Macht und Mode:First Lady Look

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Marina Poroschenko posiert auf dem aktuellen Cover der ukrainischen "Elle" - mitten im Krieg. Über die Macht von Präsidentengattinnen in Modemagazinen.

Von Dennis Braatz

Die Bluse mit Blumenmustern und Ballonärmeln ist an die bäuerliche Tracht ihres Landes angelehnt. Sie hat sie in einen taillenhohen Rock gesteckt. Als einzige Accessoires dazu dienen brave Perlenohrringe. Dafür sind die Haare perfekt nach außen gewellt und die Arme zur selbstbewussten Pose verschränkt. Als klassisches Titelbild einer Modezeitschrift wäre das Foto wohl eher durchgefallen. Braver Blick, lahme Pose, das Bild insgesamt einfach zu unspektakulär. Doch auf der aktuellen Ausgabe der ukrainischen Elle ist nicht etwa irgendein Topmodel zu sehen. Es ist die ukrainische First Lady herself: Marina Poroschenko.

Selbstverständlich ist Marina Poroschenko nicht die erste Präsidentengattin, die sich auf dem Cover einer Modezeitschrift zeigt. Aber es ist womöglich die, über die am meisten diskutiert wird. Schließlich befindet sich die Ukraine derzeit im Krieg. Und die Fragen, die debattiert werden, liegen nahe: Darf man das? Darf die das? Ist es nicht schrecklich oberflächlich und banal, sich in diesen Zeiten mit Themen wie Mode zu beschäftigen? Und was haben Politik und Mode überhaupt miteinander zu tun?

Die aktuelle Ausgabe der ukrainischen Elle ziert die Präsidentengattin: Marina Poroschenko. Bruni traute sich auf das Cover der französischen Elle. (Foto: N/A)

Sehr viel selbstverständlich. Man denke nur an die zahlreichen ikonischen Kleidungsstücke, die wirklich jeder kennt, an Palitücher, an Che-Guevara-T-Shirts, an die aktuelle Diskussion um den als Hipster verkleideten Nazi namens Nipster. Grenzt man das Thema ein auf die Betrachtung von Politikergattinnen und ihre Auftritte in Modemagazinen wird schnell deutlich, dass diese Auftritte immer auch als Zeichen und Symbole der Zeit und Politik gelesen werden können, in der sie entstanden sind. Sicherlich: First Ladys müssen von jeher vor allem repräsentieren. Aber wie sie das tun und in welchem Look, sagt immer auch etwas darüber aus, wie sie ihr Amt als Präsidentengattin und damit auch die Ära ihres Mannes interpretieren.

Die erste Präsidentengattin, die sich für ein Modemagazin fotografieren ließ, war Lou Henry Hoover, die Ehefrau des damaligen US-Präsidenten Hoover. 1929 zeigte sie sich in der amerikanischen Vogue - die fortan fast jede First Lady präsentierte. Als Hoover sich im bescheidenen Seidenkleid mit tief sitzender Taille ablichten ließ, befand sich das Land gerade im Börsenrausch. Von einem Crash, der nur wenige Monate später stattfinden sollte, ahnte niemand etwas. Nur Hoovers Look scheint die folgende Weltwirtschaftskrise schon anzudeuten. Zu dem einfachen Kleid steckte sie ihre Haare mit einem simplen Knoten zusammen. Ihre Zurückhaltung kam sowohl vor, als auch während der Weltwirtschaftskrise gut an. Sie galt als gefühlvolle, maßvolle First Lady.

Bereits zweimal schaffte es schon Michelle Obama auf die US-Vogue, 2009 und 2013. (Foto: N/A)

Hoovers Nachfolgerinnen, Mamie Eisenhower und Eleanor Roosevelt, sagt man dagegen heute nach, sie hätten mit ihren Zeitschriftenauftritten in Ballkleidern aus Puffärmeln, Seidenschleppen und Tüllblüten in den Vierziger- und Fünfzigerjahren auf heile Welt gemacht - obwohl niemand diese wirklich so rosig sah. Während in Europa Krieg und Nachkriegsjahre vergingen, verpuppte sich die klassische amerikanische Gattin in schöner Nostalgie.

Die First Lady mit dem sichersten eigenen Modegeschmack war sicherlich Jackie Kennedy. Sie liebte Pariser Haute Couture. Weil diese Mode jedoch zu kostspielig für das Weiße Haus war und nicht recht in das gewünschte Image der immer auch recht durchschnittlich gewünschten Vorzeige-Amerikanerin passte, wurde ihr nach der Vereidigung ihres Mannes der in New York ansässige Modeschöpfer Oleg Cassini zur Ausstattung ihrer Garderobe vorgeschlagen. Sie nahm an - und ließ ihn Entwürfe von Dior, Chanel oder Givenchy nachschneidern.

Knielange Kostüme, Mäntel in A-Linie und dazu ein kleiner, runder Hut auf der toupierten Frisur, die Pillbox. Angeblich trennte sie nach der Fertigstellung ihrer Looks die Etiketten heraus, um die der eigentlichen Luxusmarken einzusetzen. Genau dieser "Jackie Style", wie ihn damals die Modepresse beschrieb, machte sie als erste First Lady zur Stilikone einer ganzen Nation. Für die Vogue wurde sie über die Jahre mehrmals fotografiert. Immer sichtbar ihre Grundaussage: Ich bin keine brave amerikanische Ehefrau. Sondern eigentlich will ich lieber Französin sein.

Lange Zeit blieb sie mit diesem Status allein. Die Präsidentengattinnen der Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahre gaben sich weltweit eher bieder und hochgeschlossen. Hillary Clinton immerhin traute sich als erste First Lady 1998 auf das Cover eines Modemagazins. Auf einem mit roten Rosen dekorierten Salonsofa und in einem alles verhüllenden, unmodischen Samtkleid von Oscar de la Renta posierte sie auf der amerikanischen Vogue. Der Designer selbst gab später zu, er hätte die Chefredakteurin Anna Wintour und Hillary Clinton über Monate zu diesem Schritt überreden müssen. Die Situation war nämlich heikel. Zu Beginn des Jahres überschattete Bill Clintons Affäre mit Monica Lewinsky nicht nur das Privatleben des Paares, sondern auch seine Politik. Das spätere Coverbild des Fotografen Arthur Elgort, so perfekt komponiert wie ein Ölgemälde aus der Hochrenaissance, wollte Hillary Clinton genau deshalb aber niemand mehr abkaufen. Auf dem Bild die perfekte, klassische First Lady - in Wahrheit eine betrogene, aber moderne Frau.

Als Erste überhaupt ließ sich Hillary Clinton 1998 fotografieren (l.). In Südamerika posierte schon Kolumbiens María Clemencia Rodríguez de Santos. (Foto: N/A)

Und dann kam Michelle Obama. Die erste First Lady seit Jackie Kennedy, die wieder das Zeug hatte zur Stilikone. Und ihren Geschmack seitdem fast täglich beweist. Seit 2009 stiehlt sie ihrem Mann mit knallbunten Kleidern zwar optisch die Show, poliert damit aber gleichzeitig sein Image auf. Luxusdesigner wie Marc Jacobs oder Azzedine Alaïa wechselt sie ganz selbstverständlich mit Billigmodeketten wie Asos oder J Crew ab, die dank ihr regelmäßig Ausverkäufe verbuchen. Weltberühmt sind ihre starken Oberarme, die sie gerne in ärmellosen Kleidern zeigt. Für dieses herrlich lockere Selbstbewusstsein wird sie weltweit bewundert. Als moderne, emanzipierte, starke und eigenständige Frau ist sie vielen ein Vorbild. Und auch auf Präsidentengattinnen weltweit scheint ihr Mut zur Mode abzufärben. Es wird sich wieder viel mehr getraut.

So wagte Carla Bruni schon ein halbes Jahr nach ihrer amerikanischen Kollegin den Schritt auf ein Magazincover. Dass die Première Dame Frankreichs, die in ihrem Vorleben mal ein erfolgreiches Model war, sich irgendwann auf einen Fototermin einlassen würde, darauf hatten zu Beginn der Amtszeit von Nicolas Sarkozy alle gehofft. Fein und elegant, in einem nachtblauen Etuikleid von Dior, zeigte sie sich im September 2009 auf der französischen Elle. Die Haare ließ sie, lässig an eine Wand gelehnt, ganz natürlich über die Schultern fallen. Das passte zum Leben ihrer Patchwork-Familie. Und die Franzosen waren stolz darauf, dass eine Präsidentengattin endlich mal auch optisch ein modernes Frauenbild verkörperte. Gewitzelt wurde nur über die Schuhwahl der 1,75 Meter großen Bruni. Egal wo, egal wann: Sie trug immer Ballerinas, um ihren zehn Zentimeter kleineren Mann nur so minimal wie möglich zu überragen.

Ein anderes Bild

Ein Problem, für das sich María Clemencia Rodríguez de Santos nicht interessiert. Bei Auftritten mit ihrem Mann, dem kolumbianischen Staatschef Juan Manuel Santos, lässt die 54-Jährige High Heels so gut wie nie weg. 2013 schmückte sie die lateinamerikanische Vogue in einem engen Kleid mit angesetzter Statement-Kette. Für die Aufnahmen im Innenteil des Magazins entschied sie sich für Outfits von Haider Ackermann. Der Designer stammt aus ihrem eigenen Land und wird gerade von New York bis Paris gefeiert, weil sich seine Mode biografisch lesen lässt und auch die Vergangenheit Kolumbiens thematisiert. Mit dieser Mischung symbolisierte sie einerseits einen gewissen Nationalstolz, andererseits den unbedingten Willen, das Land weiter zu entwickeln. So, wie es ihr Mann mit seiner Politik versucht.

Marina Poroschenko will ähnlich verstanden werden. Sie verstärkt den Effekt zusätzlich, indem sie moderne Entwürfe ukrainischer Designer im Innenteil trägt und auf dem Titelblatt landestypische Tracht. Jedem soll damit auf den ersten Blick ganz klar bewusst werden, dass die 52-Jährige so wohl niemals privat vor die Tür gehen würde. Stattdessen will sie die unbedingte Verbundenheit zu ihrem Land thematisieren. Und trotzdem nimmt durch sie die Idee der First Lady auf dem Modemagazin neue Dimensionen an. Noch nie hat sich die Frau eines Staatschefs ablichten lassen, während im eigenen Land Krieg herrschte. Für diese Inszenierung erntete die 52-Jährige scharfe Kritik. Das Vorspielen des Klischees der Oligarchengattin, die heile Welt, die das Bild zeigt, das alles passe nicht in die Zeit.

© SZ vom 30.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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