Airbus:Englisch reicht nicht

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Airbus-Chef Enders möchte Englisch zur Unternehmenssprache machen - doch er verkennt, dass eine von oben verordnete Einheitssprache für die deutschen und französischen Arbeiter die Konflikte nicht lösen wird.

Michael Kläsgen

Bei Airbus kracht es gewaltig zwischen Deutschen und Franzosen. Firmenchef Thomas Enders schlägt deshalb vor, Englisch zur Firmensprache bei dem Flugzeugbauer zu machen. Das verwundert erst einmal. Denn Englisch ist längst die Firmensprache bei Airbus und bei der Muttergesellschaft EADS. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass dies nur für das Personal in den Büros und für Führungskräfte gilt, nicht aber für die Werksarbeiter. Auch sie sollen nun nach dem Willen Enders' mehr und mehr in Englisch kommunizieren. Schließlich gärt es in den Werkshallen zwischen Deutschen und Franzosen am stärksten.

In der Airbus-Belegschaft rumort es - nun soll eine konzernweit gültige Sprache Frieden bringen. (Foto: Foto: dpa)

Der Vorschlag klingt plausibel, und doch ist er der grundlegend falsche Ansatz. Auf gut Französisch könnte man sagen: Er ist eine "fausse bonne idée", eine falsche gute Idee, ein Ausdruck, den man weder griffig ins Deutsche noch ins Englische übersetzen kann, und das allein zeigt schon, wie unerlässlich es ist, die Sprache des anderen wenigstens erlernen zu wollen, wenn man sein Gegenüber denn nicht nur rein akustisch verstehen will.

Streben nach Rationalität

Das Gute an der schlechten Idee ist, dass Airbus damit einen kafkaesken Zustand in den Werken beilegen könnte. In Toulouse montieren Deutsche und Franzosen Seit' an Seit' dasselbe Flugzeug, doch reden sie nicht viel miteinander. Auch die Handbücher, denen sie folgen, sind auf Französisch beziehungsweise Deutsch. Das ist eine Hinterlassenschaft aus der Zeit, als Airbus noch ein loser Zusammenschluss verschiedener Unternehmen war.

Sämtliche Fluggesellschaften in der Welt, ob Lufthansa oder Air France-KLM, warten ihre Flieger aber längst mit Hilfe von englischen Anleitungen. Daran sollte sich Airbus ein Beispiel nehmen, und das meint Enders im Wesentlichen. Dass es in derselben Werkshalle ein Handbuch gibt, gebietet allein schon das Streben nach Rationalität. Wenn es eine Übereinkunft darüber gibt, wie man das Ding nennt, das auf Deutsch "Niete" heißt, können Missverständnisse vermieden werden. In dem Moment ist Sprache schlicht ein Vehikel, um Arbeitsprozesse zu beschleunigen. In welcher Sprache das geschieht, ist fast sekundär.

Einstweilen aber ist Englisch, dank der Dominanz der Angelsachsen in der Geschäftswelt, die Sprache der Wirtschaft. Dieser Umstand hat Airbus und EADS jedoch zu einem fatalen Trugschluss verleitet, und der lautet: "Firmensprache ist Englisch". Genau hierin liegt das grundsätzlich Falsche von Enders' Idee begründet. Wenn Deutsche und Franzosen auf Englisch miteinander reden, kommen sie über Oberflächlichkeiten und Stereotypen nicht hinaus. Sie müssen die Sprache des Anderen sprechen. Denn sie ist der Schlüssel zum Verständnis der jeweils anderen Kultur, der Unternehmenskultur mithin.

Überflüssiger Schnickschnack

Ein CEO ist mit dem President Directeur General (PDG) nicht zu verwechseln, und der hat nichts mit dem Vorstandsvorsitzenden zu tun. Gerade weil Frankreich und Deutschland im Geschäftsleben, in der Führungskultur, der Berufsausbildung, dem Autoritätsverständnis und den Kommunikationsmustern so unterschiedlich sind, geht am Erlernen der Sprache kein Weg vorbei. Sie transportiert all diese Unterschiede, und zwar auf subtile Weise. Ganz davon abgesehen, dass sich Türen und manchmal auch Herzen öffnen, wenn man es in der Sprache des Anderen versucht.

Den Umkehrschluss ziehen zu wollen, dass sich mit dem Beherrschen der Sprache des Anderen alle Probleme in Luft auflösen, ist natürlich falsch. Man hätte dann aber immerhin eine solide Argumentationsbasis, die der Einheitsbrei Englisch nicht hergibt.

Vor 20 Jahren schickten Unternehmen ihre Mitarbeiter noch zum Französisch- oder Deutschunterricht. Heute wird das als überflüssiger Schnickschnack abgetan. Englisch trat seinen weltweiten Siegeszug an. Airbus erlag diesem Modetrend. Das wirkt sich bis heute nachteilig auf das Klima im Unternehmen aus. Airbus leidet unter dieser Fehlentscheidung seit Jahren, aber kapiert haben das die Manager noch nicht.

© SZ vom 24.06.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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