Alarm-Software:Daten her, aber schnell!

Lesezeit: 3 min

Messfühler hier, Kameras dort - im industriellen Internet fallen jede Menge Informationen an. Das Start-up Crate.io hat sich darauf spezialisiert. Mit einer Software, die Alarm schlägt.

Von Helmut Martin-Jung, München

Internet der Dinge, das war doch das mit dem Kühlschrank? Der merkt, wenn ihm der Joghurt ausgeht und dann gleich selber welchen nachbestellt. Hat sich nicht so recht durchgesetzt, diese Vision. Und zudem ein wenig vernebelt, dass es bei dem Thema vor allem in der produzierenden Industrie um etwas ganz anderes geht. Nicht um ein paar vernetzte Lampen im Wohnzimmer, die sich per Smartphone auf Kuschelstimmung dimmen lassen, und auch nicht um smarte Türklingeln mit Videokamera.

Worum es beim industriellen Internet der Dinge wirklich geht, das kann Christian Lutz recht anschaulich erläutern. Lutz, 52, ist einer der beiden Gründer des Start-ups Crate.io. Das Produkt der Firma, Crate, ist eine Datenbank, Software also, allerdings eine mit besonderen Eigenschaften. Eigenschaften, wie sie die Kunden brauchen. Die platzieren Dutzende von Sensoren an einer einzigen Produktionsmaschine. Die Sensoren senden zwar nur winzige Datenmengen, das dafür aber ständig. Wärmeentwicklung, Vibrationen, eine ganze Menge anderer Kennzahlen.

In vielen Firmen fallen aber auch vergleichsweise große Dateien an, Bilder und kurze Videos etwa. Sie dienen bei einem Hersteller von Plastikflaschen zum Beispiel dazu, die per Spritzguss hergestellten Flaschen zu überprüfen: Haben sie die richtige Form, gibt es Schwachstellen oder gar Löcher?

Sobald etwas unrund läuft, schlägt die Software Alarm

Mit all diesen Massen an Daten muss eine Datenbank nicht bloß fertigwerden, sie muss das sehr schnell tun. Und da, sagt Christian Lutz, sei Crate in seinem Element. Sobald eine Maschine unrund läuft oder fehlerhafte Produkte herauskommen, wird das über die schnell reagierende Datenbank sofort gemeldet. Maschinen können dann vorbeugend gewartet, Fehler schnell und damit ressourcenschonend beseitigt werden.

Das macht sich die Deutsche Bahn bereits zunutze. In ihrem Auftrag bringt das Münchner Start-up Konux Sensoren an Weichen an. Konux, erzählt Lutz, arbeitete anfangs in Pilotprojekten mit anderer Software. Doch dann in der Praxis, als die Zahl der Sensoren und damit die Datenmenge wuchs, zeigte sich, dass die verwendete Software dafür nicht geeignet war. Das Zwanzigfache der Rohdaten lag in mehreren Systemen, am Ende wurde das zu unübersichtlich und zu träge. Jetzt arbeitet das Start-up mit Crate und braucht nur noch diese eine Datenbank statt zuvor drei Systemen.

Das komme daher, sagt Lutz, dass die Crate-Entwickler sich mittlerweile voll auf industrielle Anwendungen konzentrierten. "Am Anfang waren wir zu breit aufgestellt", erzählt der Mitgründer, das Start-up habe versucht, die Anforderungen unterschiedlicher Kunden zu erfüllen. Doch sie stellten fest: Den meisten ihrer Kunden ging es um das industrielle Internet der Dinge, um die vernetzte Produktion. Also setzen sie voll und ganz darauf und fuhren sehr gut damit. Weltweit sind bereits 1200 Cluster mit ihrer Software im Einsatz.

Die Kunden nutzen sie, um während der Produktion stets alles im Blick zu behalten, aber genauso auch für langfristige Analysen. Der US-Plastikflaschen-Hersteller etwa kam so darauf, dass das von einem bestimmten Hersteller gelieferte Material mehr Ausschuss produzierte. Der Grund war, dass es mehr recyceltes Material enthielt. Die Firma, erzählt Lutz, habe mit dem Hersteller des Materials ganz anders verhandeln können, weil man über genaue Daten verfügt habe.

Crate selbst ist Open-Source-Software. Sein Geld verdient das Start-up mit Versionen für Unternehmen und - mehr und mehr - mit Crate als Service aus der Cloud. Im Prinzip kann das Start-up mit allen Cloud-Anbietern zusammenarbeiten, es ist aber eine enge Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, weil der Windows-Hersteller mit seiner Azure genannten Plattform die Nummer eins im industriellen Umfeld ist. Microsoft hatte das Start-up auch in seinem Accelerator "Scale up" gefördert.

Mitgründer Lutz ist kein Neuling, was Start-ups angeht. Crate.io ist bereits seine vierte Firma. Unter anderem gründete er das "Impossible Project", das die einst populäre Sofortbildtechnik von Kodak erfolgreich wiederbelebte (Lutz: "Das war eine Herzensangelegenheit"). Die Firma des studierten Wirtschaftsingenieurs hat Niederlassungen in Dornbirn im österreichischen Bundesland Vorarlberg, in den USA sowie in Berlin. "Wenn ich noch mal entscheiden könnte, würde ich mit der Firma nach München gehen", sagt Lutz, der Nähe zu vielen Firmen aus dem produzierenden Gewerbe wegen.

© SZ vom 27.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: