Lokaltermin:Restaurant Landgut

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Was würde man wohl im Lokal eines Luxushotels im Taunus erwarten, in dem gern die Banker ausspannen?Hummer? Kaviar? Getrüffelten Rehrücken? Alles Quatsch! Hier gibt es schlicht die beste Roulade im Frankfurter Umland.

Von Philipp Maußhardt

Wenn Frankfurts Geschäftswelt sich kurz vom Geschäftemachen erholen will, fährt sie meist in den Taunus. Gern geht es ins "Hotel Falkenstein" in Königstein, 25 Kilometer vom Bankenviertel entfernt. Früher war das schlossähnliche Haus ein "Heeresgenesungsheim", in dem kaiserliche Offiziere Ruhe suchten, heute gehört es zur Kempinski-Gruppe, kürzlich wurde grundlegend renoviert. Das Restaurant hier trägt den unmilitärischen Namen "Landgut" und schon die Aussicht verrät, warum dieser Ort stets der Entspannung diente: Es gibt kaum einen schöneren Blick auf Frankfurts Skyline. Hier speist man im Gedanken: Verdient ihr da unten mal euer Geld, ich gebe es hier oben gerne aus.

Abgesehen von den Pärchen, die im ganzjährig beheizten Swimmingpool turteln, ist hier alles sehr diskret. Im Restaurant sind die Tische so großzügig gestellt, dass man sich etwas Privates zuraunen kann, ohne dass der Nachbar mithört. Ledersessel, massive Holztische und die Waldmotive des Frankfurter Malers Anton Radl perfektionieren die Illusion, man sei weitab vom Schuss gelandet. Im Nu werden Gästen hier freundlich die Wintermäntel abgenommen und auf dem Tisch stehen eine leichte Kürbis-Sauercreme und verschiedene Brotsorten.

(Foto: N/A)

Die modische Mitteilungswut der besseren Küchen, ihren Gästen auch noch den letzten Semmelbrösel-Lieferanten zu benennen, hat im "Landgut" auf einer ganzen Seite der Speisekarte ihren Ausdruck gefunden. Wir wissen nun, dass das wirklich gute Brot von der Bäckerei Huck aus Rödelheim stammt. Wäre es die Bäckerei Hack aus Dödelheim, würde man das als Gast vermutlich ebenso wohlwollend hinnehmen. Doch zumindest ist das Bemühen zu erkennen, das Küchenchef Oliver Heberlein schon seit Jahren pflegt: immer schön die Füße am Boden lassen und daher vorzugsweise mit den Zutaten kochen, die man fußläufig beziehen kann.

Wir verletzen sein Prinzip schon bei der Vorspeise, weil Jakobsmuscheln und Yellow-Fin-Thunfisch in Hessen selten vorkommen. Die Karte ist mit fünf Vorspeisen aber auch nicht übermäßig bestückt. Was wiederum ein gutes Zeichen ist, da sich die Küche auf das Wenige zu konzentrieren scheint. Bei einer gebratenen Jakobsmuschel kann man nicht viel falsch machen. Gerade weil sie so zartbissig und frisch ist, weckt das Papaya-Chutney dazu gewisse Erwartungen. Die es leider nicht erfüllt: etwas langweilig. Im Teller gegenüber schwimmen Haselnussnocken in Entenkraftbrühe. Und es triumphiert das Regionale über das Internationale - so luftig und ausgewogen gewürzt sind die Nussklösschen, dass man mit jedem Löffel nur ungern den Tellerboden näherkommen sieht.

Für das Restaurant eines Fünf-Sterne-Hotels wirkt das Personal überraschend jung. Und dabei routiniert: Der Service agiert lässig, aber nie nachlässig, selbstbewusst, aber nie überheblich. So muss es sein. Auch für einen Plausch - wie am Nachbartisch verlangt - hat die Kellnerin Muße. Aber auch, weil die 50 Plätze im Lokal am Sonntagabend kaum zur Hälfte besetzt sind.

Für den Hauptgang sollte man, zumal im Winter, etwas davon bestellen, was Küchenchef Heberlein zu seiner Leidenschaft erklärt hat: geschmorte Gerichte. Die sind aufwendig und für Lokale mit schwankenden Publikumszahlen riskant. Zu oft aufwärmen geht ebenso wenig wie kleine Mengen herstellen. Schade, dass auch viele Spitzenköche heute nur noch Edelteile der Tiere servieren, wo der Umgang mit dem fettreicheren Schmorfleisch wie Schweinebacken, Ochsenschwanz oder Lammschulter doch die größere Expertise zeigt. Auf der Karte steht zweierlei Geschmortes: Filet vom Weiderind mit Ochsschwanzkompott und geschmorte Rinderroulade mit Zwiebelmarmelade, Rübchen und Topfenspätzle. Die Wahl der Roulade ist ein Glücksgriff: Es ist die wohl beste zwischen Kiel und Konstanz je servierte, wobei der blöde Superlativ der Begeisterung geschuldet ist. Die Roulade ist so zart, so saftig, so intelligent mit einer Farce aus gedünsteten Zwiebeln, eingelegten Gürkchen und unaufdringlichem Schinken gefüllt, dass eine Steigerung kaum möglich scheint.

Da verzeiht man auch, dass die Topfenspätzle eigentlich von Hand geschabt oder aber durch einen Spätzlehobel in Knopfform gebracht werden sollten. Die im "Landgut" verwendete Spätzlepresse macht aus ihnen viel zu lange Würmer, was weniger den Geschmack als die Ästhetik beeinträchtigt. Vermengt mit der Schmorsauce, der eine leichte Süße jede Schwere nimmt, sind die Spätzle also trotzdem ein Genuss.

Herrlich auch die Bauernente: im Ofen kross gebraten, mit Rotkohl und geschmolzenen Kartoffelklößen. Zwei Gerichte, die schon so klassisch sind, dass man sie in einem Spitzenrestaurant gar nicht mehr erwartet. Kein Chichi dabei, kein dümmliches Crossover. "Ich bin eine Ente, ich bin eine Roulade", nichts anderes sagen die Teller. So gelingt der Küche im "Landgut" Erstaunliches - das Alltägliche als Überraschung. Man wünscht sich mehr Mut von Gourmet-Köchen, traditionellen Gerichten wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Oliver Heberlein hat mit ein bisschen Schmorfleisch bewiesen, was er kann.

Der Rest ist schnell erzählt. Als Dessert kommen drei hausgemachte Sorbets (Zitrone, Mango, Passionsfrucht), die dem freudig aufgewühlten Magen angenehm sanft das Ende des Vergnügens signalisieren: Sie sind so luftig angerührt, dass sie noch lässig Platz finden. Auch der Preis für drei Gänge ist nicht überzogen, jedenfalls bekommt man für etwa 50 Euro pro Person (ohne Weinbegleitung) nicht überall diese Qualität. Und schon gar nicht diesen Ausblick.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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