AEG:Lehren aus Nürnberg

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Am Ende halfen alle Zugeständnisse nichts: Das AEG-Hausgerätewerk in Nürnberg wird geschlossen. Der Versuch, durch Flexibilität Arbeitsplätze zu erhalten, war trotzdem richtig.

Nikolaus Piper

Es sind bittere Nachrichten: Das traditionsreiche AEG-Werk Nürnberg wird nun doch geschlossen, der schwedische Electrolux-Konzern als Eigentümer ist unerbittlich. Wieder verlieren 1750 Arbeitnehmer ihren Job, wieder wächst die Zukunftsangst.

Mitarbeiter des AEG-Hausgerätewerks demonstrieren in Nürnberg. (Foto: Foto: dpa)

Die IG Metall war in Nürnberg beweglich und bot Zugeständnisse an, die zu substanziellen Kostensenkungen geführt hätten. Es soll wegen dieser Zugeständnisse sogar schon Proteste unter den Betroffenen gegeben haben. Aber alles half nichts: Ende 2007 wird die Fabrik geschlossen.

Zunächst einmal hat Electrolux bei der ganzen Auseinandersetzung keine besonders gute Figur gemacht. Der Betriebsrat und das deutsche Management hatten noch im November gemeinsam ein Konzept zur Rettung des Standorts vorgelegt, das massive Lohneinschnitte, Mehrarbeit und Investitionen in Nürnberg vorsah.

Überkapazitäten

Aber das spielte zum Schluss gar keine Rolle mehr. Der Konzern hatte durch umfangreiche Investitionen in Osteuropa selbst für Überkapazitäten gesorgt, die nun den Preisdruck für Waschmaschinen, Geschirrspüler und Wäschetrockner verstärken.

Und schließlich konnten die Manager nicht den Eindruck vermeiden, als hätten bei der Entscheidung andere als rein sachliche Gründe eine Rolle gespielt, als seien die Schließungen auch politisch zwischen Schweden, Deutschland, Osteuropa und Italien austariert worden.

Die Schließung des AEG-Werks hat eine Bedeutung weit über den Einzelfall Nürnberg hinaus. Letztlich war es der Preisverfall der vergangenen zwei Jahre, der für die Fabrik das Aus gebracht hat. Die sinkenden Preise für Haushaltsgeräte - die die deutschen Konsumenten auf der anderen Seite freuen - setzen die Produzenten unter einen ungeheuren Druck.

Wer Massenware herstellt, verschwindet

Fabriken in Osteuropa sind billiger und oft gleich gut. Den Konsequenzen kann sich niemand mehr entziehen. So müssen sich die Hersteller und die Arbeitnehmervertreter darauf einstellen, dass normale Waschmaschinen in Deutschland bald nicht mehr gebaut werden. Die Erfahrung anderer Branchen wiederholt sich: Wer innovative Produkte besonderer Qualität anbietet, überlebt, wer Massenware herstellt, verschwindet.

Die Entwicklung kann durch Zugeständnisse der Arbeitnehmer bei Lohn und Arbeitszeit verlangsamt werden; ob es gelingt, sie zu stoppen, bleibt offen. Die Erfahrungen mit den Handys bei Siemens und den Reifen bei Continental machen hier skeptisch. Aber der Versuch, durch Flexibilität Arbeitsplätze zu erhalten, lohnt sich allemal. Und wenn er nur dazu führt, Zeit zu gewinnen.

Die Strategie der IG Metall in Nürnberg war daher richtig. Nur kamen die Zugeständnisse relativ spät. Und dies ist wieder ein grundsätzliches Problem. Seit dem Tarifvertrag von Pforzheim 2004 haben die Gewerkschaften den Spielraum für betriebliche Bündnisse erheblich erweitert - nur setzt die Beweglichkeit eben erst dann ein, wenn es (fast) zu spät ist. Versucht ein Unternehmen, rechtzeitig Beschäftigung zu sichern, also dann, wenn die Gewinne zwar sinken, aber immer noch vorhanden sind, stößt es meist auf harten Widerstand.

Ausländische Konkurrenz

Das Problem lässt sich nicht in den Kategorien nationaler Verteilungskämpfe begreifen. Wenn sich ein deutsches Unternehmen damit abfindet, dauerhaft weniger Geld zu verdienen als die ausländische Konkurrenz, hat es schon verloren.

Es hilft auch nichts, die Verhandlungen über Sozialpläne von den Betrieben auf die Verbandsebene zu hieven, so wie die IG Metall dies jetzt mit ihren Sozialtarifverträgen fordert. Wer Industriearbeitsplätze in Deutschland halten will, muss an den Arbeitskosten ansetzen, wer neue schaffen will, muss Innovation und Wirtschaftswachstum fördern.

Prinzipiell muss Deutschland natürlich seine ökonomischen Probleme überwinden. Das ist langfristig der einzige Weg, auch wenn diese Erkenntnis den Arbeitern in Nürnberg kurzfristig nicht viel bringt.

© SZ vom 13.12.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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