Alan Greenspan:Der letzte Tag

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Neugierig, lernbereit, mitteilsam - der weltweit wichtigste Notenbanker war ein untypischer Vertreter seiner Art.

Hans von der Hagen

Ein mittlerweile zerknautschtes Gesicht, eine riesige Brille, eine bunte Vita: Der US-Notenbankchef fügt sich nicht in das Raster Geldmensch.

Aber - Greenspan war ein Geldmensch. Und zwar durch und durch. Indes einer, der sich trotz aller Zahlen und Statistiken, durch die er sich mit Vorliebe wühlte, für mehr als nur die Teuerung interessierte.

Ein System ...

Durchaus auftragsgemäß: Die US-Notenbank soll - anders als etwa die Europäische Zentralbank - gleichermaßen die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Blick haben. Und damit zwangsläufig auch, ja tatsächlich, die Anleger.

Und so kümmerte sich denn Greenspan eben um alles. Dabei ist es die größte Mär, dass seine Worte nicht verstanden werden konnten. Er pflegte zwar eine filigrane Kommunikation, so dass man zuweilen rätseln durfte, was er gerade gemeint haben könnte.

Andererseits ließ er sich eben auch durchschauen. Die Finanzmärkte sollten im Vorhinein wissen, was passieren würde. Und wenn das dann doch einmal misslang, lernte er aus solchen Fällen. Denn er bezog in seiner Laufbahn einige Prügel.

Vor allem, wenn er vor den beiden Häusern des Kongresses Rechenschaft ablegte. Dann musste er sich erklären: Warum er möglicherweise zu spät oder zu früh auf Entwicklungen reagiert hatte. Und wie er die aktuelle Lage einschätzt. Das erläuterte er auch, übrigens ganz ungestelzt.

Greenspan überraschte nicht mit dem, was er tat. Sondern mit dem, was er wann sagte. So gesehen war er ein Aufreger: Wenn er redete, hielten die Märkte den Atem an.

Seine Politik der sichtbaren Hand trug ihm viel Lob, aber auch Kritik ein: Alle wüssten zu genau, woran sie seien, hieß es. Darum würden alle vor geldpolitischen Entscheidungen auf die gleiche Seite rennen und das Instrumentarium der Notenbank stumpf machen.

... dass das Wort brauchte

Doch das System Greenspan funktionierte eben gerade nur, weil die Anleger ihn verstanden.

Denn wie er zu seinen Entscheidungen kam, blieb meist unklar, vielleicht auch, da er immer bereit war, neu hinzulernen und sein Vorgehen anzupassen.

Er hangelte sich nicht allein an den einschlägigen ökonomischen Modellen entlang, da sie seiner Ansicht nach der Realität nicht gerecht wurden und die Entscheidungsfreiheit einschränkten.

Stattdessen nahm er sich hie und dort, was er für nötig hielt: Etwas Theorie, ein bisschen Arbeitslosenrate, ein wenig Wirtschaftswachstum, etwas Teuerung, ein bisschen Taylor-Regel. Unter anderem vielleicht.

Jedenfalls nährte ein solches Vorgehen den Mythos Greenspan, den er zwar genoss, aber nicht bediente. Im Gegenteil: Er versuchte immer deutlich zu machen, dass die Notenbank eben nicht mehr wüsste als der Markt. Das wollte nur keiner hören.

Darum wird es sein Nachfolger Ben Bernanke wohl anders machen: Klare Regeln, klare Ziele. Auch um zu verdeutlichen, dass sich eine Notenbank gar nicht um viel mehr als die Teuerung kümmern kann.

Das heißt aber nicht, dass die Fed einen gänzlich neuen Kurs fährt. Längst hat man festgestellt, dass die Entscheidungen Greenspans solchen Regeln in der Vergangenheit meist gar nicht widersprachen.

Möglicherweise hat er ja auch schon immer mit ihnen gearbeitet. So genau weiß das eben keiner.

Heute hat Greenspan seinen letzten Tag. Dann ist er Rentner.

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