ADAC:Die Entscheidung naht

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Die Fassade der Münchner Zentrale ist neu, das Denken ist teilweise alt. Der ADAC suchte einen Weg aus der Krise. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Querschüsse des Ex-Präsidenten, Rückendeckung für fragwürdige Auftragsvergaben in Westfalen - im ADAC herrscht Unruhe wie seit den Manipulationen bei der Autowahl nicht mehr.

Von Uwe Ritzer

Die 12 sei eine schöne Zahl, sagt Werner Kaessmann, und vieles in seinem Leben habe mit dieser Zahl zu tun. Zwölf Jahre habe er Leistungssport getrieben, zwölf Jahre lang einen Golfclub geführt. Und nun beende er nach zwölf Jahren seine Tätigkeit als Generalsyndikus des ADAC. "Das ist meine Entscheidung", so Kaessmann im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, zu den genauen Umständen wolle er sich "nicht äußern".

Wer sich in ADAC-Kreisen umhört, erfährt eine andere Version. Der ranghöchste Jurist des 19,2 Millionen Mitglieder zählenden Automobilclubs sei zum Rückzug gedrängt worden, heißt es. Das Präsidium habe Kaessmann klar gemacht, dass es seine bis Ende Mai laufende Bestellung zum Generalsyndikus auf keinen Fall erneuern werde. Damit räumt wenige Monate nach dem Rücktritt von Schatzmeister Klaus-Peter Reimer der zweite ADAC-Spitzenfunktionär seinen Posten. Und wieder geht es um dubiose Auftragsvergaben beim Regionalclub Westfalen.

Reimer war dort Vorsitzender und Kaessmann Syndikus, als Bauaufträge in Gelsenkirchen und Hagen auf den Weg gebracht wurden. Ohne sorgfältige Prüfung und ohne Ausschreibungen. So steht es in Gutachten der Kanzlei Freshfields und des ADAC-Compliance-Ausschusses. Der Architektenauftrag ging an einen alten Bekannten Reimers. Der westfälische Regionalvorstand habe seine Pflichten grob vernachlässigt und einen Schaden von mindestens einer Million Euro verursacht, so die ADAC-internen Prüfer. Werner Kaessmann sagt, er sei in die Auftragsvergaben nicht involviert gewesen und habe "die Verträge nie gesehen". Trotzdem ist auf Bundesebene beim ADAC nun Schluss für ihn.

Die Vorgänge in Westfalen sind jedoch noch längst nicht ausgestanden. Nachdem sich die Mitgliederversammlung des Regionalclubs dem Druck des Präsidiums widersetzte und die in der Kritik stehenden Vorstände ebenso überraschend wie demonstrativ in ihren Ämtern bestätigte. Eine Entscheidung, die in der ADAC-Spitze für Entsetzen sorgt. "Regionalclubs sind eigenständig und daher kommentieren wir die Entscheidung nicht", so der ADAC-Sprecher. "Das Präsidium ist aber weiter der Überzeugung, dass das Fehlverhalten in Westfalen Konsequenzen nach sich ziehen muss."

Dass die westfälischen ADAC-Mitglieder stattdessen eine weitere Prüfung beschlossen und sich im übrigen Kritik der ADAC-Spitze empört verbaten, sei ein "gewaltiger ein Rückschlag in Sachen Compliance", sagt einer aus der Münchner ADAC-Zentrale. Also gegen die allgemeinen Regeln für korrektes Wirtschaften.

Zudem ist sie ein Affront gegen Präsident August Markl und das ADAC-Präsidium. Es will Europas größten Autoclub bekanntlich reformieren; Anfang Mai soll bei einer Mitgliederversammlung in Lübeck die Aufsplittung in Verein, Aktiengesellschaft und eine gemeinnützige Stiftung beschlossen werden.

Ärger wie in Westfalen können Markl & Co, da nicht gebrauchen. Doch die Unruhe im ADAC ist so groß wie seit Anfang 2014 nicht mehr, als die jahrelangen Manipulationen bei der Autowahl Gelber Engel aufgeflogen waren. Ausgerechnet Peter Meyer, Markls Vorgänger und damals unangefochtener Boss des ADAC, sät Zweifel an der Notwendigkeit der geplanten Dreiteilung und damit am Kern der Reform. Mit ADAC-Veteran Otto Flimm, 86, von 1989 bis 2001 Präsident, hat er einen namhaften Verbündeten.

Markl, so heißt es aus seinem Umfeld, sei dennoch fest entschlossen, die Reform durchzusetzen. Und er bekommt Rückendeckung. Die Vorsitzenden der Regionalclubs Württemberg und Berlin-Brandenburg, Dieter Roßkopf und Manfred Voit, signalisierten Unterstützung. Meyer habe "natürlich das Recht auf eine andere Meinung", so Roßkopf. Aber: "Wir haben uns in unzähligen Sitzungen offen und kontrovers mit verschiedenen Reformansätzen und Strukturmodellen befasst und sind gemeinsam zur jetzigen Lösung gekommen. Im ADAC besteht fast einhellig die Meinung, dass dies die beste Form der Neuausrichtung ist." Voit sagte, er erwarte sich "noch einige juristische Klarstellungen", halte "die vorliegende Lösung aber für ein funktionierendes Modell, um den Vereinsstatus des ADAC dauerhaft zu erhalten".

Der Betriebsratschef kritisiert die Zustände zu Zeiten des Präsidenten Meyer

Erstmals überhaupt in der ADAC-Krise meldet sich auch der Betriebsrat öffentlich zu Wort. Bernd Hapke, Betriebsratschef des ADAC in der Münchner Zentrale, beschreibt die Stimmung unter seinen Kollegen als "sehr angespannt", die Leute seien "zum Teil richtig sauer und frustriert". Er warnt davor, die Reform "auf den letzten Metern zu stoppen". Ein Zurück in die Meyer-Ära dürfe es nicht geben.

"In der ADAC-Zentrale haben wir nach dem Wechsel im Präsidium und in der Geschäftsführung alle aufgeatmet", so Hapke zur SZ. "Früher wurde von oben nach unten fast schon autoritär durchgedrückt, heute herrschen Offenheit, Transparenz und eine vernünftige Umgangskultur." Was in den letzten anderthalb Jahren "nach vorne bewegt worden ist, hätte unter dem alten Präsidenten und den früheren Geschäftsführern niemals geklappt."

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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