Lokaltermin:Restaurant Fallert

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Unter Gourmets hat die "Talmühle" von Sasbach­walden einen Ruf wie Donnerhall. Der Garten gilt als Paradies, und die Küche hält seit 40 Jahren einen Stern.

Unter Gourmets im Südwesten hat das Restaurant Fallert in der "Talmühle" von Sasbachwalden einen Ruf wie Donnerhall. Der Garten gilt als Paradies, und die Küche steht seit 40 Jahren für ein unverändert hohes Niveau. Dieses Image ist gerechtfertigt, fand Philipp Maußhardt, und ein Abend hier ein Erlebnis, das allerdings manchmal ein kleines bisschen weniger harmlos ausfallen dürfte

Die Bezeichnung Gartenlokal ist in den meisten Fällen nichts anderes als ein Euphemismus. Man sitzt zwar im Freien, doch ein Garten oder ein Fleck, den man als Grünfläche noch durchgehen lassen könnte, ist nirgends zu sehen. Wie anders ist es da in der "Talmühle" in Sasbachwalden! Obgleich mitten im Ort gelegen, erstreckt sich hinter dem Gasthof ein regelrechter Park entlang des plätschernden Bachlaufes. Rosenrabatten wechseln mit weiten Rasenflächen, auf denen die Tische so großzügig verteilt sind wie zerstreute Inseln im Ägäischen Meer. Uralte Bäume spenden Schatten, eine Rotbuche, eine Tanne und ein Mammutbaum. "Den Sequoia hat mein Vater vor 60 Jahren gepflanzt", erklärt Gutbert Fallert. Der Chef des Hauses sieht vom Küchenaustritt direkt ins Grüne. Wenn er Luft schnappen will, steht er dort manchmal und begrüßt freundlich jeden neu ankommenden Gast.

Nur ein einziger Tisch ist an diesem Sonntagmittag im Garten noch unbesetzt, aber der Chef traut sich nicht, die unangemeldeten Gäste einfach dorthin zu bitten. "Das darf ich nicht, sonst bekomme ich Ärger mit meinem Service", sagt er mit einem Lächeln, das eine gewisse Hoffnung zulässt. Und sie erfüllt sich wenige Minuten später auch: Glück gehabt. Eine Reservierung ist im Sommer also zu empfehlen. In der kurzen Wartezeit erlebt man schon mal, was ein formvollendeter Serviermarathon ist. Denn von der Küche bis zum entferntesten Gartentisch sind es geschätzte 70 Meter, welche die fünf Kellner und Kellnerinnen in atemberaubendem Tempo bewältigen, ohne dabei auch nur einen Augenblick gehetzt zu wirken. In diesem Wundergarten wirkt alles spielerisch und entspannt.

In der Gourmethochburg Baden hat die Talmühle, und speziell ihr Restaurant "Fallert", einen Ruf wie Donnerhall. Wer wie Gutbert Fallert seit 40 Jahren einen Michelin-Stern hält und als Lehrmeister vieler Spitzenköche sein Wissen weiterreicht, der hat wohl nicht viel falsch gemacht. Als allerdings wenig später der Gruß aus der Küche vor uns steht, kommt kurz der Verdacht auf, die Vorschusslorbeeren seien womöglich vorschnell verliehen, denn die Gurkensuppe, der Gurkensalat, das Gurkengelee mit Dillcréme und Melonenschnittchen sind dann doch einfalls- bis harmlos und offenbar ihrer Leichtigkeit wegen allein der Sommerhitze geschuldet.

Ein Blick in die Weinkarte macht dagegen sofort wieder gute Laune. Allein sechs der Seiten widmen sich badischen Weißweinen, und zwar nicht nur bekannten Winzern wie Keller, Huber, Männle oder Duijn. Aus den 17 offenen Weinen wählen wir einen Weißburgunder vom Schloss Eberstein (6,30 Euro). Im Vorteil ist, wer sich selbst etwas auskennt, denn was wir trotz Tapferkeitsmedaille dem jungen Service ankreiden: Viel Ahnung vom Wein hat er nicht.

Die Küche, die uns mit der Gurkenorgie zu Beginn etwas ratlos zurückließ, macht bereits zum ersten Gang alles wieder wett. Die Hechtklößle mit Rieslingsoße und Blattspinat (11,50 Euro) tragen die Verkleinerungsform nur zum Schein. Tatsächlich kommt ein Kloß groß wie ein Schneeball daher, allerdings so luftig-locker, dass die Gabel beim Einstich nicht den Hauch eines Widerstandes verspürt. Zusammen mit einer runden, endlich mal nach Riesling schmeckenden Soße (die Säure macht es aus!) und einem knackigen, nur kurz gedünsteten Spinat ist dieses Gericht wie für einen heißen Sommertag geschaffen. Die dazu servierten Nudeln sind zwar selbstgemacht, braucht es aber im Grunde gar nicht.

Auf den Hauptgang sind wir gespannt. Es gibt nicht mehr viele deutsche Restaurants, die sich an ein Täubchen wagen. Oder präziser ausgedrückt: Es gibt nicht mehr viele Gäste, die sich an ein Täubchen wagen. Möglicherweise liegt das daran, dass die Taube ein emotional sehr aufgeladener Vogel ist. Die Stadttaube: verhasst und angefeindet, keimverdächtig. Die Friedenstaube: verklärt und untötbar. Die Brieftaube: bewundert und zu schade als gebratenes Brüstchen. So bewirkt womöglich die Nähe zum Elsass, dass auf badischen Speisekarten das Täubchen noch am häufigsten zu finden ist. Jenseits des Rheins ist man, was Essen angeht, jedenfalls nicht ganz so gefühlsduselig.

Dabei zählt die Taube zu den interessanteren Sorten Geflügel: Ihr Geschmack erinnert nicht nur der dunklen Farbe wegen mehr an Wild denn an Hühnchen. Gutbert Fallert hat sie gleich auf dreierlei Arten in einem Gericht kombiniert: als rosa gebratene Brust, als Leber und als geschmorte Keule (29 Euro). Jede dieser Zubereitungen hat ihre Berechtigung: die zarte Leber liegt auf einem sommerlichen Kräutersalat, die Brust wird von dreierlei Gemüsecremes begleitet (Sellerie, Petersilienwurzel, grüne Bohnen), nur die butterweiche und in Rotweinjus geschmorte Keule, ebenfalls dem Salat beigeordnet, hat dort eigentlich nichts zu suchen und würde sich in ihrem eigenen, dunklen Fond noch viel besser machen.

Unter dem 60 Jahre alten Mammutbaum sitzend, einen Durbacher Klingelberger (Riesling) im Glas, stellt sich bei diesem Gericht eine gewisse Demut ein. Im Garten Eden muss es ähnlich schmecken. Wir sind deshalb nicht allzu enttäuscht vom recht eingeschränkten Angebot der Dessertkarte: ein Eis, ein Sorbet oder die unvermeidliche Mousse au Chocolat. Es mag ein Luxusproblem sein, aber die Entscheidung für das ebenfalls etwas konventionelle Dreierlei des Café Gourmand - eine winzige Crème brûlée, ein Erdbeereis mit Biskuit und eine Schokomousse mit Kirschen - ist da eher eine Notlösung.

© SZ vom 11.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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