Aktien-Profis:Hört, hört

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Börsen-Orakel wie Warren Buffett können den Märkten mit ihren Prognosen eine bestimmte Richtung geben. (Foto: Jim Young/Reuters)

Die Börse ist wankelmütig, da hören alle hin, wenn Gurus wie George Soros oder Warren Buffett Tipps geben - scheinbar sichere.

Von Markus Zydra

Im angestaubten Science-Fiction-Film "Zurück in die Zukunft" reist der Schüler Marty McFly 1985 mit einer Zeitmaschine zurück ins Jahr 1955. Dort angekommen prahlt er in einem Café mit seinem Wissen. Der Barkeeper fragt ihn, wer im Jahr 1985 Präsident der USA sei. "Ronald Reagan", antwortete McFly wahrheitsgemäß. "Was, der Schauspieler?", entgegnet der Mann ungläubig und lacht ihn aus.

Die wenigsten Menschen glauben an Zeitreisen. Dennoch üben Prognosen über die Zukunft eine enorme Faszination aus. Besonders wenn sie Hoffnung machen. Etwa in der Liebe. Kommt die Frau zurück? "Aber ja", beruhigt der gute Freund beim zweiten Glas Wein. "Du bist doch ein ganz ein Feiner, klar kommt sie zurück."

Der eine kauft mehr Apple-Aktion, der andere hat sie just verkauft. Und nun?

Viele Menschen hoffen auch aufs schnelle Geld. Sie möchten mal was wissen, was andere nicht wissen, und auf dieser Basis abkassieren. Der amerikanische Hedgefondsmanager John Paulson ahnte frühzeitig, dass die Finanzkrise kommen würde. Mit ihm etwa auch der US-Ökonom Nouriel Roubini und der Nobelpreisträger Robert Shiller. Sie waren bei der Mehrheit als Defätisten verschrien, solange die Börsen brummten. Doch sie wurden Helden, als der globale Finanzcrash 2008 tatsächlich kam.

Die Finanzwelt hört auf diese Idole, auch, wenn man es eigentlich besser weiß: Natürlich gibt es an der Börse immer einen Hellseher, der richtig liegt. Man muss aber gut nach ihm suchen, denn es ist jedes Jahr ein anderer. Guru zu sein, ist ein vergängliches Geschäft. Allerdings gibt es da noch diese zwei betagten Männer, die in ihrem langen Leben unter Beweis gestellt haben, dass sie mit ihren Einschätzungen auffallend häufig richtig lagen.

George Soros, 86, ein Amerikaner mit ungarischen Wurzeln, der berühmt wurde, weil er 1992 mit seiner Wette gegen das britische Pfund auf einen Schlag eine Milliarde Dollar verdiente. Und: Warren Buffett, 85, das "Orakel von Omaha", seiner Heimatstadt, weil der Amerikaner seit Jahrzehnten mit seinen Aktiengeschäften meist Recht hat.

Was liegt da näher, als sich diesen beiden Gurus anzuschließen, um von deren Weisheit pekuniär zu profitieren? Genau jetzt, ganz aktuell. Also, hergehört! Warren Buffett mag die Apple-Aktie. Er hat von März bis Ende Juni seinen Bestand um 50 Prozent erhöht. Und siehe da: Der Kurs der Apple-Aktie ist seit Anfang Juli um gut zwölf Prozent auf 107 Dollar gestiegen. Guter Riecher des Orakels! Doch was macht der berühmte Kollege George Soros? Er hat seine Apple-Aktien just verkauft, als Buffett eingestiegen ist. Wer bekommt da am Ende Recht?

Börsen-Gurus beeinflussen die Finanzmärkte. In kippeligen Situationen können sie der Börse für einige Wochen den entscheidenden Spin geben. US-Hedgefondsmanager haben deshalb in den vergangenen Krisenjahren immer wieder gegen den Euro gewettet.

Spekulanten, auch die berühmten, sind skrupellos. Mal wetten sie auf den Zusammenbruch Griechenlands, mal setzten sie auf die Rettung des Landes. Manchmal instrumentalisieren sie die Öffentlichkeit, indem sie verraten, was sie kaufen, in der Hoffnung, dass eine Mehrheit ihnen folgt. Man darf nie vergessen: Die Börsen-Gurus sind keine Altruisten. Sie leben von dem Wunsch vieler Menschen, eine vernünftige Erklärung für das wirre Börsengeschehen zu finden. Doch ob es die gibt?

Auch Robert Prechter, 67, war ein einflussreicher Börsen-Guru. Der Psychologe hörte Mitte der Siebzigerjahre ein Lied der Punkband Sex Pistols. Prechter, Schlagzeuger, interpretierte den depressiven Song als Signal, dass die schlechte Stimmung in der Gesellschaft ihren Tiefpunkt erreicht hätte. Er empfahl, in den Aktienmarkt einzusteigen. Tatsächlich stieg der US-Markt. Seine Prognosen waren über Jahre erstaunlich treffsicher. Seine Hypothese: Die gesellschaftliche Entwicklung und damit auch die Aktienmärkte verlaufen in langen Wellenbewegungen.

Prechter wurde ein Star. US-Medien verbreiteten seine Prognosen auf allen Kanälen. Seine Aussagen konnten darüber entscheiden, ob der Aktienmarkt stieg oder fiel. Im Jahr 1983 prognostizierte Prechter, der US-Index Dow Jones würde bis 1988 von 1000 auf 3600 Punkte klettern.

Damit lag er dann richtig falsch.

Am "Schwarzen Montag", den 19. Oktober 1987, verlor der Dow Jones 22,6 Prozent auf 1700 Zähler. Im Jahr 1993, als der Börsenindex tatsächlich die 3600 Punkte erreichte, spotteten die Medien: "Prechter hatte Recht, aber sechs Jahre verspätet."

Robert Prechter sagt für 2016 den großen Crash voraus. Den Big Bang

Prechter glaubt wie viele andere, das Börsengeschehen lasse sich nur mit den Regeln der Massenpsychologie erklären. Geldprofis versuchen zu erspüren, wohin es die Mehrheit an den Börsen zieht.

Es ist gefährlich, gegen den Strom zu schwimmen. Ein Fondsmanager, der viel Geld verliert, kann sich leichter rausreden, wenn auch die Konkurrenz Verluste macht. Als ein Verlierer unter vielen Gewinnern hat man dagegen schlechte Karten. Dabei lässt sich mit der Spekulation eigentlich nur dann viel Geld verdienen, wenn man sich anfangs gegen die Masse stellt, die dann später durch ihr Herdenverhalten die Preise in die gewünschte Richtung treibt. Gurus haben es da leichter. Man folgt ihnen, weil man ahnt, dass viele andere es auch tun werden. Dabei lagen auch Soros und Buffett schon oft daneben.

Zuletzt verlor Soros Geld, weil das britische Pfund nach der Brexit-Entscheidung an den Devisenmärkten abstürzte. Der Milliardär hatte auf ein steigendes Pfund gewettet.

Auch Robert Prechter ist noch im Geschäft. Für 2016 erwartet er den großen Crash. Den Big Bang. Der Dow Jones könne bis auf 1000 Punkte fallen. Der Index notiert über 18 000 Punkten. Würde sich die Vorhersage erfüllen, wäre das ein Minus von mehr als 90 Prozent. Man wird bald wissen, was von dieser Prognose zu halten ist.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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