Mode:"Das ist das neue Afrika"

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Tlhagoane steht hinter der Kampagne #VogueAfricaYourTimeIsNow. (Foto: privat)

Warum die südafrikanische Modebloggerin Leanne Tlhagoane findet, dass der Westen seine Wahrnehmung afrikanischer Mode ändern sollte - und ihr Kontinent unbedingt eine eigene Ausgabe der "Vogue" braucht.

Interview von Anne Goebel

Afrika und Designermode? Allein die Begriffe scheinen nach unserer gängigen Wahrnehmung überhaupt nicht zusammenzupassen. Dabei gibt es in Megastädten wie Lagos und Nairobi eine wachsende Klientel für Luxusprodukte. Und nach einem Vorstoß von Supermodel Naomi Campbell auf der Fashion Week in Nigeria wird jetzt der Ruf nach einer afrikanischen Vogue-Ausgabe vernehmbar lauter. Was sind die Erwartungen an ein Hochglanzmagazin für Afrika? Ein Gespräch mit Leanne Tlhagoane aus Johannesburg, Gründerin der Online-Platform Refashion.Africa.

SZ: Mrs. Tlhagoane, hat Afrika keine drängenderen Probleme als das Fehlen einer eigenen Vogue -Ausgabe?

Leanne Tlhagoane: Ich denke, es gibt überall auf der Welt wichtigere Themen als die Mode. Und gravierende Probleme existieren nicht nur in Afrika, nehmen Sie die Regierung in den USA. Ich will die Schwierigkeiten auf unserem Kontinent nicht leugnen. Nur: Das hindert mich nicht daran, genau zu beobachten, was in der afrikanischen Modeszene geschieht. Und es passiert seit einigen Jahren eine ganze Menge.

In welcher Rolle sehen Sie da ein internationales Magazin?

Zunächst einmal wäre es ja für den Verlag Condé Nast kein so ungewöhnliches Projekt. Es gibt regionale Vogue-Hefte in Südamerika, Indien oder Nahost. Eine Afrika-Ausgabe würde helfen, die Vielfalt an afrikanischem Design zu präsentieren. Sicher, Armut ist ein riesiges Problem für viele Menschen hier. Aber es gibt auch eine andere Seite. Viel Kreativität, junge Leute mit Lust auf Mode in boomenden Städten wie Johannesburg, Lagos oder Nairobi. Was fehlt, ist eine Stimme, die von dieser Entwicklung erzählt.

Beim Blick in die Modemagazine könnte man eher die Prognose stellen: Eine afrikanische Version wird den üblichen Kanon der Allerwelts-Luxusfirmen herunterbeten. Überspitzt gefragt: Braucht Afrika dringend Chanel?

Nein, und Afrika braucht auch nicht dringend dieses Magazin. Es ist nichts, worum wir betteln. Ich glaube nur, dass es für den Westen an der Zeit ist, etwas zur Kenntnis zu nehmen: Es gibt einen Markt für High-End-Produkte in Afrika. Firmen wie Gucci oder Louis Vuitton haben ihre eigenen Stores. Die hochwertigen Kollektionen afrikanischer Designer sind gefragt. Es entsteht gerade eine immer größer werdende Klientel mit Appetit auf Luxus. Kurz, das Mode-Potenzial in den Metropolen ist riesig, auf kreativer Seite wie auf der Seite der Konsumenten. Daran ist die Welt nicht gewöhnt, aber: Das ist das neue Afrika.

Warum fällt es den Industrienationen so schwer, ihren meist gönnerhaften Blick auf afrikanische Staaten zu ändern?

Ich glaube nicht, dass es unser Job ist, dem auf den Grund zu gehen. Das muss in den Ländern selbst geschehen. Wenn Sie es historisch betrachten, ist jedenfalls klar, dass es immer eine festgelegte Sicht auf die afrikanische Kultur gegeben hat: ,Exotisch' ist der Schlüsselbegriff. Aber Afrika ist doch viel mehr als Maskenkunst und bedruckte Stoffe. Wir haben, auf die Mode bezogen, unsere eigene Geschichte zu erzählen. Und die möchte ich in unserem eigenen großen Magazin lesen und nicht in Ausgaben in Nordamerika, der Türkei oder Italien.

Erzählen Sie davon.

Für mich liegt die Schönheit unserer Designerszene in der Abwechslung. Es gibt Labels, die auf uralte Techniken ihrer Region zurückgreifen. Auf bestimmte Muster, Gewebe oder Schnitte, die sie dann in die Gegenwart übertragen. Ein Beispiel ist Laduma Ngxokol, für den das Thema Tradition eine große Rolle spielt. Andere wollen mit der Vergangenheit überhaupt nichts zu tun haben und setzen auf futuristische Entwürfe. Auf Streetwear oder minimalistische Looks. ,Africanness', das Afrikanisch-Sein ist ein weiter Begriff. Das Schlagwort von der Exotik ist eine vollkommen unzureichende Verengung. Manchmal habe ich das Gefühl, Mode und Afrika geht in den Köpfen der Menschen nur zusammen, wenn mal wieder ein westlicher Designer Ethno-Elemente in seinen Kollektionen verarbeitet hat.

Aktuell scheint in die Modeszene Bewegung zu kommen. Es gibt mehr farbige Models. In London wurde der afrikanischstämmige Edward Enninful als Vogue-Chefredakteur installiert.

Und es gibt "Black Panther", einen Film mit schwarzen Hauptdarstellern, der ein Blockbuster ist. Das ist sensationell! Virgil Abloh ist der neue Kreativdirektor von Louis Vuitton. Ja, es ändert sich etwas. Für mich sind das alles Ergänzungen zu dem einen, entscheidenden Wandel: Afrika selbst verändert sich. Bei Mode-Events in Lagos oder Südafrika ist so viel Energie zu spüren, Lust auf Fortschritt, auf Erfolg. Schließlich ist gerade die ganze Branche im Aufbruch: durch E-Commerce, die sozialen Netzwerke. Ich finde, die Welt verpasst etwas, wenn sie sich den neuen afrikanischen Zeitgeist entgehen lässt. Das Auge wandern lassen, neue Eindrücke sammeln: Diese Chance bieten wir dem Westen. Dazu reicht es nicht, wenn man dort nur seine Stereotype hinterfragt und mehr schwarze Models einsetzt. Es geht um eine komplett andere Wahrnehmung, auf Augenhöhe. Darum, über die Modewoche in Lagos zu berichten oder auf Onlineshops afrikanische Designer anzubieten.

Und wenn der Westen die Chance nicht ergreift?

Wissen Sie, es gibt immer Menschen, die wollen ihre alte Art zu denken einfach nicht aufgeben. Nur: Das spielt gar keine Rolle. Es wird weiterhin das passieren, was bereits im Gang ist - unser Kontinent entwickelt sich. In der Kunst, mit dem neuen Museum für zeitgenössische Kunst Afrikas in Kapstadt. In Mode und Design mit einer wachsenden Zahl an Fashion Weeks. Meine Online-Kampagne für eine afrikanische Vogue heißt #VogueAfricaYourTimeIsNow. Aber im Grunde geht es um etwas Größeres. Africa, your time is now.

© SZ vom 05.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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