Agenturmanager Ruzicka vor Gericht:Gefängnis statt Champagner

Lesezeit: 2 min

Früher hat Aleksander Ruzicka in einer Villa in bester Lage in Wiesbaden gewohnt, sich von livrierten Dienern Champagner kredenzen lassen, schnelle Autos gefahren, sich für wertvolle Gemälde interessiert oder in Afrika Büffel und Zebras gejagt. Nun ist alles anders.

Klaus Ott

Seit fast 15 Monaten muss der frühere Werbeplaner, einst einer der mächtigsten Manager in der deutschen Medienbranche, auf all die Nettigkeiten verzichten. Er sitzt im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess. Ein spektakuläres Verfahren steht bevor, das tiefe Einblicke ermöglichen könnte, mit welchen Tricks in der Werbeszene gearbeitet wird.

Vom kommenden Dienstag an versucht das Landgericht Wiesbaden zu klären, ob der von ehemaligen Kollegen als mal charmant, mal arrogant beschriebene Ruzicka seinen teuren Lebensstil mit eigenem Geld finanziert hat, oder ob er in die Firmenkasse gelangt hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, als Geschäftsführer des Konzerns Aegis Media dort zusammen mit Kompagnons mehr als 50 Millionen Euro veruntreut zu haben. Das viele Geld sei beim Handel mit Fernsehspots abgezweigt worden. Aegis Media ist eines der führenden Werbeunternehmen in Europa. Allein in Deutschland platziert die Mediaagentur im Auftrag von Industrie und Wirtschaft jährlich für drei Milliarden Euro Anzeigen und Spots in Presse und Fernsehen.

Zum Wohl seines Arbeitgebers

Begonnen hat die Causa Mitte 2005. Im Auftrag von Aegis Media zeigte ein Anwalt des Unternehmens Ruzicka, weitere Konzernmanager und mehrere Geschäftspartner bei der Wiesbadener Staatsanwaltschaft an. Die Liste der Vorwürfe war lang: Untreue, Unterschlagung, Geldwäsche, Bestechung und gegebenenfalls Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Über ein Netzwerk von Tarnfirmen seien viele Millionen Euro abgeflossen. Ruzicka agiere selbstherrlich, ein Teil der Geschäfte laufe ausnahmslos über ihn. Ein Anruf von ihm genüge, um Werbezeiten umzusteuern. Er sei seit mehr als 20 Jahren in diesem Wirtschaftszweig tätig und kenne "alle schmutzigen Tricks". Die Staatsanwaltschaft müsse handeln, um Schaden vom Unternehmen und der Branche abzuwenden. Trotz der heftigen, mit vielen Details gespickten Vorwürfe brauchten die Strafverfolger fast ein Jahr, um richtig loszulegen.

Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelten, Ruzicka und weitere Konzernmanager hätten bei Aegis Media mit Hilfe von Komplizen 51,2 Millionen Euro beiseite geschafft. Der Jagdfreund und ein anderer ehemaliger Aegis-Geschäftsführer stehen deshalb vor Gericht. Ruzicka bestreitet den Vorwurf, kriminell gewirtschaftet zu haben.

Einzelheiten genannt

Bei vielen Vernehmungen hat er wortreich erklärt, die betreffenden Mittel stets zum Wohl seines Arbeitgebers eingesetzt zu haben. So habe man kostspielige Partys, Jachtausflüge oder Fasanen- und Großwildjagden dazu genutzt, um in lockerer Atmosphäre allerlei Leute gezielt auszuhorchen: Führungskräfte aus Industrie und Fernsehen, Wettbewerber, Bankmanager, Börsenanalysten, Politiker. Mit den so beschafften Informationen, etwa internen Daten der RTL-Gruppe, habe man sich Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschafft. Die Staatsanwaltschaft hält das für vorgeschoben.

Sollte Ruzicka vor Gericht auch nur einen Teil dessen wiederholen, was in den Vernehmungsprotokollen steht, könnte das einige Aufregung in der Branche auslösen. Er hat etwa von angeblichen Plänen für eine Internetplattform namens "allesgeil.com" berichtet, die in Zusammenarbeit mit einem Verleger von Erotikheften und einem der damaligen Chefs einer Werbeagentur, die viele CDU-Wahlkämpfe betreute, entstehen sollte.

Den Ermittlern hat Ruzicka auch von Aufwendungen für Kunden über ein gewisses Maß hinaus erzählt und Einzelheiten genannt, bis hin zu Kaviargeschenken in Russland und weiteren Dienstleistungen dort. In einem anderen Fall habe ein bekannter Anwalt 100000 Euro verlangt, um einen seiner Mandanten, ein Großunternehmen, als Kunden an Aegis Media zu vermitteln.

Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, dem nachzugehen. Sie führt fast 30 Beschuldigte auf, darunter jenen Anwalt und Verantwortliche des Großunternehmens, sowie weitere Manager aus der Werbebranche. Aufgeklärt sind die Vorwürfe aber nicht, und ausgeschlossen ist nicht, dass Ruzicka auf Kosten anderer von sich abzulenken will. Sollte es überhaupt fragwürdige Vorfälle dieser Art gegeben haben, dann kämen als Beteiligte nur "Ruzicka und seine Clique" in Frage, sagt ein Aegis-Anwalt. Das Gericht hat viel Arbeit, bis Ende März sind 17 Verhandlungstage angesetzt.

© SZ vom 11.01.2008/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: