Wohnungspolitik:Kommission sieht noch offene Fragen zu Enteignungen

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Demonstranten mit einem Transparent mit der Aufschrift „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. (Foto: Christophe Gateau/dpa/Archivbild)

In Berlin steht schon seit längerem eine mögliche Enteignung von Wohnungskonzernen im Raum. Ein Expertengremium legt nun erste Ergebnisse zur Frage einer Umsetzung vor. Klar ist: Leicht würde ein solches bundesweit einmaliges Unterfangen nicht.

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Berlin (dpa/bb) - Nach Einschätzung einer vom Senat eingesetzten Expertenkommission ist noch offen, ob und wenn ja wie eine Enteignung großer Wohnungskonzerne rechtssicher umgesetzt werden kann. Zwar bestehe in der Kommission Konsens, dass das Land laut Grundgesetz die Vergesellschaftung von Grund und Boden in einem Gesetz regeln könne, sagte der Rechtsprofessor Florian Rödl von der FU Berlin am Donnerstag bei der Vorstellung eines Zwischenberichts des Gremiums.

Allerdings werde in der Kommission kontrovers diskutiert, ob die Landesverfassung einem solchen Ansinnen womöglich entgegenstehe. Denn dort gebe es keinen derartigen Passus zur Vergesellschaftung wie im Grundgesetz. „Der Austausch der Argumente wurde noch nicht abgeschlossen“, heißt es dazu im Zwischenbericht.

Bei einem Volksentscheid am 26. September 2021 hatte eine Mehrheit von gut 59 Prozent für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Die Hoffnung der Befürworter ist, dass mit einer solchen Vergesellschaftung gegen Entschädigung der Anstieg der Mieten gestoppt oder zumindest gebremst werden kann, weil dann mehr Wohnungen in öffentlicher Hand sind.

Seit April berät eine 13-köpfige, vorwiegend aus Juristen bestehende Expertenkommission unter Leitung der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) darüber, ob und gegebenenfalls wie das Anliegen umgesetzt werden kann. Bis Ende April oder Anfang Mai werden die endgültigen Ergebnisse des Gremiums erwartet, auf deren Basis der Senat über sein weiteres Vorgehen entscheiden will.

Zu den offenen Fragen in der Kommission gehört Rödl zufolge auch, wie die Höhe der Entschädigungssumme zu bemessen ist. Die Kommission sei einhellig der Meinung, dass eine Entschädigung nicht unbedingt zum Verkehrswert erfolgen müsse. Auf Basis welcher Kriterien die Entschädigungssumme zu bemessen ist, sei aber noch nicht geklärt.

Der Verkehrswert bildet quasi den aktuellen Marktwert von Wohnungen ab und berücksichtigt auch Wertsteigerungen. Er dürfte höher liegen als der sogenannte Ertragswert, der auf den Mieteinnahmen basiert. Die Bandbreite bisheriger Kostenschätzungen für eine Vergesellschaftung von mehr als 200.000 Wohnungen liegt bisher zwischen 7,3 und 36 Milliarden Euro. Befürworter von Enteignungen setzen niedrigere Summen an als Gegner oder der Senat, in dem SPD gegen, Linke und mit Abstrichen auch Grüne für Enteignungen sind.

Nach welchen Kriterien Wohnungsbestände, die vergesellschaftet werden sollen, ausgesucht werden könnten, ist in der Kommission ebenfalls noch ungeklärt. Hier nur große Bestände in den Blick zu nehmen, könne womöglich als willkürliche Ungleichbehandlung gewertet werden, so Rödl. „Es ist ein Thema, was uns noch nicht in klarer Kontur vor Augen steht.“

Weite Teile des Zwischenberichts waren bereits in der Vorwoche in die Öffentlichkeit gelangt, was die Vorsitzende Däubler-Gmelin nun als „Durchstecherei“ kritisierte. Das Bündnis „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ als Initiator des Volksentscheids wie auch Politiker von Linken und Grünen hatten anschließend erklärt, nun könne es nur noch um das „Wie“ von Enteignungen gehen, nicht mehr um das „Ob“.

Auch am Donnerstag erklärte die Initiative, die selbst drei Kommissionsmitglieder nominiert hatte: „Berlin kann enteignen.“ Das Gremium habe bestätigt, dass eine Vergesellschaftung von großen Immobilienkonzernen in Berlin rechtssicher möglich sei.

Auf die Frage, ob diese Interpretationen zutreffe, antwortete Däubler-Gmelin: „Die Kommission ist nicht politisch.“ Sie beteilige sich nicht an politischen Debatten und Wahlkampf. Die Vorsitzende verwies zudem darauf, dass es sich bei dem Zwischenbericht um keinen abschließenden Beschluss der Kommission handele. Den werde es ungeachtet der Wiederholungswahl am 12. Februar erst Ende April geben, bis dahin habe das Gremium noch einige Arbeit vor sich.

Am Ende werde ein Abschlusspapier vorgelegt, das von allen Mitgliedern „genehmigt“ worden sei, so Däubler-Gmelin. „Aber ob dieses Papier nur Konsens enthält oder auch Mehrheits- oder Sondervoten, kann ich Ihnen nicht sagen.“

© dpa-infocom, dpa:221215-99-912219/3

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