Angst vor China:Unter Freunden

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Begehrtes Know-how: Kuka-Roboter in der Mercedes-Produktion in Sindelfingen. (Foto: Thomas Niedermueller/Getty Images)

Abschottung gegen ein anderes Land ist nicht die Lösung, um Know-how zu schützen: Wie sich deutsche Unternehmen in China einfinden.

Von Elisabeth Dostert und Thomas Fromm, München

So hört sich Gelassenheit an. "Wir haben keine Furcht. China ist für uns ein Land der Chance, weil es für uns ein großer Absatzmarkt ist. Wir betrachten es als Land eines Freundes, nicht als Feind", sagt Christoph Klenk, Vorstandschef von Krones, einem Hersteller von Getränkeabfüllanlagen und Verpackungsmaschinen. Er mache keine Unterschiede, ob er eine Maschine in die USA, nach China oder Spanien liefere. "Aus der politischen Lage eines Landes treffen wir keine Ableitungen, wie wir bei der Belieferung von Kunden umgehen." Sicher gebe es in China kritische Themen, aber bei Krones habe man nicht das Gefühl, dass bei jedem Schritt die Staatsmacht zuschaue. "Der Staat war zu uns nie unfreundlich, im Gegenteil", sagt Klenk.

Aber was ist mit der Technologie, dem wertvollsten Gut eines Unternehmens? Ist sie in Gefahr durch Geschäfte mit China oder einen Standort dort? Wie viel Wissen saugt ein chinesischer Investor ab?

Klenk ist nicht naiv, er kennt seine Wettbewerber. "Das, was wir heute nach China liefern, wird natürlich gescannt, aber nicht vom Staat, sondern vom Wettbewerb." So mancher Konkurrent dort sei teilweise schon bis an die Schmerzgrenze gegangen, was das Kopieren von Technologie betrifft. Aber der Patentschutz habe sich in China deutlich verbessert. Und die Nachahmer sitzen nicht nur dort. "Wettbewerb, der sich unsere Lösungen näher anschaut, gibt es überall", erläutert Klenk. In China beschäftigt Krones rund 400 Mitarbeiter, mit etwa 300 Millionen Euro steuert die Volksrepublik etwa zehn Prozent zum Konzernumsatz bei.

An einem Land wie China kommt schon wegen der schieren Größe keiner vorbei. Aber Angst hat auch Mathias Kammüller nicht, Mitglied der Geschäftsführung des Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf. Der Konzern gehört der Familie Leibinger-Kammüller. Insgesamt beschäftigt er in China gut 1220 Mitarbeiter, die Erlöse summieren sich 2015/2016 auf rund 350 Millionen Euro. "Wir haben noch keine Erfahrung mit Kopien gemacht", sagt Kammüller. Die Chinesen seien eher an einfachen Produkten interessiert, Spitzentechnologie sei schwerer zu nachzumachen.

Kammüller, der auch Präsident des Branchenverbandes VDMA in Baden-Württemberg ist, hält es für richtig, dass der Staat eine Übernahme "sorgsam prüft", wenn das Know-how schützenswert sei. Aber im Falle von Kuka und Midea gehe es zunächst um eine Beteiligung. "Von einer kompletten Übernahme mit der Möglichkeit, das Know-how voll abzugreifen, sind wir in diesem Fall weit entfernt." Robotik, so Kammüller, sei eine wichtige Technologie, "aber die gibt es auf der Welt schon mehrfach". Das Thema Industrie 4.0 sei wichtig. Da seien die Chinesen schnell, aber die Deutschen auch. Der Einstieg von Midea beim Roboterhersteller Kuka allein, glaubt Kammüller, bringe den Chinesen keinen entscheidenden Vorsprung. Mit staatlicher Einflussnahme hat auch Trumpf Erfahrungen: "Wir haben 2013 in China die Firma JFY übernommen, da hat sich der Staat sehr deutlich eingemischt. Das hat mehr als ein Jahr gedauert, bis er das zugelassen hat", sagt Kammüller.

Ein Vertreter der Autoindustrie sagt: "Hier ist nicht die große Aufregung ausgebrochen, nachdem die Nachricht von einem chinesischen Kaufinteressenten für Kuka die Runde gemacht hat. So ist die Globalisierung nun mal." China ist der größte und wichtigste Automarkt der Welt. Auch um hohe Einfuhrzölle und Luxussteuern zu vermeiden, produzieren die Hersteller immer mehr ihrer Fahrzeuge vor Ort. Stets an ihrer Seite, staatlich verfügt: einheimische Joint-Venture-Partner. Den Anfang machte VW vor über 30 Jahren mit dem lokalen Hersteller SAIC "Shanghai-Volkswagen Automotive Company". Die Tochter Audi arbeitet mit dem lokalen Produzenten FAW zusammen, Daimler mit BAIC, BMW in einem Gemeinschaftsunternehmen mit dem lokalen Hersteller Brilliance.

Das Ziel der Regierung in Peking ist klar: Die lokale Autoindustrie soll lernen, wachsen - und sich irgendwann von den ausländischen Produzenten emanzipieren. Dafür braucht es Know-how - und das bringen die Partner aus dem Westen mit. Schützen lässt sich das geistige Eigentum, wenn es einmal in chinesische Fabriken gebracht wird, nur begrenzt. "Sie müssen da eine gewisse Offenheit pflegen, sonst kommen sie nicht voran", heißt es aus der Autoindustrie. Zwar lasse man den Partner "nicht sofort in alles hineinschauen". Allerdings sei es auch nicht möglich, sich und seine Produkte komplett abzuschotten. Man setze sich "immer irgendwie der Gefahr aus", ausspioniert zu werden.

Auch für Klenk und Kammüller ist Abschottung keine Lösung. Ausschlaggebend sei, wie eine Maschine konstruiert sei, sagt Kammüller. "Wir entwickeln in Deutschland, nicht in China, aber auch nicht in den USA. Die Kernkomponenten machen wir hier." Das Wissen darüber, wie die Software installiert werde, wie eine Anlage montiert werde und vieles mehr, sei weit verteilt auf viele Mitarbeiter, das sei nicht so leicht übertragbar. Noch sei der technologische Vorsprung von Trumpf beträchtlich. "Wir können ihn auch halten, weil wir unsere Produkte ständig weiterentwickeln", sagt Kammüller." Nur wer sich technisch konstant fortentwickele, könne auf Dauer Bestand haben, so Klenk.

Krones ist wie Kuka börsennotiert, aber 52 Prozent befinden sich im Besitz der Familie Kronseder. "Wenn es heute ein Übernahmeangebot gäbe, würde es mich schon erst einmal irritieren", sagt Klenk, "ganz gleich woher der Investor kommt."

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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