25 Milliarden Euro zusätzlich:Streit um Steuermilliarden

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Geldgipfel bei der Kanzlerin: Union und SPD müssen sich einigen, was sie mit dem Geld machen.

Ulrich Schäfer

Der 3. November 2005 war für die große Koalition ein bedeutsamer Tag. Inmitten der Verhandlungen über ein mögliches schwarz-rotes Bündnis räumte Angela Merkel ein, dass im Haushalt noch mehr Geld fehle als gedacht.

Nicht 30 Milliarden Euro, nicht 50 Milliarden Euro, nein, 70 Milliarden Euro betrage die Lücke, vermeldeten die Experten der Arbeitsgruppe Finanzen. Die Sanierung des Etats sei eine ,,Schicksalsfrage'', erklärte die designierte Kanzlerin an jenem Novembertag.

Es werde ,,Heulen und Zähneklappern'' geben, urteilte einer der Unterhändler, der hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch.

Milliardensegen

Der 3. November 2006 dürfte für die große Koalition wieder ein bedeutsamer Tag werden - wenn auch unter anderen Vorzeichen. Die Steuerschätzer werden verkünden, dass es viel besser gekommen ist als vor Jahresfrist erwartet.

Satte 25 Milliarden Euro zusätzlich werden die Experten, die an diesem Donnerstag und Freitag in Gmund am Tegernsee tagen, für das laufende Jahr wohl voraussagen, und etwa 20 Milliarden Euro extra fürs kommende Jahr. Knapp die Hälfte davon wird dem Bund zufließen, der Rest an Länder und Kommunen.

Und so sieht sich die große Koalition mit einem delikaten Problem konfrontiert: Was tun mit dem großen Geld, das ihr dank der guten Konjunktur zufließt? Wohin mit den vielen Milliarden, die die Unternehmen, aber auch die Verbraucher bei den Finanzämtern abliefern?

Damit der Wunschzettel in den Tagen danach nicht zu lang wird, und die Debatte damit unübersichtlich, bittet Angela Merkel noch am Freitag zum Geldgipfel ins Kanzleramt.

Gemeinsam mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), Vizekanzler Franz Müntefering, den Fraktionschefs Volker Kauder (Union) und Peter Struck (SPD) sowie den haushaltspolitischen Sprecher von Union und SPD, Steffen Kampeter und Carsten Schneider, will sie von zehn Uhr an beraten, wie die Koalition mit dem Geldsegen umgeht.

Soll der größte Teil in den Abbau der Neuverschuldung fließen? Oder soll die Koalition die Milliarden gleich wieder ausgeben? Und wenn ja: wofür bitteschön?

Steinbrück will die Neuverschuldung bremsen

Steinbrück hat in den vergangenen Tagen immer wieder deutlich gemacht, dass er den größten Batzen nutzen will, um die Kreditaufnahme zurückzufahren. Theoretisch wäre es möglich, die Neuverschuldung bereits 2006 unter die Marke von 30 Milliarden zu drücken; geplant waren bislang 38,2 Milliarden Euro.

Und im kommenden Jahr wäre es sogar möglich, erstmals seit 1992 wieder unter die Grenze von 20 Milliarden Euro zu kommen. Es gehe darum, das Defizit nachhaltig zu senken, fordert der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider: ,,Wann, wenn nicht in Zeiten hoher Steuereinnahmen, soll man damit anfangen?''

Die Kassenlage des Bundes sei trotz der Mehreinnahmen ,,immer noch nicht gut'', sagt sein Kollege von der Union, Steffen Kampeter: ,,Manchmal habe ich das Gefühl, bei manchen Leuten funktioniert der Taschenrechner nicht.''

Auch das Finanzministerium bemühte sich am Mittwoch darum, die Hoffnungen auf eine freigiebigeres Verhalten Steinbrücks zu dämpfen. Was die Steuerschätzer für 2007 an zusätzlichen Einnahmen versprächen, werde durch Risiken an anderer Stelle gleich wieder aufgefressen, rechnete ein Sprecher vor.

So verlangen die Länder vom Bund etliche Milliarden zusätzlich, um die Wohnungskosten für Langzeitarbeitslose bezahlen zu können; zudem dräut im nächsten Jahr ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Unternehmensbesteuerung, die den Bund mehrere Milliarden Euro kosten dürfte. Doch Steinbrück weiß, dass er sich am Ende nicht allen Wünschen wird widersetzen können.

Wohin mit dem Geld?

Die Kanzlerin will den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zum Jahreswechsel nicht bloß um zwei Prozentpunkte senken, sondern um 2,2 oder 2,3 Prozentpunkte - der Finanzminister wird wohl mitmachen. Manche aus der SPD würden gerne im nächsten Jahr die Konjunktur noch ein wenig stärker anschieben, etwa über ein Förderprogramm zu Gebäudesanierung - auch Steinbrück denkt in diese Richtung.

Offen ist, ob der Finanzminister und die SPD sich dazu durchringen, auch mehr Steuergeld ins Gesundheitswesen zu pumpen, wie es die Union wünscht. Im November 2005 hatten Union und SPD sich noch auf das glatte Gegenteil verständigt.

Damals allerdings ging die Koalition noch davon aus, dass sie den Haushalt nur schließen kann, wenn sie in den nächsten Jahren in hohem Umfang Staatsvermögen verkauft. Weil die Steuerquellen sprudeln, muss Steinbrück nun nicht das gesamte Tafelsilber verkaufen und hat einen Puffer für die Zukunft.

© SZ vom 2.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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