30 Jahre Europäisches Patentamt:Arena für den Kampf um Wissen und Geld

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Ob Daniel Düsentrieb oder Weltkonzern: Wer etwas erfunden hat, kommt an dieser Mammutbehörde nicht vorbei: Ein Kosmos mit 31 Mitgliedern, 500 Millionen Umsatz und mehr als 3000 Arbeitsplätzen.

Julius Müller-Meiningen

Die Skybar oben im siebten Stock ist wirklich hübsch. Der Parkettboden fein und dunkel, der Tresen massiv, ein großes Panoramafenster schmückt den Raum. Draußen scheint die Sonne, ein Schritt über die Betonplatten auf der Terrasse, auch hier ein paar Tischchen, an denen etwas verstreut glückliche Menschen sitzen.

Das Europäische Patentamt in München wird immer größer, denn die Patentanmeldungen werden immer mehr. (Foto: Foto: dpa)

Es ist Dienstag, zehn Uhr früh, und zwischen den aufgestellten Zierbäumchen erzählen sie sich gegenseitig noch vom Wochenende. Im Hintergrund die Stadt und die Spitzen der schneebedeckten Berge. Ein Münchner Wohlstandsidyll.

Das Europäische Patentamt, das seit 1977 seinen Hauptsitz in München hat und dieser Tage 30. Geburtstag feiert, schwimmt in Geld. Und das Amt wird immer größer. Zum Verwaltungssitz gegenüber dem Deutschen Museum an der Isar kam unlängst der Bürokomplex ,,Pschorrhöfe'' an der Hackerbrücke hinzu.

Aussicht wie aus einer Nobelsuite

Knapp 2000 Patentprüfer sitzen hier und genießen, wenn sie in der Skybar Pause machen, eine Aussicht wie aus einer Nobelsuite. Nebenan, auf dem ehemaligen Areal von Möbel Krügel, steht nun auch ein Neubau für 470 Mitarbeiter, insgesamt hat das Europäische Patentamt (EPA) in München inzwischen etwa 3500 Angestellte.

Die Patentanmeldungen werden immer mehr, rund 200.000 sind es pro Jahr. Die Einnahmen steigen, Patenterteilungen und Jahresgebühren summierten sich im Jahr 2005 auf 970 Millionen Euro. Der Laden brummt.

Zum ,,Europäischen Patentforum'', das heute und morgen im EPA stattfindet, hat sich die Bundeskanzlerin angekündigt und auch der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Günter Verheugen.

Die Mächtigen geben sich in München die Ehre, weil sie die Bedeutung und die Macht dieser Institution kennen, die fälschlicherweise stets der Europäischen Union zugeordnet wird. Sie ist ein eigener, sich selbst finanzierender Kosmos, von ursprünglich 16 Ländern im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens gegründet.

Nahezu allmächtige Behörde

Heute sind es 31 Mitgliedsstaaten, unter ihnen auch die Schweiz oder die Türkei, die diese auf dem Gebiet des geistigen Eigentums in Europa nahezu allmächtige Behörde stützen.

Kurt Haertel, von 1963 bis 1975 Präsident des Deutschen Patentamtes, hatte sich federführend für das Abkommen eingesetzt, bis München den Zuschlag erhielt. Nach Haertel haben sie eine Passage benannt bei den ,,Pschorrhöfen'' an der Schwanthaler Höhe.

Aber was passiert hier eigentlich und zu welchem Zweck? Am Anfang steht der Erfinder und will seine Erfindung schützen. Seltener handelt es sich da um Daniel Düsentriebs, die in Garagen spleenige Ideen austüfteln. Die Industrie ist der beste Kunde, zum Beispiel die Firma BMW, die zu den häufigsten Patentanmeldern gehört.

Anwälte versuchen dann, die Erfindungen zu schützen, oder sie legen Einspruch bei der amtseigenen Beschwerdekammer ein gegen fremde Patente, die dem eigenen Mandanten im Weg stehen. Es ist ein Kampf um Wissen, Vormachtstellung - und um viel Geld auf Gebieten wie Biochemie, Gen- und Fahrzeugtechnik, Elektronik oder Medizin. Er spielt sich Tag für Tag in den von Licht durchfluteten Büros des EPA ab.

"Ein Instrument zur Sicherung der Monopolstellung"

,,Eigentlich'', sagt der Münchner Patentanwalt Fred Sonnenberg, ,,ist das Amt ein Instrument für die Industrie zur Sicherung ihrer Monopolstellung''. Und hört man Sonnenberg, der mit seiner Kanzlei ,,24IP Lawgroup'', 60 Mitarbeitern in Deutschland und Frankreich selbst größere und kleinere Firmen vertritt, weiter zu, dann blättert der schöne Lack vom hehren Schutz des geistigen Eigentums rasch ab.

Der Anwalt bemängelt, dass es außer den vielen nationalen Gerichten keine übergeordnete Instanz gibt, die Entscheidungen des EPA überprüfen kann.

Vorstöße zu einem vereinfachenden europäischen Gemeinschaftspatent, die auch von Mitgliedsstaaten boykottiert werden, scheue das EPA wie der Teufel das Weihwasser, ,,weil es sonst seine Existenzberechtigung in Frage gestellt sehen könnte - es ist ja kein Organ der Europäischen Gemeinschaft''.

Nur zu 70 Prozent sicher

Heute muss ein Patentanmelder für jedes Land, in dem seine Erfindung geschützt sein soll, extra bezahlen, Übersetzungen inklusive. Die Sicherheit, dass die Erfindung dann auch einer nationalen Überprüfung standhalte, betrage nur etwa 70 Prozent, schätzt Sonnenberg.

Durchschnittlich kostet ein zehn Jahre gültiges Patent laut EPA etwa 30000 Euro; bis es erteilt wird, vergehen vier Jahre, und da ist dann der Stand der Technik oft schon weiter. Die wenigsten Anmeldungen erlangen einmal wirtschaftliche Bedeutung. Warum also überhaupt Patente und keinen freien Markt der Ideen? Antworten gibt es viele.

,,Die Komplexität des Systems schützt das System vor Einflüssen von außen'', sagt ein Patentamtsmitarbeiter und will damit natürlich nichts gegen Patente sagen. 500 Millionen Euro würden am Standort München jährlich umgesetzt, 10000 Arbeitsplätze rund um die Stadt gesichert, sagte jüngst EPA-Präsident Alain Pompidou.

Weltbeste Rechercheure auf ihrem Gebiet

Während das komplexe System derweil aus allen Nähten platzt, tun die Patentprüfer unter der Skybar an der Bayerstraße ihren Dienst. Sie kommen aus 29 Ländern, sprechen fließend drei Sprachen, gelten als die weltbesten Rechercheure auf ihrem Gebiet und verdienen steuerfrei. Es herrscht, so heißt es, ein lockeres Betriebsklima mit wenig Etikette, täglich von 8 bis 16.45 Uhr.

© SZ vom 18.04.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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