Lokaltermin:The Jane

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Das Restaurant The Jane in Antwerpen ist eine der gefragtesten Gourmetadressen Europas. Gespeist wird in einer ehemaligen Kirche, der Altar hier ist die Küche.

Der Niederländer Sergio Herman gilt als einer der besten Köche der Welt, und sein Restaurant The Jane in Antwerpen ist eine der gefragtesten Gourmetadressen Europas. Gespeist wird in einer ehemaligen Kirche, der Altar hier ist die Küche. Nur mit großer Mühe bekam Jutta Göricke einen Platz, allerdings nicht im Lokal, sondern an der Bar - zum Degustationsmenü

Selten ist ein Restaurant so gehypt worden wie "The Jane" in Antwerpen. Hier spontan vorbeischauen? Undenkbar. Drei Monate im Voraus wird der Reservierungs-Slot geöffnet, dann sollte man sich ranhalten, um einen Tisch zu ergattern, womöglich - oh Hybris! - am Samstagabend? Wir haben es zwei Monate vorher versucht und sind in freundlicher Abstimmung mit dem Online-Formular, dem wir sieben Termine angeboten hatten, auf einer Nachrückerliste gelandet. Kurz vor der Reise dann die Gnadenbotschaft: Sie dürfen bei uns essen, am Freitag, zu Mittag, leider nicht im Restaurant, dafür aber in unserer entspannten Upper Room Bar. Falls das nicht passen sollte: Bitte absagen, sonst kostet es Strafe! Wer nähme, nach so viel Vorarbeit, nicht mit Freuden den kleinen Finger?

The Jane ist in der umgewidmeten Backsteinkapelle eines alten Militärhospitals im Süden Antwerpens untergebracht. Und so werden wir an einem herrlichen Sommertag auf die Empore über dem Restaurant geleitet: Wo früher die Orgel stand, ist jetzt die opulente Bar mit vielen Kochstationen untergebracht. Die Gäste verfolgen die Préparation à la minute aus erster Reihe - näher dran geht nicht. Imposanter aber ist der Blick in den früheren Kirchenraum. Unterm verwitterten Tonnengewölbe erstrahlen sonnengeflutete Kirchenfenster in schier außerirdischer Ikonographie: Zu sehen ist das Jesuskind mit Nabelschnur, umschwirrt von einem psychedelischen Potpourri, das teuflisch verstörend wirken soll: bunte Pillen, Backenzähne und Baguettes, ein blubbernder Kessel, aus dem eine Märtyrerhand in Victory-Pose ragt. Im Hintergrund: dezente Housebeats. Abends leuchtet hier eine riesige Sputniklampe, der Totenschädel oben in der Apsis funkelt auch tagsüber. Verantwortlich für das kalkuliert atemraubende Ambiente ist aber weder Swarovski noch Ed Hardy, sondern das niederländische Design-Studio von Piet Boon. Die gläserne Küche hat er dort aufgebaut, wo sie Starkoch Sergio Herman und seinem Kollegen Nick Bril zufolge hingehört: in den Altarraum. Hier also kochen die Götter und speisen die Jünger. Nun ja. Mancher wird das anstrengend finden, doch es funktioniert: In den folgenden drei Stunden werden wir uns an dem großartigen Raum jedenfalls nicht sattsehen.

Die Frage ist nun, ob das Essen auf der Empore da mithalten kann? Es ist nicht dasselbe wie unten im Lokal. Hier oben gibt es ein Tasting Menu für 75 Euro, eine Parade kleiner Teller an der Bar. Schnell das in einen Lederwams gewickelte Besteck auspacken und los geht's. Den Anfang macht ein griechisches Schüsselchen: Spanakopita. Der säuerliche Spinat ist mit Feta, Knoblauchöl und Joghurt angerichtet, dazu ein Cracker. Ein sommerlicher, leider wenig charaktervoller Einstieg, dem sogleich ein kräftiger Gang folgt: eine Charcuterie-Auswahl mit Pastrami, Mortadella und gekapertem Steak tartare, platziert auf einer Oblate. Dazu kommt getrüffelte Sauce und krosses Maisbrot. Danach knackige Puntarelle, italienischer Spargelchicorée also, begleitet von Sauerampfer, Lauch und einem Chip, der wirkt wie ein Korallengewächs, zu einer tatsächlich bemerkenswerten Soße (grüner Apfel, Meerrettich, Sauerampfer, Lauch).

Die "Wein"-Begleitung (47,50 Euro) ist interessant bis eigenwillig, etwa wenn sie unterbrochen wird von Gueuze-Bier der Brauerei Girardin, das an sehr trockenen Cidre erinnert; willkommener bei der Hitze ist das ungewöhnliche, sehr erfrischende Zwischengetränk aus Wodka auf Eis mit Bergamotte und Gurkensaft.

Nun folgen die Themenblöcke. Als erstes Fisch. Auf einer gegrillten Zucchini ist eine sauer eingelegte Sardine abgelegt, geschmückt mit knackigen Mandeln, Gurke und Blüten, umspielt von Basilikumsoße mit Joghurt. Endlich: Der nächste Gang ist im Vergleich zu den Vorgängern geschmacklich herausragend. Eine in ihre Einzelteile zerlegte Sushirolle, komponiert wie ein Blumenstillleben mit Blüten aus Gurke, Rogen, Gelbschwanzmakrele und perfektem Sushireis. Am Tellerrand, seiner Funktion beraubt, ein Stück Tang. Alle Aromen feinst aufeinander abgestimmt. Vor uns wird bereits grüner Spargel für den nächsten Gang meergesalzen: zu Kabeljau mit leicht gestocktem Eigelb, Sauce béarnaise und Nordseekrabben. Während die Krabben sich aromatisch auf sich selbst verlassen können, ist der Fisch zwar perfekt gegart, aber seltsam fad. Auch die drei dicken Rohrnudeln in Fischsud, auf denen eine Schwertmuschel mit einem Allerlei aus Herzmuscheln, Flusskrebs und Grünzeug aufgedockt ist, bleiben blass.

Nun kommt neues Besteck, es gibt Fleisch. Erst eine indische Pulled-Pork-Variante mit sehr scharfer Chilipaste, Achar (Pickles), Ananas und Papadam. Weiter geht es mit Argentinien: Steak mit Limonenzesten und Chimichurri-Soße, Erbsen, Böhnchen und kräftigem Minzeblatt. Das Fleisch ist qualitativ hervorragend, allein, auch dieses Gericht bleibt kaum in Erinnerung, trotz der lauten Zutaten. Auf den Tellern hier dürfte mehr passieren. Viel Bohei und tolle Produkte, die aber zu wenig miteinander sprechen. Abgesehen von drei, vier Ausreißern nach oben, ist das hier eine Art hochprofessionell vorgetragenes Streetfoodfestival an der Bar, das einen aber nie vom Hocker haut. Von diesem Starkoch im Hintergrund erwartet man mehr.

Versöhnlich stimmt die Dessert-Abfolge, bei der es fast lyrisch verspielt zugeht: Erwähnt seien nur die Schokocreme mit Knusper, Blattgold und Blutorange oder die - in Geschmack und Textur fantastische - Limoncellocreme-Röhre mit Schafsjoghurt und Zitronenbaiser.

Sergio Hermans Bar ist nett, aber eher wegen des Ortes ein Erlebnis. Sein Restaurant ersetzt sie - hoffentlich - nicht. Also doch nicht zwei, sondern drei Monate im Voraus reservieren. Brav pünktlich bitte. Ab acht Uhr morgens.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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