Samstagsküche:"Mehr Knoblauch!"

Lesezeit: 6 min

"Wenn man Französisch lernt und sich im Dorf engagiert, wird man sehr herzlich aufgenommen": Der Krimi- und Kochbuchautor Martin Walker lebt zeitweise im französischen Périgord. (Foto: Christian Kerber/laif)

Der schottische Schriftsteller Martin Walker über das Glück am Herd, verbrannten Toast, kochende Frauen und die wunderbare Gastfreundschaft der Franzosen.

Interview von Anne Backhaus

Der Schotte Martin Walker, 67, ist Historiker mit Oxford- und Harvard-Vergangenheit. Und 25 Jahre lang arbeitete er als Journalist für den Guardian. Doch richtig bekannt wurde Walker erst, als er begann, Krimis zu schreiben, in denen sich alles um einen französischen Dorfpolizisten und das Essen dreht. Mit den Büchern hat Walker auch seine beiden Leidenschaften - das Kochen und die französische Provinz Périgord - zum Beruf gemacht. Auch beim Interview in Hamburg geht es sofort ums Essen: Walker probiert gerade sein erstes Franzbrötchen. Das Gespräch beginnt er nuschelnd und mit vollem Mund. "Bitte entschuldigen Sie", aber "dieses dicke Croissant ist perfekt. Warum habe ich das noch nie gegessen?"

SZ: Herr Walker, Sie sind Journalist, Autor und Koch. Was davon bedeutet Ihnen am meisten?

Martin Walker: Das mag Sie überraschen, aber wenn mich jemand als guten Koch bezeichnet, freut mich das doch sehr.

Geben Sie sich da besondere Mühe?

Inzwischen koche ich oft und gerne, aber es ist mir nicht immer leichtgefallen. Zum Glück ist es sehr schwer, ein wirkliches Desaster anzurichten. Das Schlimmste ist, etwas so lange zu kochen, bis es anbrennt. Ich kann sogar sehr gut Toast anbrennen lassen. In meinem Leben habe ich vermutlich mehr Brot verbrannt, als dass ich anständige Mahlzeiten gegessen habe. Aber wissen Sie, was hilft gegen Kochdesaster?

Was denn?

Kochen. Je mehr man kocht, desto einfacher wird's. Das habe ich von meiner Mutter gelernt. Sie hat mir auch beigebracht, mich nicht am Herd zu fürchten.

War Ihre Mutter eine gute Köchin?

Sie war eine sehr traditionelle Schottin, die daher das Gemüse mit Absicht zerkochen musste und fest daran glaubte, dass große Stücke Fleisch zu einer anständigen Mahlzeit gehören. Ich habe gern Zeit mit ihr in unserer Küche verbracht. Vielleicht beruhigt es mich deshalb, Essen zuzubereiten.

Es entspannt Sie?

Ich bin dann ganz in meiner kleinen Welt. Wie will ich diese Möhren schneiden? Welches Fett benutze ich? Entenfett oder Walnussöl? Ich liebe diese Details.

Kochen Sie gerne in Gesellschaft?

Ja. Als meine Töchter klein waren, habe ich mit ihnen zusammen Brot und Kuchen gebacken, aber durchaus auch mal ein gutes Bœuf bourguignon gekocht. Ich versuche so oft wie möglich zu kochen, die wahre Expertin ist allerdings meine Frau.

Aha, dann ist sie also verantwortlich für die Rezepte in Ihren Büchern.

Julia war eine wundervolle Hilfe, aber alles, was in den Bruno-Büchern steht, habe ich selber gekocht. Sie ist jedoch oft an meiner Seite und ruft Anweisungen wie: "Weniger Salz, mehr Knoblauch!"

Streiten Sie sich beim Kochen?

Ganz im Gegenteil. Essen ist ein elementarer Bestandteil unserer engen Verbindung.

Wie meinen Sie das?

Wir sind beide sehr experimentierfreudig, und gutes Essen hat uns von Anfang an in unserer Beziehung begleitet. Als wir heirateten, das war vor 36 Jahren, nahmen wir uns ein Jahr frei und reisten gemeinsam mit Rucksäcken um die Welt.

Um überall zu essen?

Das war nicht der Plan, aber genau das hat uns begeistert. In Iran haben wir ein Gericht aus Lamm und Aprikosen entdeckt, über das wir noch heute reden. Oder Thailand! 1978 gab es ja in England noch keine Thai-Restaurants. Mann, als wir dieses Essen probierten: Hurra! Wo war Zitronengras unser ganzes vorheriges Leben?

Wo war das Essen am interessantesten?

In Südamerika. Wir kamen von einer langen Wanderung vom Machu Picchu. In einem Dorf aßen wir Huhn mit Reis. Toll! Danach erfuhren wir: Das war kein Huhn, sondern Meerschweinchen. Es schmeckte überraschend gut, fast wie Kaninchen.

Mit Ihrer Frau haben Sie ein Kochbuch mit Rezepten aus Ihren Geschichten um den französischen Dorf-Polizisten Bruno Courrèges gemacht. Nun steht "Brunos Kochbuch" auf der Shortlist für die weltbesten Kochbücher 2014. Ziemlich ungewöhnlich für einen Krimiautor.

Verrückt, oder? Anfang Juni reise ich zu einem Festakt in China. Ich hätte niemals gedacht, dass es so gut angenommen wird.

Wie sah Ihre Zusammenarbeit aus?

Julia hat sich um die Rezepte gekümmert und ich mich um die Texte dazwischen, gekocht haben wir gemeinsam. Meine Frau entschied, dass unsere Gerichte authentisch aussehen sollen. Die meisten Kochbücher zeigen heute ja nur Essen, dass in einem Studio von Stylisten hergerichtet wird. Darauf haben wir verzichtet. Gemeinsam mit dem Fotografen haben wir eine Woche lang fast rund um die Uhr gekocht. Am Ende der Produktion gaben wir mit dem Essen ein Fest für das ganze Dorf.

Sie sind sehr gastfreundlich, oder?

Für Freunde oder für die Familie zu kochen, gehört für mich zu den größten Freuden im Leben. Essen ist eine fabelhafter Weg, um miteinander zu kommunizieren. In unserem Ort in Frankreich haben wir eine Tradition. Jeden Dienstagabend gibt es das "Dîner de célibataires", ein Abendessen für einsame Männer, denn dann gehen unsere Frauen zum Bingo. Wir sind zu viert oder fünft, und einer kocht für die anderen ein Gericht mit mindestens drei Gängen. Jetzt fürchte ich mich davor, wie meine Freunde auf mein Buch reagieren, denn sie sind hart in ihrem Urteil.

Sie leben inzwischen einen Großteil des Jahres in der französischen Provinz Périgord, Ihre Krimis zeugen von einer großen Leidenschaft für diese Region. Das Klischee sagt ja, Franzosen seien nicht sehr offen gegenüber Fremden.

Das kann ich unterschreiben. Aber wenn man Französisch lernt und sich im Dorf engagiert, wird man sehr herzlich aufgenommen. Uns wurde der Einstieg erleichtert, denn ein guter Freund von mir hat eine Frau aus dem Ort geheiratet. Wir haben sie immer im Sommer besucht. Mein Freund und ich lernten unsere Frauen zur selben Zeit kennen. Unsere Kinder kamen nahezu gleichzeitig zur Welt und spielten zusammen im Garten. Es war wunderbar. Also beschlossen meine Frau und ich 1999, selbst ein Haus dort zu kaufen. Diese Entscheidung hat mein ganzes Leben verändert.

Inwiefern?

Bis zu der Zeit hatte ich nur Sachbücher geschrieben. Über die Geschichte des Kalten Krieges, über Gorbatschow und die Clintons. Als ich dann im Périgord lebte, dachte ich plötzlich: Hallo Blumen, hallo Bäume! Ich war befreit und inspiriert. Die Höhle von Lascaux hat mich derartig begeistert, dass ich die Idee zu meinem ersten Roman "Schatten an der Wand" entwickelte.

Und wie kommt man dann zum Krimi?

Etwa zur gleichen Zeit lernte ich Pierrot kennen, er ist seit 20 Jahren Polizist in unserem Ort und die reale Vorlage für meine Figur Bruno. Wir spielten gemeinsam Tennis und wurden Freunde. Da dachte ich: Du hast hier die perfekte Umgebung und den perfekten Charakter, mach was draus.

Ihr neuer Band "Provokateure" ist bereits der siebte Fall von Kommissar Bruno. Schon die Rechte für Ihr erstes Buch haben Sie in sechs Länder verkauft. Allein in Deutschland haben Sie in den vergangenen Jahren mehr als 250 Lesungen abgehalten. Haben Sie Ihre erfolgreiche Figur nicht inzwischen etwas satt?

Überhaupt nicht. In meinen Krimis kann ich mich so viel mit dem modernen Leben auseinandersetzen, wie ich möchte. Und weil es mir Spaß macht, schreibe ich über Geschichte und Essen. Band acht erscheint demnächst, Band neun ist fast fertig, und ich plane bereits die nächsten beiden.

Da müssen Sie sich ja enorm viel mit dem Mann Bruno beschäftigen.

Das tue ich aber sehr gerne, was ich sicher meiner Freundschaft mit Pierrot verdanke. Ich kenne ihn seit 17 Jahren, und er ist nicht nur ein ungewöhnlicher Polizist, sondern vor allem ein wunderbarer Mensch. Er lehnt es zum Beispiel ab, Waffen zu tragen, und möchte möglichst niemanden verhaften. Er hält den Ort zusammen und organisiert alles, von Feuerwerken über Open-Air-Kino bis hin zu Fisch-Wettbewerben. Seine Herzlichkeit ist umwerfend.

Ist er stolz, dass Sie über ihn schreiben?

Sehr. Inzwischen kommen jeden Sommer viele Touristen mit ihren Büchern in der Hand und suchen nach dem Polizisten: "Sind Sie Bruno?" Bei Deutschen ruft er dann gern: "Jawohl!"

Sie schreiben gern und viel über Frauen. Beruhen die auch auf realen Personen?

Dazu gibt es eine Geschichte: Einmal saß ich mit meiner Frau und meinen Töchtern im Garten, da fragte die älteste: "Dad, wer sind die Vorbilder für deine Frauenfiguren?" Ich erklärte es anhand von Pamela . . .

. . . der aktuellen Geliebten von Bruno.

Genau. Die ist auch eine super Köchin. Und ich wollte meiner Tochter meine Leidenschaft für ihre Mutter beweisen. Ich sagte also: "Schau, Pamela hat rote Haare, deine Mutter hat rote Haare. Pamela ist schottisch, deine Mutter ist schottisch, Pamela kocht toll, deine Mutter auch." Da unterbrach mich meine Frau: "Nein, ich bin nicht Pamela. Ich bin Isabelle!"

Die große, unerfüllte Liebe Brunos.

Frauen! Es ist unmöglich sie zu verstehen. An dem Tag beschloss ich, nie wieder etwas zu meinen Frauenfiguren zu sagen.

Männer machen Ihnen keine Probleme?

Nie. Es ist leichter, über sie zu schreiben. Alles, was Sie bei einem Mann sehen, kriegen Sie auch. Ich habe enge männliche Freunde, und das ist ein wenig so, als sei man verliebt. Nur viel simpler. Wir können einfach über Sport reden oder Witze machen. Mit Pierrot und den anderen Männern aus dem Dorf habe ich zum Beispiel Beeren gesammelt und zu Marmelade verarbeitet. Sie lehrten mich, meine Hühner und Fasane großzuziehen. Wir gehen zum Weingut und füllen unsere Flaschen dort ab. Oh, ich merke, das hat alles auch mit Essen zu tun.

Fehlt Ihnen das französische Essen, wenn Sie auf Lesereise sind?

In Deutschland nicht.

Ach?

Die Buchläden in Ihrem Land sind so fantasievoll. Bei meinen Lesungen wird oft Käse und Wein gereicht. In Friedrichshafen gab es viele Snacks aus meinem Kochbuch. In München sogar Foie gras und kleine Gläser mit Vichyssoise.

Anderswo kriegen Sie nichts zu essen?

In Amerika zum Beispiel gibt es das nie. Da muss ich meistens irgendwelche Fernsehsender besuchen und habe dann zwei Minuten zwischen den Regionalnachrichten und dem Wetter. Meist fragt mich eine hübsche Blondine, die noch nie ein Buch gelesen hat: "Marty, Sie schreiben über Frankreich. Heißt das, Sie mögen Pommes?"

Im Ernst?

Es bringt nichts, sich darüber zu ärgern. Ich habe gelernt, meinen Antwortsatz aufzusagen: "Oh, wie interessant, dass Sie mich nach Frankreich fragen. Essen ist dort tatsächlich sehr wichtig."

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: