Männerbeauty:Hereinbarbiert!

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Der Herrensalon ist zurück in den Innenstädten. Nirgendwo sonst können sich Männer heutzutage so schön um ihre Oberfläche kümmern - und dabei eine Reise antreten.

Von Max Scharnigg, Dennis Braatz und Silke Bigalke

Wer einen Barbershop betritt, geht nicht einfach nur zum Friseur. Er will an ein viel größeres Versprechen glauben, das ihm die alten Lederstühle mit der waghalsigen Kippfunktion, die ehrwürdige Einrichtung oder die Tätowierungen des Barbiers hier geben. Es lautet: Mann sein dürfen. Für den Preis einer Rasur oder eines Haarschnitts tritt man eine Reise an, von der man vielleicht schon träumte, seit man an Opas Rasierwasser genippt hat. Die warme Baumwolle des Gesichtstuches, der pastöse Rasierschaum, die ruhigen Bewegungen der Klinge, die kühle Schärfe des Stahls, die so wenig mit dem plastikgefassten Rasierer zu Hause zu tun hat, und schließlich das herbe Brennen des Tonikums, das einen den ganzen Tag begleiten wird - das sind die markanten Annehmlichkeiten dieses Besuches. Dazu kommt das Ausgeliefertsein, das ein stilles Vertrauensverhältnis zwischen Barbier und Kunde herstellt. Geborgenheit unter Männern, gelassen gepflegt zu werden, das sind ungewohnte Erfahrungen. Aber sie fühlen sich urrichtig an, egal ob beim Traditionsbarbier in Istanbul oder bei einem seiner hippen Derivate in Berlin oder Stockholm. Und was gibt es Beruhigenderes als die Gewissheit, in einer Zeitkapsel zu sitzen, in der nie etwas anderes zelebriert wird, als die ewige Abfolge von Haare wachsen und Haare schneiden? In den 90er-Jahren hatte der deutsche Zentralverband des Friseurhandwerks aufgehört, Salons in Herren- und Damensalons einzuteilen. Damals war scheinbar zusammengewachsen, was zusammen geschnitten gehört. Heute ist der Herrensalon zurück, als Barbershop und akzeptierte Entschuldigung, wenn ein Mann sich zurückziehen und um die eigene Oberfläche kümmern möchte. Ein Lifestyle-Trend wäre das, sagt Jörg Müller, der Vorsitzende des Zentralverbandes. Aber ein gewichtiger. Schließlich würden fast 40 Prozent der deutschen Männer heute wieder Bart tragen, da sei es nur lobenswert, dass die Bartpflege auch wieder in den Mittelpunkt gerückt werde. Und nicht nur sie. Mit den Zusatzangeboten, die mit den neuen Barbieren oft einhergehen, mit Craft Beer im Kühlschrank, Rock 'n' Roll im Lautsprecher und der Option auf Maniküre, Zigarre oder selbsthergestellte Rasierseife, soll der Besuch zum gediegenen All-inclusive-Herrenpäuschen werden. Und damit noch viel weniger an den schnöden "Alles kürzer!"-Akt von früher erinnern.

Panagiotis Grigoriou, 44, Athen

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(Foto: N/A)

Ich bin Grieche, aber in Ägypten aufgewachsen. In beiden Ländern ist es normal, dass Männer zum Barbier gehen. So wie Frauen zum Friseur. Als kleiner Junge hat mich mein Vater immer mitgenommen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich auch immer rasiert werden wollte, obwohl ich noch gar keinen Bart hatte. Ich bin nach Athen gekommen, um Marketing und Betriebswirtschaft zu studieren. Während dieser Zeit fiel mir auf, dass immer mehr Barbershops in der Stadt geschlossen wurden. Sie konnten sich nicht gegen die großen Ladenketten behaupten. Deshalb habe ich vor acht Jahren einen Shop wiedereröffnet (Fotos links). Er heißt "1900", weil er zu dieser Zeit gegründet wurde. Einige Spiegel und Stühle stammen noch vom allerersten Besitzer. Den Rest habe ich auf Antikmärkten dazu gekauft, um das Gefühl von früher neu aufleben zu lassen. Das Handwerk dazu haben mir befreundete Barbiere beigebracht. Einige von ihnen sind mittlerweile bei mir angestellt. Das Geschäft läuft seit drei Jahren so gut , dass ich allein nicht mehr hinterherkomme. Zu uns kommen hauptsächlich Geschäftsmänner, die meisten von ihnen einmal die Woche. Sie wollen einen klassischen Kurzhaarschnitt - und immer eine Nassrasur.

Tarik Yakar, 28, Berlin

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(Foto: N/A)

Viele Männer, die zum ersten Mal zu mir kommen, fühlen sich wie beim Zahnarzt. Zumindest sagen sie das, wenn die Rückenlehne nach hinten geschoben wird. Um bei einer Rasur gründlich arbeiten zu können, gehört diese Position dazu. Ich habe das von einem türkischen Barbier aus Berlin gelernt, wo ich direkt nach meiner Friseurausbildung arbeitete. Vor zwei Jahren habe ich meinen Shop "Barber's" in Charlottenburg eröffnet. Am Anfang war ich allein, mit knapp vier bis fünf Kunden am Tag. Heute habe ich fünf Angestellte. Ich selbst kümmere mich jetzt um zehn bis zwölf Kunden am Tag. Am beliebtesten ist der "Pompadour"-Schnitt, superkurz an den Seiten mit zurückgelegtem Deckhaar. Manche lassen sich sogar einen Scheitel einrasieren, damit es noch mehr retro wirkt, wie in den Fünfzigerjahren. Neben der Rasur wird auch die Entfernung der Ohrhaare immer häufiger gebucht. In Zukunft wollen wir bei uns auch noch Maniküre und Pediküre anbieten. Die Idee des Barbershops ist ausbaufähig als ein richtiger Beautysalon für Männer, würde ich sagen.

Caridad Forsgren, 49, Stockholm

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(Foto: N/A)

Ich komme aus Kuba. Nach der Friseurschule habe ich mit 20 Jahren noch eine Schule für Barbiere in Havanna besucht. Massage, Hautpflege, Anatomie: Alles von der Brust aufwärts wurde dort gelehrt. 1994 bin ich mit meiner Schwester nach Schweden gekommen. Zunächst habe ich als Friseurin gearbeitet. Seit etwa zwei Jahren bin ich nun aber im Barbershop "Roy & Son". Ich mag es, in dieser Männerdomäne zu arbeiten. Es gibt weniger Klatsch und Tratsch als bei den Frauen. Die Kollegen sind mehr geradeaus. Ich schneide auch lieber Männern die Haare als Frauen. Bei den kurzen Schnitten müssen die Details stärker ausgearbeitet werden, da kommt es auf die Technik an. Weil es in Stockholm nicht so viele Barbiere gibt, sind wir eigentlich immer ausgebucht. In acht Stunden schafft man ganz genau acht Haarschnitte oder 16 Rasuren. Die meisten unserer Kunden kommen regelmäßig, sie sind sehr trendbewusst und wollen rasiert beziehungsweise gestutzt werden. Momentan sind lange Bärte angesagt. Eigentlich wissen immer alle genau, was sie wollen. Das ist auch anders als bei den Frauen.

Franco Bompieri, 81, Mailand

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(Foto: N/A)

Das erste Mal Barbier war ich mit neun Jahren, als ich im Salon meines kleinen Heimatdorfs aushalf. Als Beruf habe ich mir das später nicht ausgesucht. Es war eine Notlösung, etwas anderes brachte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Geld ein. Seit Januar 1960 stehe ich in meinem eigenen Betrieb, "Antica Barbiera Colla". Er liegt direkt neben der Mailänder Scala. Ich habe ihn mit einem Kollegen von seinem verstorbenen Gründer übernommen, der ihn 1904 aufgemacht hatte. Ein Barbier zu sein, das bedeutet Traditionen aufrechtzuerhalten. Viele der Anwendungen haben sich über die Jahrzehnte nicht verändert, die Rasur mithilfe eines heißen Handtuchs zum Beispiel, das die Barthaare für das Messer geschmeidig macht. Oder der Schnitt "Italian Style", bei dem die Seiten raspelkurz sind und das fingerlange Deckhaar nach oben moduliert wird. Bis heute wird das am häufigsten von unseren Kunden gebucht. Noch vor vier Jahren war ich einer der letzten Barbiere in der Stadt. Mittlerweile gibt es wieder viele. Unsere Kunden haben sich nie verändert. Gentleman bleibt eben Gentleman.

Brent Pankhurst, 44, London

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(Foto: N/A)

Der Großteil unserer Kundschaft sind CEOs und Leute aus der Medienbranche. Männer, die maßgeschneiderte Anzüge tragen. Auch Daniel Craig und Robbie Williams saßen schon auf meinem Stuhl. Wir bieten keine gängigen Frisuren und Bartschnitte an, sondern stimmen alles auf die Wünsche der Kunden ab. Die meisten wollen ihren aktuellen Look lediglich ein wenig auffrischen. Manche kommen auch nur vorbei, um dem einen oder anderen Bekannten oder Kollegen mal wieder über den Weg laufen zu können. Diese Männer bleiben gern unter sich. Aus dem Grund haben wir im "Pankhurst" in Mayfair vor Kurzem auch eine Whiskey-Lounge eingerichtet. Meinen Beruf übe ich aus, seitdem ich 16 Jahre alt bin. Ich wollte nie etwas anderes machen, weil mich der Stil von Steve McQueen so faszinierte. Gelernt habe ich, dass alles um Kopf- und Barthaar mit einer Schere zu erledigen ist. Die Benutzung von elektrischen Rasierapparaten war früher verpönt. In den meisten der nun eröffneten Shops werden sie heute eingesetzt, um mehr Kundschaft in kürzerer Zeit abfertigen zu können.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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