Airlines:Germania in Not

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Raus an die frische Luft: Eine Boeing 737 der Fluglinie Germania verlässt einen Hangar am Flughafen Erfurt-Weimar. (Foto: imago/Steve Bauerschmidt)

Die deutsche Fluggesellschaft braucht dringend Geld. Der kleine Anbieter steuert mehr als 60 Ziele in Europa an - und leidet besonders unter den hohen Kerosinpreisen und massiver Konkurrenz.

Von Jan Schmidbauer, München

Im europäischen Himmel ging es zuletzt durchaus turbulent zu, zumindest im übertragenen Sinne: Steigende Kerosinpreise vermasselten vielen Fluggesellschaften die Kalkulation. Die Nachwehen der Air-Berlin-Pleite, ungünstige Wetterbedingungen und überlastete Sicherheitskontrollen führten zu Tausenden Flugausfällen, gerade in der Urlaubszeit. Und der heftige Konkurrenzdruck in der Branche hielt auch im vergangenen Jahr an.

Besonders hinter der deutschen Fluglinie Germania scheinen äußerst schwierige Monate zu liegen. So schwierig, dass das Unternehmen mit Sitz in Berlin am Dienstagabend eine unangenehme Mitteilung versenden musste. "Die europäische Luftfahrtbranche hat sich in der jüngsten Zeit stark verändert", beginnt das Schreiben, "insbesondere das Jahr 2018 war bekanntermaßen mit großen Herausforderungen verbunden."

Aufhorchen ließ dann vor allem dieser Satz: Man prüfe "aktuell mehrere Optionen einer Finanzierung, um den kurzfristigen Liquiditätsbedarf zu sichern", teilte die Fluglinie mit. Das heißt: Germania braucht Geld. Und zwar recht schnell.

Erneut steckt also eine namhafte deutsche Fluglinie in finanziellen Schwierigkeiten. Germania geht es schon länger vergleichsweise schlecht. Zwischen 2012 und 2016 (aktuellere Zahlen sind nicht einsehbar) verbuchte die Fluglinie nur einmal einen Jahresgewinn. Mit einer Flotte von 37 Flugzeugen und rund vier Millionen beförderten Passagieren pro Jahr spielt Germania zwar eine verhältnismäßig kleine Rolle im Flugverkehr. Nach der Pleite von Air Berlin gehört sie aber - gemeinsam mit Konkurrenten wie Tuifly oder Condor - zu den derzeit größten deutschen Fluglinien nach der Lufthansa. Neben Linienflügen ist Germania vor allem im Geschäft mit Charterflügen aktiv und steuert mehr als 60 Ziele in Europa an. Groß wurde Germania jedoch vor allem mit dem Verleih seiner Flugzeuge an andere Gesellschaften.

Germania ist nicht die einzige europäische Fluglinie, die derzeit in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Der Fall steht auch für eine allgemeine Entwicklung: Vor allem kleine Fluglinien, die über wenig Geldreserven verfügen und scharf kalkulieren müssen, hatten es in jüngster Zeit schwer. Fluglinien wie VLM, Small Planet Airlines oder Skywork überlebten das vergangene Jahr nicht. Größere Billiganbieter wie Norwegian oder Wizz Air kämpfen zumindest mit den steigenden Kosten und mussten groß angekündigte Wachstumspläne teilweise wieder abräumen.

Viele Fluglinien tun sich schwer damit, ihre Flugzeuge auch im Winter auszulasten

Nach Ansicht des Luftfahrtexperten Cord Schellenberg gibt es bei Germania aber auch sehr individuelle Probleme. Der Flugzeugverleih sei lange ein besonders lukratives Geschäft für das Unternehmen gewesen, sagt Schellenberg. "Aber das funktioniert nicht mehr so wie früher." Lange Zeit vermietete Germania vor allem ältere Flugzeuge, die vergleichsweise viel Sprit verbrauchen. Dieses Geschäftsmodell sei in Zeiten hoher Kerosinkosten nicht mehr so gefragt. Zum anderen sei die Konkurrenz durch andere Leasinggesellschaften größer geworden. Zwar sei Germania sehr "findig" beim Auftun neuer Geschäfte. Beispielsweise versuche die Fluglinie, Ziele wie Beirut oder Tel Aviv anzufliegen, die nur von wenigen deutschen Airlines bedient werden. Doch der Aufbau solcher Streckennetze koste ebenfalls Zeit und Geld. Zudem sei Germania noch immer eine klassische Ferien-Fluglinie. Im Winter sei es für solche Unternehmen meist schwer, die Flugzeuge auszulasten. "In solchen Zeiten fehlt dann das Geld. Das ist eigentlich der Klassiker", sagt Schellenberg. Germania machte in seiner Mitteilung neben den allgemeinen Problemen vor allem hohe Wartungskosten und "erhebliche Verzögerungen bei der Einflottung von Fluggerät" für die Probleme verantwortlich.

Passagiere müssen vorerst wohl keine Konsequenzen fürchten: "Beim Flugbetrieb gibt es keine Einschränkungen", teilte das Unternehmen mit, "alle Germania-Flüge finden planmäßig statt". Über die Finanzsituation der Airlines wacht in Deutschland das Luftfahrtbundesamt. Die Behörde darf sich zur Situation einzelner Fluglinien nicht äußern und teilte daher nichts Konkretes zum Fall Germania mit. Man überwache "laufend die finanzielle/wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller deutschen Luftfahrtunternehmen und nimmt auch laufend eine gründliche Bewertung der Finanzsituation der deutschen Fluggesellschaften vor", sagte eine Sprecherin.

Fraglich ist, wie es bei Germania nun weiter gehen könnte. In der Branche wird bereits über mögliche Szenarien spekuliert. Einem Bericht des Fachmagzins Aerotelegraph zufolge soll inzwischen auch ein Verkauf der Fluglinie oder zumindest von Teilen eine Option sein. Die Suche nach einem Aktionär sei bislang aber erfolglos geblieben. Ein Germania-Sprecher wollte sich dazu nicht äußern. Derzeit ist Geschäftsführer Karsten Balke über eine Beteiligungsgesellschaft der Alleineigentümer der Fluglinie.

Für Germania gehe es nun "um die zentrale Frage, wie wir als mittelständisches Unternehmen auch weiterhin in einem Marktumfeld schlagkräftig bleiben, das von Fluggesellschaften mit konzernähnlichen Strukturen geprägt ist", teilte das Unternehmen im Hinblick auf die weitere Entwicklung mit. Übersetzt heißt das wohl soviel wie: Die Lage ist ernst.

© SZ vom 10.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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