeden Fall vorhanden. Das müsste doch das Risiko begrenzen. Oder nicht?

Der Insolvenzverwalter Peter-Alexander Borchardt, der nun die Geschicke von Magellan steuert, sieht das anders. Er betrachtet die Container nicht als Eigentum der jeweiligen Anleger, sondern sieht Magellan als Besitzer der Container. Folglich wären sie nun Teil der Insolvenzmasse. Ein Gutachten, das Borchardt in Auftrag gegeben hat, gibt ihm Recht. Viele Anleger können das kaum glauben. "Wenn man eine Wohnung besitzt und die Hausverwaltung geht pleite, dann gehört die Wohnung ja auch nicht plötzlich dem Verwalter", sagt Heinrich Hain. Hain ist Anlagevermittler, er hat das Container-Modell von Magellan sowohl an seine Kunden verkauft, als auch selbst investiert. "Ich habe das guten Gewissens vermittelt, aber natürlich fühle ich mich jetzt nicht mehr wohl dabei", sagt er. Nicht nur die Position des Insolvenzverwalters zur Frage, wem die Container eigentlich gehören, beschäftigt ihn. Sondern auch der Umstand, dass Magellan, als das Geld offenbar knapp wurde, nicht bei den Anlegern um eine Auszahlungspause gebeten hat. "So etwas kommt doch immer mal wieder vor, man kann doch miteinander reden", sagt Hain. Warum Magellan den Austausch mit seinen Investoren nicht gesucht hat, bleibt unklar. Carsten Jans, der Geschäftsführer und Firmengründer, lehnt ein Gespräch ab.

Stattdessen reden andere, der Münchner Anlegeranwalt Peter Mattil zum Beispiel. Er denkt, dass das neue Anlegerschutzgesetz indirekt die Schwierigkeiten bei Magellan mitverursacht haben könnte. Und dass Magellan nur der erste, bei weitem aber nicht der einzige Fall sein wird, in dem Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, weil sie sich unzureichend auf das neue Gesetz vorbereitet haben.

Denn seit Anfang des Jahres müssen auch für Direkt-Investments, wie die Container von Magellan, Prospekte vorgelegt und von der Finanzaufsicht Bafin genehmigt werden. Auch die Regeln, wer Investments vermitteln darf, wurden strenger. Magellan habe also, so vermutet Mattil, plötzlich Schwierigkeiten beim Neugeschäft gehabt: Die Vertriebsstruktur war geschwächt, weil zahlreiche Vermittler ausfielen, zudem musste man auf die von der Bafin genehmigten Prospekte warten. Es gab also mehrere Wochen kein frisches Geld für Magellan. Dann meldete das Unternehmen Insolvenz an.

Der Anwalt spricht von doppeltem Pech. Wegen der Pleite. Und wegen des Insolvenzverwalters

Brauchte Magellan die Gelder neuer Investoren, um die Ansprüche der bestehenden Anleger bedienen zu können?

Einer, der mit dem Fall vertraut ist, sagt: "Die Frage ist ja, ab wann man von einem Schneeballsystem sprechen will." Vieles sei Auslegungssache. Möglicherweise waren die Mieterträge, die Magellan seinen Anlegern versprochen hatte, am Markt nicht durchzusetzen. Die Reedereien stehen weltweit unter Druck, die Frachtraten sind rückläufig. Es ist nicht automatisch unzulässig, frisches Geld für alte Verpflichtungen zu verwenden. Bloß: Man hätte den Anlegern ja auch sagen können, dass sich das Marktumfeld geändert hat.

Anwalt Mattil sagt, die Investoren hätten bei Magellan doppelt Pech gehabt. Erst mit der Geschäftsführung, die das Unternehmen "ohne Not" in die Insolvenz geführt habe. Und dann mit dem Insolvenzverwalter, der "die Anleger praktisch enteignet" habe, weil er ihnen das Eigentumsrecht an den Containern streitig macht.

An diesem Dienstag sollen die Gläubiger über zwei "Sanierungsalternativen" abstimmen. Eine wäre, die Geschäfte weiterzuführen, bis die Container-Mietverträge mit den Reedereien enden. Die andere ist der Verkauf des gesamten Portfolios. In beiden Fällen wird die Frage, wem die Container denn nun gehören, von zentraler Bedeutung sein. Man kann davon ausgehen, dass diese Frage erst von einem Richter geklärt werden wird. Bis dahin werden 9000 Anleger gute Nerven brauchen.

© SZ vom 18.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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