Oster-Typologie:Eier für alle

Mit Essen soll man nicht spielen. Und mit religiösen Symbolen erst recht nicht. Zum Glück haben Ostereier mit beidem nicht mehr viel zu tun.

Von Dennis Braatz und Max Scharnigg

Kinderhand

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(Foto: imago/Westend61)

Interessante Entwicklung beim Eierbemalen, einst eine 1-a-Kinderbeschäftigung: Weil die meisten Kinder heute schon im Alter von eineinhalb in der Kita damit anfangen müssen, haben sie mit sechs oder sieben schön langsam keine Lust mehr, mit Wachser, Filzer und Wasserfarben auf Eiern rumzuschmieren. Ähnliches gilt für Laternenbasteln und Nikolausfeiern. Man tut also gut daran, ein paar ausgeblasene Eier aus der Frühzeit der Begeisterung aufzuheben, und damit dann notfalls Durststrecken zu überbrücken. Kinderhand-Eier vereinen meistens maximale Farbvielfalt mit minimaler Motivtreue. Die Eikrümmung ist eben schwierig zu berücksichtigen, aber das geht Erwachsenen genauso.

Design

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(Foto: PR)

Schoko-Eier von Lindt kann jeder. Deshalb boomen gerade süße Luxus-Eier, die man ach so schön der immer etwas stilvoller eingerichteten Verwandtschaft zum Sonntagsbrunch mitbringen kann. Wie ein Pokal werden sie dann, schon fertig eingepackt in eine Plastik-Vitrine mit Goldbeschlägen, überreicht: "Hier, was ganz Besonderes für euch, gibt's nur im Harrods zu kaufen." Chanel hat schon welche gemacht, Emilio Pucci auch, und jetzt ist Roberto Cavalli dran, wie der Anblick dieses animalischen Zebramusters eindeutig klarmacht. Die Liste der conchierenden Designer hat damit hoffentlich bald ein Ende, denn diese Eier schmücken und schmecken nicht besser als welche von Lindt. Als Gastgeschenk tun's auch immer noch Blumen.

Supermarkt

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(Foto: imago stock&people)

Schön im 10er-Plastikkarton mit maschinell-akkurater Regenbogenlackierung im Supermarkt aufgestapelt: Da greift jeder zu, der von Ostern kalt abgeschreckt wurde. Leider muss man an dieser Stelle aber einräumen, dass diese profanen Massen-Ostereier meist perfekt zu schälen sind und als einzige nicht abfärben. Trotzdem sind sie öffentlich nur geduldet, wenn sie in einem Hefezopf (selbstgemacht) liegen oder aber einem höheren Zweck dienen (z.B. Eierlauf, sehr gewagte Verstecke). Aus irgendeinem Grund gibt es diese bunten Eier mittlerweile auch das ganze Jahr über, sind also für den Einkaufenden so eine Art ewig mahnendes Osterzeichen. Sie im September zu kaufen, ist trotzdem so abwegig, wie im Mai Glühwein zu trinken.

Kleinkunst

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(Foto: REUTERS)

Der natürliche Lebensraum des perforierten Schmuck-Eis ist ein Kunsthandwerker-Markt im Erzgebirge oder in Bad Füssing, wo es zusammen mit Bienenwachskerzen, Handschmeichlern und Schafwollpuschen feilgeboten wird. Einmal in Privathand übergegangen, fristet es sein Dasein als Geschenk für die mittelferne Verwandtschaft, denn es vereint eine gewisse Wertigkeit mit einem gewissen, jährlich abrufbaren Nutzen. Fortan muss es also bei österlichen Familienbesuchen pflichtschuldig vorgezeigt und aufgehängt werden, versehen mit dem Satz, wie schön es doch wäre, noch ein zweites perforiertes Schmuck-Ei zu besitzen. Wenn man nur wüsste, wann der Kunsthandwerker-Markt wieder aufmacht!

Outdoor

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(Foto: picture alliance / dpa)

Jedes Jahr muss im Vorgarten irgendein Strauch (vorzugsweise die gemeine Haselnuss) dran glauben, und Mama hängt wieder die Plastik-Eier in Knallfarben raus. Schön ist das ja eigentlich nicht, weil die Dinger so leicht sind, dass sie sich mit jedem Windstoß zitternd im Geäst verheddern. Aber Hauptsache Erste in der Straße! Beim gemeinsamen Abschmücken, das stets schon in die mittlere Vegetationsphase fällt, muss man dann immer feststellen, dass eines fehlt. Na, war ja auch mal windig. Aber im Oktober, wenn alle Blätter gefallen sind, hängt es plötzlich wieder da, das fiese Ding, und leuchtet weiterhin grell plastös den Nachbarn entgegen. Osterwunder! Und, na, jetzt kann's auch noch bis zum nächsten Jahr hängen bleiben.

Handarbeit

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(Foto: Getty Images)

Um Dekoration für Ostern kümmert sich die vorbildliche Hausfrau natürlich nicht erst kurz vor Ladenschluss bei Ikea, sondern nur in der eigenen Bastelküche - und zwar schon Wochen zuvor. Im Beisein von Heuballen-Heften wie Landlust, Mein schöner Land oder Liebes Land wird dort dann ausgepustet und gefärbt. So, wie schon Großmutter mit flüssigem Wachs und einer Nähnadel pittoreske Muster auf Eier malte, die mit schändlichen Schönheitsfehlern auf gar keinen Fall in die Hände des Postboten oder der listigen Schwägerin gelangen dürfen. Papa muss deshalb mit den Kindern während so eines Einfach-mal-Zeit-für-mich-Nachmittags auch immer in den Zoo. Aber Vorsicht, die selbstgebackenen Kekse nicht vergessen!

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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