Sandsäcke als Modeaccessoire:Hochwasserschutz zum Umhängen

Lesezeit: 3 min

Fertige Taschen, bereit für den Verkauf. (Foto: Alles Jute)

Nach der Flut stellt sich in den Hochwassergebieten die Frage: Wohin mit den vielen Sandsäcken? Dresdner Studenten nähen daraus Taschen. Nach einem Monat hat "Alles Jute" 500 Stück verkauft - sogar nach Amerika. Doch von ihrem eigentlichen Ziel ist die Initiative noch weit entfernt.

Von Antonie Rietzschel

Ben, 25, gehört zu "Alles Jute", einer kleinen Gruppe von Dresdner Studenten, die Taschen aus Sandsäcken nähen. Aus jenen Säcken, die während des Hochwassers im Juni benutzt wurden, um Häuser zu schützen und Deiche zu befestigen. 500 Stück dieser Taschen haben sie mittlerweile verkauft. Der Mindestpreis liegt bei 8,76 Euro, doch manche geben mehr. Und das sollen sie sogar, denn das Geld geht an verschiedene Organisationen, die vom Hochwasser betroffen waren - ein Frauenzentrum zum Beispiel. Wir erwischen Ben auf dem Weg zum Louisenkombinaht, einem kleinen Laden in der Dresdner Neustadt, in dem die Taschen genäht und verkauft werden.

SZ.de: In eurem Online-Shop steht unter den Jutebeuteln: "Leider ausverkauft". Sind euch nach einem Monat im Einsatz schon die Sandsäcke ausgegangen?

Ben: Nein, wir verkaufen immer nur donnerstags um 15 Uhr, also einem Tag in der Woche. Das gilt auch für unseren Online-Shop. Ich fahre gerade zum Verkauf. Normalerweise stehen immer schon eine halbe Stunde vorher 30 Leute vor dem Laden. Weil es auch Anfragen von außerhalb gibt, öffnen wir um 19 Uhr zusätzlich den Online-Shop. Dann dauert es keine zehn Sekunden bis die Taschen weg sind, die wir reingestellt haben. Bisher haben wir insgesamt 500 verkauft.

Und ihr habt immer noch Sandsäcke, die ihr verarbeiten könnt?

Ja, wir haben noch 200 auf Lager. Allerdings reichen sie nicht, um wie geplant 876 Taschen herzustellen.

Was hat es eigentlich mit dieser Zahl auf sich? Für eure Taschen verlangt ihr ja auch 8,76 Euro.

Das ist eine Zahlenspielerei. Die Elbe erreichte während des Hochwassers in Dresden einen Höchstand von 8,76 Metern.

Nach der Flut stellte sich in den Hochwassergebieten die Frage: Wohin mit den vielen Sandsäcken. Ihr habt aus ihnen einfach ein Modeaccessoire gemacht. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Wir sind eine Gruppe von Leuten, die sich bisher immer in einer Kneipe zum Tatort gucken getroffen hat. Während des Hochwassers waren wir in der Stadt als Helfer im Einsatz, anschließend haben wir uns wieder in der Kneipe getroffen und überlegt, was wir weiter tun könnten. Körperlich konnten wir einfach nicht mehr, aber im Kopf waren wir noch fit. Und so sind wir dann auf die Idee gekommen. Von dem Treffen bis zu unserem ersten Prototypen hat es eine Woche gedauert.

Der Prototyp. (Foto: Alles Jute)

Woher habt ihr die Sandsäcke bekommen?

Die erste Fuhre von 200 Stück kam von Freunden, die haben damit ihren Garten gesichert. Die hatten weit mehr im Einsatz, aber wir können ja auch nur die nehmen, die nicht im Wasser lagen. Alles andere ist Sondermüll. 50 Stück lagen bei einem Kollegen herum. Dann haben uns bei Facebook Leute angeschrieben, die noch welche übrig hatten. Um die 876 voll zu bekommen, müssen wir wahrscheinlich im Baumarkt zusätzlich Sandsäcke ankaufen. Die müssen wir dann aber auch nicht waschen.

Waschen?

Ja, der restliche Sand muss ja raus. Deswegen spülen wir die Sandsäcke erst mal im Eimer aus. Anschließend kommt der Sandsack in die Waschmaschine. Das macht der Micha. Der ist gerade mit seinem Studium fertig und hat Zeit dafür. Die trocknen dann auch immer in seinem Garten.

Vom Damm auf die Wäscheleine. (Foto: Alles Jute)

Wer kauft die Taschen bei euch?

Das ist ganz gemischt - zum Beispiel Hochwasseropfer, die gerne spenden und gleichzeitig wissen wollen, wo das Geld hingeht. Dann gibt es aber auch Menschen, die die Taschen bei anderen gesehen haben und sie einfach toll finden. Ist ja auch ein schönes Accessoire. Manche kommen extra hergefahren. Ein Berliner hat bei Facebook gesehen, dass wir verkaufen, hat sich aufs Motorrad geschwungen und war um 15.05 Uhr da. Tatsächlich hat er noch eine abgekriegt. Eine Tasche ging sogar nach Amerika.

Was war bisher die höchste Spende, die ihr bekommen habt?

35 Euro für eine Tasche. Aber wir bekommen ja nicht nur Geld, sondern auch Stoffreste für das Innenfutter der Taschen gespendet. Die Gurte sind ebenfalls eine Spende, von einer Firma, die eigentlich Spanngurte herstellt.

Ist es schwierig, aus einem Sandsack eine Tasche zu machen?

Unsere Näher benutzen alte Maschinen. Die Jute ist sehr dick und schwer zu vernähen. Da brauchst du richtig dicke Nadeln. Deswegen gab es da auch kaum Möglichkeiten mit dem Design zu spielen - leider.

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