Aktienfonds:Massengutfrachter in Schieflage

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2008 war kein gutes Jahr für Aktienfonds. Vor allem große Fonds leiden unter der Krise - und das liegt an ihrer Struktur.

Catherine Hoffmann

Anlageberater verkaufen ihren Kunden gerne Anteile an besonders großen Aktienfonds, denn schließlich kennt die jeder. Dabei lässt sich mit den Riesen keineswegs viel Geld verdienen. "Die schweren Fonds schneiden recht bescheiden ab", sagt Christian Michel vom Analysehaus Feri. Sie heißen Ari Deka, Industria oder Templeton Growth Fonds, verwalten mindestens eine Milliarde Euro und wurden von den Bankberatern jahrelang wärmstens empfohlen.

Vom Meer umtost: Die Peene Ore von der Rostocker Reederei F. Laeisz ist der zweitgrößte Massengutfrachter der Welt: Die Dickschiffe der Fondsbranche befanden sich 2008 in ähnlich rauer See. (Foto: Foto: ddp)

Doch wer 2008 in die Massengutfrachter der Fondsindustrie investierte, muss heute feststellen: Die aktiv gemanagten Schwergewichte sind ihr Geld nur selten wert. Auch die größten und beliebtesten Aktienfonds blieben von der Finanzkrise nicht verschont, egal ob sie das Geld ihrer Kunden auf der ganzen Welt oder allein in Europa anlegen.

Der flotteste Tanker auf dem europäischen Aktienmarkt - Uni Global Minimum Variance Europa - schnitt im vergangenen Jahr 14 Prozentpunkte besser ab als der Durchschnitt. In einem gewöhnlichen Börsenjahr hätten die Anleger wohl gejubelt über den stattlichen Vorsprung vor der Konkurrenz. Aber 2008 war kein gewöhnliches Jahr. Die schlimmste Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren löste einen Crash an den Börsen aus. Die Kurse europäischer Standardwerte stürzten um 43,0 Prozent ab; der durchschnittliche Europafonds büßte sogar 44,6 Prozent ein. Und so hat der beste Manager eben nur ein paar Prozentpunkte weniger Verlust gemacht als alle anderen - das Kapital der Anleger schmolz trotzdem um ein Drittel.

Nur Verlierer

Keiner der Aktienfonds, die auf europäische Unternehmen setzen, brachte in der Jahresbilanz von Feri Euro Rating Services eine positive Wertentwicklung zustande. Die Zahlen sind ernüchternd: Selbst auf Sicht von drei Jahren hat kein einziger großer Fonds einen Gewinn erwirtschaftet, im Durchschnitt verloren sie sogar 12,9 Prozent im Jahr. Erst wer seit wenigstens fünf Jahren dabei ist, kommt plus-minus Null aus seinem Investment. Das Horrorjahr 2008 hat alle Gewinne ausgelöscht, die in den vier vorangegangenen Jahren des Kursaufschwungs erwirtschaftet wurden.

Besonders verheerend ist die Bilanz von einstigen Publikumslieblingen wie dem Ari-Deka der Sparkassen, dem Fidelity European Growth Fonds oder dem Industria aus dem Hause Allianz Global Investors. Sie alle liegen im vergangenen Jahr weit abgeschlagen hinter den Wettbewerbern. Die Wertentwicklung des Industria reicht 2008 nur noch für Platz 347 unter 403 ausgewerteten Europa-Fonds. Damit setzten die drei die Negativ-Bilanz der vergangenen Jahre fort. Sie rangieren fortgesetzt in der unteren Hälfte der Tabelle.

Die traurigen Zahlen haben System: Große Fonds sind wie Ozeandampfer - sie ändern ihren Kurs nur schwer und fahren mit dem großen Strom. Tobt über dem Aktienmarkt der Sturm, wüten die zerstörerischen Kräfte auch in ihren Depots. Die besten europäischen Aktienfonds kommen deshalb nicht aus großen Häusern, sie werden in kleinen Boutiquen gemacht: in der unabhängigen Portfolio-Management-Gesellschaft Comgest, bei Vitruvius oder in der Fondsmanufaktur von Jens Ehrhardt.

Die Anleger haben das längst erkannt und die Flucht ergriffen - aus dem Ari Deka etwa, jahrzehntelang Aushängeschild der Sparkassen. Fünf Milliarden Euro hatten die Kunden dem Ari noch im Dezember 2006 anvertraut, nun sind es zwei Milliarden. So wie der Deka erging es vielen Anbietern, die ihre Kundschaft enttäuschten. 2008 entpuppte sich als das schlechteste Jahr in der Geschichte der deutschen Fondsbranche: Die Gesellschaften mussten hohe Mittelabflüsse hinnehmen: 13,0 Milliarden Euro bis November, davon allein 5,2 Milliarden aus Aktienfonds.

Enttäuschende Legende

Während die Bilanz der Europa-Fonds katastrophal ist, machten die Lenker großer Aktienfonds, die weltweit ihr Geld investieren, einen besseren Job. Im Durchschnitt versenkten aber auch sie 40,3 Prozent des Kapitals - deutlich mehr als ein Index für globale Standardwerte (minus 36,9 Prozent).

Die Hoffnung der Anleger auf schöne Erträge konnte in dem turbulenten Umfeld kein Fondsmanager erfüllen. Immerhin finden sich hier aber fünf Kapitäne, die nicht nur 2008, sondern auch auf Sicht von fünf Jahren ein glückliches Händchen hatten. Darunter sind alte Bekannte: Carmignac Investissement, DWS Vermögensbildungsfonds I, DWS Akkumula, Uni Global und DWS Top Dividende. Freilich brachten auch sie ihren Anlegern Verluste von bis zu 35,5 Prozent.

Immerhin bieten sie, was Sparer von einem Flaggschiff erwarten dürfen: In schlechten Zeiten geraten die schweren Fonds nicht so tief unter Wasser wie die Konkurrenz, in guten Zeiten segeln sie vorne mit, wenn auch nicht an der Spitze. Dass Erfolge in der Vergangenheit aber keine Garantie für die Zukunft bieten, demonstriert der Templeton Growth Fonds, einer der ältesten überhaupt. "In der Vergangenheit hat er sich in schwierigen Marktphasen immer gut behauptet, im Moment kann er seine alte Stärke aber nicht ausspielen", sagt Feri-Experte Michel. In den zurückliegenden drei Jahren erlitten Anleger zehn Verlustmonate, der Index kommt lediglich auf fünf. Auch bei Templeton stimmten die Fondsbesitzer mit den Füßen ab und verkauften massenhaft ihre Anteile - ohne Rücksicht auf Verluste.

Selbst bisher gewinnbringende Fonds können Opfer ihres Erfolgs oder eines Börsencrashs werden. Für Anleger heißt es deshalb, beim Fondskauf nicht nur ein Auge auf das Volumen und die Marke zu werfen. Wer stabile Renditen sucht, sollte sich nicht von schierer Größe beeindrucken lassen.

© SZ vom 22.01.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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