Lokaltermin:Sette Feinbistro

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Wer hätte gedacht, dass eines der besten italienischen Restaurants des Landes in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Elmshorn liegt? Das Sette Feinbistro ist nur ein Tageslokal in einem Hinterzimmer. Aber eines, wo die Magie auf dem Teller liegt.

Von Stevan Paul

Elmshorn im Kreis Pinneberg bei Hamburg gilt als so unauffällig, dass es schon wieder auffällig ist. In der Fußgängerzone dominieren die üblichen Filialisten, drum herum Stadtteile mit gepflegten Eigenheimen. Einige wissen vielleicht noch, dass die berühmten Kölln-Haferflocken und Müsli-Klassiker von hier stammen. Ansonsten geht in der 50 000-Einwohner-Stadt höchstens der monumentale Einkaufsklotz eines bekannten Teppichhändlers wenn nicht als Sehenswürdigkeit dann immerhin als weit sichtbare Orientierungshilfe durch. Und im 35 Kilometer entfernten Hamburg interessiert man sich neuerdings vor allem deshalb für Elmshorn, weil hier die Mieten bezahlbar sind - noch.

Dem Stadtmarketing war so viel Alltagstauglichkeit vor zwei Jahren einmal der 60 000 Euro teure Slogan "Elmshorn supernormal" wert, was zwar weithin Aufmerksamkeit erregte, aber eben hämische. Vielleicht hätte man nur genauer hinsehen müssen. Weil sich ja hinter der vermeintlichen "Supernormalität" oft überraschend Außergewöhnliches verbirgt.

Da wären etwa das sehr gut besuchte Elmshorner Stadttheater oder der kulinarisch spannende Wochenmarkt. Oder auch das "Sette Feinbistro", das so heißt, weil es in der Marktstraße 7 liegt. Auf den ersten Blick geht es hier um ein Delikatessengeschäft mit Weinhandel, Kaffeebar und Tagesrestaurant, das in einem eher schmucklosen Hinterzimmer untergebracht ist. Der Service ist unauffällig, die Ansprache nordisch knapp. Doch die wahre Magie geschieht hier auf dem Teller, wie man bald feststellt. Schon mit den ersten Gerichten wird klar, warum es dieses unscheinbare, preiswerte Lokal regelmäßig in die norddeutsche Bestenliste italienischer Restaurants schafft. Und warum hier am Wochenende, es gibt kaum 20 Plätze, ohne Reservierung gar nichts geht. Betreiber des Bistros sind die Brüder Sven und Volker Tegge. Am Herd steht Volkers Frau, Manuela Tegge-Schultz, sie kocht eine italienisch-mediterrane Küche, von der man sich auch in Hamburg erzählt. Legendär sind zum Beispiel die Pasta-Variationen, es zählen Handarbeit und Qualität statt Quantität; entsprechend überschaubar ist die Karte.

Los geht es mit einem Glas vergorenem 2017 Weißburgunder vom Gut Hermannsberg an der Nahe (0,1 l für 5 Euro), zu dem gutes Öl und Brot vom Hamburger Kultbäcker Gaues gereicht wird. Gelungen ist die Vorspeise mit gegrillten bunten Bete-Knollen - auf den Punkt gegart und von verschiedenen Konsistenzen. Das Spiel mit Süße und Säure gelingt auch mit saftigen Granatapfelkernen, Würze bringen Vogelmiere und die üppig über die Beten gehobelte Belper Knolle, die auch Schweizer Trüffel genannt wird: ein Frischkäse, der mit Himalaja-Salz und Knoblauch gewürzt, in Pfeffer gerollt und dann zu aromatischem Hartkäse getrocknet wird (10 Euro). Ebenso raffiniert im Detail gelingt die cremige, aber nicht sahnige Suppe von Topinambur. Die Jerusalem-Artischocke bringt eine süße Erdigkeit mit, der Manuela Tegge-Schultz die fein-würzige Säuerlichkeit eines Tatars aus eingelegten Heringen entgegensetzt (8,50 Euro). So viel erfreuliche Regionalität hatten wir gar nicht erwartet.

Wie um den Beweis anzutreten, wird prompt die Pasta serviert. Nach der ersten Gabel ist klar: Dafür sollte man, dafür muss man nach Elmshorn fahren! Die selbstverständlich al dente gekochten Pappardelle baden in einer schlanken, hellen Sauce mit Weißwein, frischem Thymian und feinen Zitronennoten, darin liegen saftig gebratene Stücke von der Kalbsleber, fruchtige Apfelwürfelchen erinnern an die Leber Berliner Art, die hier, ganz eigen und auf italienische Art, in Perfektion gelingt (14 Euro). Auch die zarten Casoncelli, kleine Kunstwerke quasi gerollter Mini-Ravioli mit würziger Schmorfleischfüllung, sind von so schlichter wie beeindruckender Eleganz und auf den Punkt gewürzt. Dazu gibt es zart gegarten Holsteiner Wirsing, dem eine buttrige Zitronenfrische sowie gereifter Parmesan zum großen Auftritt in der italienischen Küche verhelfen (14 Euro). Das hervorragende Ossobuco in einer dunklen Sauce, die nach Sorgfalt und langer Schmorzeit schmeckt, wird von einfachem Kartoffelstampf begleitet. Die Rinderbeinscheibe ist nicht, wie leider oft üblich, zu Zupffleisch verschmort, sie besitzt noch kernigen Biss (24 Euro). Der Wein dazu, der 2015er Spätburgunder Doppelstück vom Weingut Manz (0,1 l für 5,50 Euro), begleitet mit samtiger Würze.

Zum Kaffee überrascht uns Volker Tegge mit einer nicht enden wollenden Aufzählung süßer Köstlichkeiten. Unsere Ahnung, dass Desserts ein Steckenpferd von Frau Tegge-Schultz sein könnten, bestätigt sich in einer Schichtspeise mit wolkenzartem Vanille-Mousse, cremigem Milchreis und Beerengrütze, gekrönt mit einer Kugel samtig-saurem Johannisbeereis und gepufftem Reis (11 Euro). Das ist nicht normal, das ist einfach super. Und eine echte Empfehlung nicht nur an Umländer, sondern auch an Reisende auf dem Weg nach Sylt oder Dänemark. Elmshorn ist vielleicht nicht jedem Lästermaul eine Reise, sollte aber jedem Leckermaul mindestens einen Stopp wert sein.

© SZ vom 06.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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