ADAC:Kritik nur per Stimmzettel

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Auf der Hauptversammlung am Nürburgring zelebriert die ADAC-Führung nach außen Harmonie. Wie sehr es im Autoklub derzeit aber kriselt, zeigt sich an den Details: zum Beispiel an den Wahlergebnissen.

Von Uwe Ritzer, München

Ein paar Tage vor seiner Hauptversammlung am Nürburgring veröffentlichte der ADAC einen Testbericht über den Elektro-Kleinwagen Renault Zoe. Das Ergebnis fiel ziemlich gut aus: "Deutschlands beliebtestes Elektroauto", so die Tester, mache in der Stadt "viel Freude", wenn auch auf längeren Strecken das Laden nerve. Gesamtnote für das 41-kWh-Modell: Eine gute 2,7 im Autotest, bei den Kosten sogar eine 1,8. Was nicht im Bericht steht: Der ADAC hat den Zoe nicht nur getestet, er hilft auch, das Modell zu vertreiben. Mitglieder können es zu sehr günstigen Konditionen leasen; so sieht es ein Deal des Klubs mit Renault vor. Provisionen kassiere der ADAC dafür vom Hersteller nicht, heißt es - "nur Marketingzuschüsse".

Produkte verkaufen, die man auch testet: Eigentlich wollte der ADAC das nicht mehr tun. So hatte er es vor fünf Jahren versprochen, als Konsequenz aus dem Manipulationsskandal um eine Autowahl und andere Fragwürdigkeiten. Auch weiblicher und transparenter wolle er werden, hatte der Automobilklub damals gelobt. Bei der Hauptversammlung am Samstag ist von alledem aber wenig zu spüren.

Die Frauen muss man in der abgedunkelten Tagungshalle am Nürburgring unter den vielen älteren Herren regelrecht suchen. Und Interessenskonflikte wie beim Renault Zoe werden gar nicht erst angesprochen. Auch alle anderen kontroversen Themen, die Klage von fünf Regionalklubs gegen den ADAC e.V. zum Beispiel oder die Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern, werden öffentlich nicht diskutiert. Präsident August Markl erwähnt die Probleme weder in seinem Rechenschaftsbericht noch in seiner Eröffnungsrede.

Um zu erfahren, wie sehr es hinter der glatten Fassade des bald 21 Millionen Mitglieder zählenden Vereins tatsächlich kriselt, muss man genau zuhören und zuschauen. Die Neubesetzung von vier der insgesamt sieben Präsidiumsposten zum Beispiel gerät zum Stimmungstest. Markls erster Vize Ulrich Klaus Becker erhält, obwohl einziger Kandidat, nur 62,2 Prozent der Stimmen. Auf das schlechte Ergebnis reagiert er sichtlich irritiert mit einem Appell, man möge doch "Missverständnisse und verloren gegangenes Vertrauen" überwinden. Finanzchef Jens Kuhfuß bringt es auf nur 67,5 Prozent, obwohl er die verhältnismäßig frohe Botschaft mitgebracht hatte, dass der ADAC 2018 statt der erwarteten 76 Millionen nur 24,7 Millionen Euro Minus gemacht hat und das Gesamtergebnis dank einer Sonderausschüttung der kommerziellen ADAC SE bei 759 Millionen Euro lag - Gewinn, wohlgemerkt.

Becker und Kuhfuß gelten als Markl-Getreue. Sollte sich der ADAC-Präsident über ihre schlechten Ergebnisse ärgern, lässt er es sich aber nicht anmerken. Markl, pensionierter Radiologe aus Oberbayern, führt die Hauptversammlung exakt so, wie er auch den ADAC führt: demonstrativ unaufgeregt, unprätentiös, aber auch unbeirrt. Er hat den Klub nach der Krise 2014 gewaltig umgebaut und will dieses Werk bis zu seinem Ausscheiden in zwei Jahren vollenden. Davon dürfte ihn auch nicht abbringen, dass er am Nürburgring zum wiederholten Mal nur mageren Beifall bekommen hat und dass etwa ein Drittel der Funktionäre in Opposition zum Präsidenten steht.

© SZ vom 13.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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