Versicherungen:Ausstieg auf Raten

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Ein Branchenexperte will den Verkauf von alten Policen attraktiver gestalten. Dazu gründet er eine Gesellschaft auf Malta - mit Unterstützung der Munich Re.

Von Friederike Krieger, Köln

Der Verkauf von alten Versicherungsbeständen an spezialisierte Abwickler hat einen denkbar schlechten Ruf. Das will ein erfahrener Versicherungschef jetzt ändern. Hilfe erhält er dabei von der Munich Re, organisiert wird das Geschäft über eine neue Gesellschaft auf Malta.

Die Abwicklung, der Run-off, ist hierzulande verpönt. Als 2017 Pläne der Munich Re-Tochter Ergo öffentlich wurden, Teile ihres Lebensversicherungsgeschäfts in den sogenannten externen Run-off zu schicken, war der Aufschrei groß. Das war wohl der Hauptgrund dafür, dass Ergo und Munich Re es sich anders überlegten. Außerdem wollte kein Käufer den Preis zahlen, den sie sich vorstellt hatten. Jetzt verwaltet Ergo die Bestände selbst - bis auch der letzte Vertrag ausgelaufen ist. Auch die Generali hatte mit viel öffentlicher Kritik zu kämpfen, will den Verkauf ihrer Generali Leben an den Abwickler Viridium aber dennoch durchziehen.

Die Versicherer können mit dem Verkauf von Altbeständen Risiken loswerden und müssen nicht länger Kapital für ein Geschäftsfeld vorhalten, aus dem sie aussteigen wollen. Aber sie werden dann auch schnell mal als Problemkandidat abgestempelt - auch wenn sie finanziell gesund und profitabel sind. "Da Run-off-Transaktionen auch das Mittel der Wahl für problematische Bestände sind, gibt es immer noch Versicherer, die das Instrument nicht nutzen", sagt der Run-off-Experte Arndt Gossmann. Er hat daher ein neues Geschäftsmodell entwickelt, das Versicherern eine elegantere und diskretere Übertragung von Beständen ermöglichen soll. Im Gegensatz zu den bisherigen Run-off-Spezialisten am Markt zielt sein neues Unternehmen nicht auf die Übernahme großer, bereits geschlossener Bestände ab. Stattdessen soll die neue Firma, die gerade gegründet wird, den Versicherern den Ausstieg auf Raten ermöglichen: Wenn ein Kunde einen Vertrag kündigt, der aber noch ein oder zwei Jahre läuft, übernimmt Gossmann ihn.

"Wir wollen den Versicherern eine Möglichkeit zur Optimierung ihres Bestandes bieten, lange bevor sich ganze Bestände zum Run-off akkumulieren", sagt der Manager. Er war fast acht Jahre Chef des Abwicklungs-Spezialisten Darag in Wedel und saniert momentan die von Verlusten geplagte Hamburger Schwarzmeer- und Ostsee Versicherungs-AG. Starten soll das Angebot im zweiten Quartal 2019. Anders als Abwickler wie Viridium zielt Gossmanns neues Geschäftsmodell aber nur auf Schaden- und Unfallversicherer, nicht auf Lebensversicherer. Für die problematischen Lebensversicherungsbestände der Munich Re-Tochter Ergo wäre das neue Unternehmen also keine Alternative.

Im Detail funktioniert Gossmanns Modell so: Der neue Versicherer, den er derzeit auf Malta gründet, übernimmt sämtliche Policen und Kundenverbindungen in einer Sparte wie der Kfz-Versicherung, die in einem bestimmten Zeitraum von bis zu zwei Jahren auslaufen. In Aktion tritt die neue Gesellschaft, sobald ein Kunde dem Versicherer kündigt oder wahlweise auch bei Auslaufen seines Versicherungsvertrages. Denn selbst dann ist das Geschäft für den Kfz-Versicherer keineswegs erledigt, er muss noch Nachmeldungen von Haftpflichtschäden fürchten. Das kann noch Jahre nach Ablaufen des Vertrags passieren.

Bei Kündigung oder möglicherweise Ablauf übernimmt Gossmann die Police inklusive der für sie zurückgestellten Reserven für Spätschäden und möglicherweise noch verbleibenden Ansprüchen auf Prämienzahlungen des Kunden. Gossmann kümmert sich dann auch um die Bearbeitung von Schäden. Der abgebende Versicherer kann Kapital freisetzen, das er nicht mehr zur Unterlegung dieser Verträge braucht. "Im Ergebnis kann sich der abgebende Versicherer mit seinem Kapital und seinen operativen Ressourcen ganz auf die aktiven Kundenverbindungen konzentrieren", erklärt Gossmann.

Der Preis pro Police wird im Vorfeld festgelegt. Um ihn sauber kalkulieren zu können, arbeitet Gossmann mit der Munich Re zusammen, die auch als Rückversicherer des neuen Abwicklungsspezialisten fungiert und einen Großteil der Risiken übernimmt. Zusammen haben sie ein Verfahren entwickelt, das auf Basis der Daten aus dem Bestand des abgebenden Versicherers abschätzt, wie hoch die Schäden während der Restlaufzeit der Policen sein werden. Auf dieser Basis lässt sich der Preis bestimmen. Den Versicherten, die mit Kündigung ihrer Police den Anbieter wechseln, entstehen dabei keine Nachteile, versichert Gossmann. "Wir übernehmen gemeinsam mit der Munich Re als Rückversicherer vollständig die aktuellen und künftigen Verpflichtungen aus der übertragenen Police", sagt er. Das gelte auch für die Schadenbearbeitung. "Dabei sind wir uns aufgrund der laufenden Zusammenarbeit mit dem abgebenden Versicherer unserer treuhänderischen Verantwortung sehr bewusst", sagt Gossmann.

Die neue Gesellschaft wird auf Malta sitzen, weil dort Firmenkonstruktionen möglich sind, die eine Beteiligung von Investoren an dem Unternehmen erleichtern, wie es heißt. Das operative Geschäft finde aber in Deutschland statt, ebenso die Schadenbearbeitung, wenn es um deutsche Kunden geht, erklärt Gossmann. Sitze der Versicherer, der Policen abgebe, in einem anderen Land, erfolge sie dort.

Gossmann will sich erst einmal auf Deutschland, Österreich, die Schweiz, Frankreich und Italien konzentrieren. Eine Ausweitung auf weitere europäische Länder ist mittelfristig geplant. Er schätzt das Volumen an auslaufenden Policen, die sich für sein Geschäft eignen, in Europa auf vier Prozent der Versicherungsverträge. Das entspreche einem Marktpotenzial von mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr. Mit ersten Interessenten ist er schon im Gespräch.

© SZ vom 22.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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