Angriffchen auf Apple:Was ist nur aus dem Zune geworden?

Lesezeit: 3 min

Mit viel Schwung hatte Microsoft im vergangenen Herbst einen MP3-Player auf den Markt gebracht - als Konkurrenz zum iPod. Mittlerweile ist es still um den Zune geworden. Sehr still.

Hans von der Hagen

Im Internet-Fotoportal Flickr existiert ein Bild mit dem Titel "iPod Amnesty Bin". Die "Amnesty Bin" ist ein Abfallbehälter aus Plexiglas, den die Zune-Entwickler in ihrem Gebäude aufgestellt haben - für Mitarbeiter, die ihren iPod loswerden wollen.

Sync Pink: Um die Geschäfte anzukurbeln, lancierte Microsoft unlängst ein in jeder Hinsicht blumiges Modell. (Foto: Bild: Screenshot)

Daran angebracht ist ein Plakat, das einen zweifach angebissenen Apfel zeigt, und die Aufforderung verbreitet: "Bite me". Das darf man wörtlich verstehen - aber auch in der umgangssprachlichen Bedeutung: "Leck mich!"

Unabhängig davon, ob das Bild nun echt oder gefälscht ist - der gezeigte Behälter ist vielsagend leer, so, als wollten noch nicht einmal die Zune-Mitarbeiter ihren iPod für das neue Microsoft-Produkt opfern.

Überraschend wäre das nicht, denn Amerika hat bislang nur wenig Interesse an dem Zune. Dabei wurde er im vergangenen Herbst mit viel Aplomb auf den Markt gebracht, als Großangriff von Microsoft auf Apple. Mit ihm hätte Microsoft-Chef Steve Balmer den iPod am liebsten vergessen gemacht.

Apple beherrscht dreiviertel des Marktes

Passiert ist - nichts. Zwar konnte der Zune kurz nach dem Start im November 2006 in den Verkaufsstatistiken einmal kurz Platz zwei der MP3-Player mit Festplatte erobern, fiel dann aber wieder zurück.

In der Liste der meistverkauften Elektroartikel bei Amazon.com findet sich das Gerät derzeit erst auf Platz 45 - zwischen der Ein-Gigabyte-Speicherkarte von Sandisk und dem Oppo DV Universal DVD-Spieler.

Unangefochten auf Platz eins der Amazon-Elektrocharts steht indes der Apple 30-Gigabyte-iPod, der auch noch gut 20 Prozent teurer ist als das Microsoft-Gerät. Weitere sieben iPod-Modelle folgen, bis dann zum ersten Mal der Zune auftaucht.

Die Verkaufszahlen des Zune werden von Microsoft nicht veröffentlicht, der Marktanteil im relevanten Segment ("30-GB-Musik- und Videoplayer über 225 Dollar") soll gemäß dem Marktforschungsinstitut NPD Group bei 9,1 Prozent liegen. Damit sei Zune "klare Nummer zwei hinter dem Marktführer", betont Microsoft. Diese Position sei zur Einführung des Gerätes auch als Ziel für das erste Jahr ausgegeben worden.

Auch Apple legt die Verkaufszahlen nicht offen. Da das Unternehmen aber knapp dreiviertel des US-Marktes für tragbare Musikspieler beherrscht, dürfte die Dominanz Apples in jedem Segment erdrückend sein. Das relativiert auch die Einordnung des Zune als "Nummer zwei".

In Deutschland ist der Zune noch gar nicht erhältlich und es ist unklar, wann Microsoft ihn bringen wird. Dabei stünden die Chancen gar nicht schlecht, Apple hierzulande etwas mehr Terrain streitig zu machen: In Deutschland hat der kalifornische Konzern nur einen Marktanteil von 28 Prozent.

Ursprünglich wollte Microsoft den Zune im Herbst 2007 lancieren, doch das Datum ist offenbar nicht zu halten - auch, weil sich das Unternehmen noch nicht mit der Musikindustrie geeinigt hat: "Microsoft ist zurzeit mit allen großen Plattenlabels in Europa in Gesprächen, um zum Start des Zune in Europa ein umfassendes Musikangebot sicherzustellen", sagt ein Unternehmenssprecher.

Der Zune entpuppt sich vorerst also als stiller Verlierer. Da passt es auch ins Bild, dass schon zu Beginn dieses Jahres Bryan Lee von seinem Posten als Vizepräsident der Microsoft-Unterhaltungsbranche zurücktrat. Sein letztes Projekt war der Zune. Doch Microsoft dementiert, dass der Rücktritt Folge der schwachen Absatzzahlen war. Der 43-jährige Lee habe "nicht näher erläuterte private Gründe" gehabt.

Mitarbeiter gesucht

Warum kann sich der Zune nicht durchsetzen? Microsoft ist doch Apple treu gefolgt: Der Zune sieht fast wie der iPod aus, hat vergleichbare Funktionen und es gibt natürlich auch ein iTunes-Pendant - den Zune-Marketplace. Hier können die Nutzer der MP3-Player einzelne Musikstücke kaufen.

Doch das reicht nicht. "Microsoft bietet einfach zu wenig", sagt Mike McGuire vom US-Beratungsunternehmen Gartner Industry Advisory Research. Das Unternehmen habe im Musikbereich immer mit Partnern zusammengearbeitet, die die Softwareprodukte wie die Rechteverwaltung DRM von Microsoft verwendeten. Plötzlich aber habe Microsoft das gesamte Geschäft beherrschen wollen, habe dann aber keine überzeugende Alternativen angeboten.

Die Zune-Produktfamilie sei zu klein, die Verbraucher könnten nur zwischen unterschiedlichen Farben, aber noch nicht zwischen unterschiedlichen Konfigurationen wählen.

Zwar böte der Zune mit der Möglichkeit zum drahtlosen Austausch von Musikstücken eine interessante Weiterentwicklung, lobt McGuire. Doch in der Praxis sei diese wenig hilfreich, denn sie funktioniere nur von Zune zu Zune.

Daneben sei der Markteintritt von Microsoft zu spät gekommen - gerade dann, als die Geschäfte von Apple ein hohes Momentum erreicht hätten.

Doch Microsoft gibt nicht auf. Gemäß zunescene.com wird das Unternehmen schon Ende Juli mit der Produktion einer 80-GB-Variante des Zune unter dem Codenamen Scorpio beginnen, so dass noch in der Feriensaison mit dem US-Verkauf gestartet werden kann.

Auch personell wird der Bereich deutlich aufgestockt: Auf der Microsoft-Webseite finden sich derzeit mehr als 50 Stellenanzeigen für den Unternehmensbereich Zune.

Möglicherweise gilt also nur die alte Regel, dass Microsoft es nie im ersten Anlauf schafft, neue Produkte erfolgreich zu lancieren, später aber aufgrund der großen Marktmacht doch noch Erfolge erzielen kann.

Vielleicht schlägt aber auch nur das bekannte Microsoft-Handicap durch: Apple-Chef Steve Jobs, so formulierte es erst vor kurzem Microsoft-Gründer Bill Gates freimütig, hat einfach mehr Geschmack.

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