Lokaltermin:Straend

In der Gastronomie auf der Nordseeinsel Sylt ist Geld der große Motor. Da verwundert es, dass man dort trotzdem immer wieder bezahlbare Neueröffnungen findet - wie das wunderbare Dünenbistro Straend in Hörnum.

Von Stevan Paul

Solvente Gäste, hohes Niveau, steigende Mieten und immer schwierigere Bedingungen fürs Personal: Das viele Geld, das seit Jahren auf die Nordseeinsel Sylt gepumpt wird, ist für die Gastronomie dort Fluch und Segen zugleich. Angesichts der touristischen Extreme wundert sich Stevan Paul, dass man trotzdem immer wieder Neueröffnungen findet, die interessant sind - und dennoch bezahlbar. Wie das unprätentiöse, aber hervorragende Dünen-Bistro Strænd in Hörnum.

Aus gastronomischer Sicht ist Sylt eine Art Labor, wobei der Untersuchungsgegenstand, um den es geht, fast absurd klingt: Wie wirkt sich Reichtum aufs Geschäft aus? Denn das viele Geld, das seit Jahrzehnten auf die Nordseeinsel gepumpt wird, ist natürlich Segen und Fluch zugleich.

Da wäre einerseits die enorme Kaufkraft der Gäste und das dementsprechend großartige Angebot: Trotz mancher Wechsel gedeiht die Sterneküche auf höchstem Niveau. Und selbst in vielen Szeneläden wird auf Qualität geachtet. Ein gutes Beispiel ist das vor allem für seinen Rummel bekannte Strandlokal "Sansibar", wo Steinbutt mit Senfrahm und Weinauswahl immer noch Weltklasse sind. Und wenn vor der "Buhne 16", am Strand von Kampen, ein Kahn Heringe anlandet, die Minuten später auf der Plancha brutzeln und mit Mayonnaise-trunkenem Kartoffelsalat an Sonnenuntergang und Rosé serviert werden, dann ist der Genießer zu recht überzeugt, gerade eine der schönsten Entdeckungen überhaupt gemacht zu haben.

Andererseits ist Sylt längst einer der teuersten Immobilienstandorte Europas. Horrende Mieten und Lebenshaltungskosten haben das Personal aufs Festland verbannt. Der Fachkräftemangel tut sein Übriges. Zudem ist das Heer der Pendler dem Monopol der Marschbahn ausgeliefert. Allein im Mai und Juni 2018 fielen mehr als 150 Züge auf der teils eingleisigen Strecke über den Hindenburgdamm aus. Die Beschäftigten kommen oft zu spät, manchmal gar nicht, was Sylter Wirte mittlerweile nur noch mit Galgenhumor ertragen.

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Es gleicht also einem kleinen Wunder, wenn die Gastro-Szene auf der Insel allen Schwierigkeiten zum Trotz immer in Bewegung bleibt. Und wenn sich unter den vielen Neueröffnungen immer noch einigermaßen bezahlbare Entdeckungen finden. Am Strandübergang des Hörnumer Campingplatzes eröffneten die Sylter Jan Wehrheim und Dennis "Denjo" John im vergangenen Herbst das Dünen-Bistro "Strænd", ein familiär geführtes Lokal in den früheren Räumen des legendären "Meermann".

Alles in dem lichten Restaurant ist von handgemachter Schlichtheit, der Holztresen, die Tische, dazu ein Sammelsurium aus Stühlen, und keine Lampe gleicht der anderen. Die Speisekarte ist aus geschraubtem Holz. Und weil Lokale in Strandnähe gerade bei Familien besonders beliebt sind, begleiten uns an diesem Frühlingsabend zwei neun und 14 Jahre alte Testesserinnen.

Keine zwei Minuten brauchen beide, um zielstrebig zweimal den Strænd-Piraten Mini-Burger (mit Pommes 7,90 Euro) zu bestellen. Neben Pasta, Salaten in Variation und ja, natürlich auch der allgegenwärtigen Currywurst (hier mit Curry aus Ingo Hollands "Altem Gewürzamt", 6,50 Euro), bilden Burger und Bowls zwei Schwerpunkte der kleinen Karte. Junges Trend-Food also, bei dem man leider auch viel falsch machen kann.

Beim "Ri-Fi Burger" (20,50 Euro) hat die Küche aber alles richtig gemacht: Saftig gebratene Scheiben vom Rinderfilet aus der Sylter Landschlachterei in Keitum stapeln sich mit geschmorten Rotweinzwiebeln, gebratenen Pilzen und Rinder-Jus-Mayonnaise im Rosmarin-Bun - eine Schlemmerei! Die Weinkarte ist klein, aber sachkundig kuratiert, zum Burger genießen wir einen Bordeaux Supérieur vom Château de Parenchère (die 0,75 l-Flasche zu 32 Euro), einem Lieblingswein des Weinkritikers Robert Parker. Der Vorzeige-Bordeaux erhebt den Steak-Burger endgültig in den Adelsstand. Den jungen Gästen schmeckt derweil die Sylter Brause Apfel-Holunder, mit dem Mini-Burger ist man zufrieden, höchstes Lob werden den rustikalen Steakhouse-Fritten zuteil: "Die sind kross und weich, die schmecken sogar ohne Ketchup und Mayo!"

In einem Satz

Bezahlbares Dünen-Bistro, das bodenständige Speisen durch Qualität und Liebe zum Detail aufwertet.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●○○

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●●

Gänzlich auf die hausgemachten Mayonnaisen zu verzichten wäre aber eine Unterlassungssünde: Zum sous vide gegarten und dann kurz gebratenen Referenz-Pulpo (15,80 Euro) "gestrændet" schmecken samtige Sesam- oder Chili-Mayonnaise ebenso wie zum knusprigen Backfisch vom Kabeljau (7,90 Euro). Dazu ein Glas vom Hauswein, Meeresrauschen "Fass 3 für Strænd Sylt" (0,2 l zu 6,90 Euro), aus der fränkischen Weinkellerei Alte Grafschaft. Ein süffiger Wein von feiner Säure und Schmelz, dem Duft von Blüten und weißem Pfirsich. Ein Sommerwein, der als echter Allrounder auch die bestellte Veggie Bowl (18,50 Euro) begleitet. Was gesund und nach Verzicht klingt, entpuppt sich als üppiger Garten mit bunten, knapp gegarten Gemüsen, Zuckerschote und Edamame, Radieschen und Rotkohl-Salat, mit Avocado und süßer Mango, auf einem Bett aus duftendem Basmati-Reis - würzig und pointiert, klasse!

Und dann kommt es doch noch zur Reklamation. Dem ofenwarmen Schokoladenküchlein mit cremigem Salzkaramell-Eis (8,50 Euro) von der Sylter Eismanufaktur fehlt der flüssige Kern! In seiner Reaktion auf die Enttäuschung am Tisch beweist das Team des Strænd aber, dass Kinder hier ernst genommen werden. Der sehr freundliche Service überbringt eine Grußkarte der beiden Köche, welche die Mädchen beim nächsten Besuch zu Schokoküchlein einladen - mit flüssigem Kern! Wir würden dann gern auch wieder mitkommen.

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