Lokaltermin:Landleben

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Das Restaurant "Landleben" war früher mal ein Erholungsheim der Stasi. Nicht verwunderlich. Der Ort ist so schön, selbst das befleckteste Gewissen fühlt sich hier rein.

Von Harriet Köhler

Normalerweise ist der Badesee ein Ort, an dem sich der Mensch der evolutionären Regression hingibt: Er lümmelt faul in der Sonne herum, stellt schwitzend seinen Körper zur Schau, jagt wilde Tiere (gut, Wespen) und isst Dinge, die er normalerweise höchstwahrscheinlich der Lebensmittelaufsicht melden würde: labberige Pommes, billige Würstchen, tropfendes Eis am Stiel. Der Mensch könnte es durchaus anders haben, aber offenbar will er das nicht - wie sonst sollte man erklären, dass an diesem herrlich sonnigen Sonntagmittag überhaupt noch ein Tisch frei ist im Restaurant "Landleben" am Sacrower See, nördlich von Potsdam?

Die Location ist ein echter Traum: eine Badestelle mit feinstem Sandstrand, See und der Königwald drumherum sind Naturschutzgebiet, das Wasser ist so klar, dass man angeblich vier Meter in die Tiefe blickt. Die Räume des Lokals sind früher mal ein Erholungsheim für Stasi-Offiziere gewesen, und man versteht sofort, warum: So befleckt kann ein Gewissen gar nicht sein, dass es sich an diesem Ort nicht sofort wieder rein anfühlen würde. Gut, das neue Interieur ist vielleicht etwas arg um rustikales Landhausflair bemüht, aber der Mielke-Muff ist definitiv ausgelüftet. Und auf der Terrasse erweisen schwere Holzmöbel und weiße Sonnenschirme dem Setting alle Ehre.

Die Speisekarte liest sich nicht so überraschend, aber umso beglückender ist das, was dann auf dem Teller liegt: eine qualitativ hochwertige, gut gemachte Küche, die ihre durchaus vorhandenen Ambitionen aber zügelt - wohl wissend, dass ein Gast, der gerade einen Spaziergang oder ein Bad im See hinter sich hat, genießen und nicht verkosten möchte, dass er nicht picken, sondern essen will. Den Flammkuchen etwa. Der ist einfach perfekt: papierdünn und knusprig, aber kein bisschen trocken, mit gutem Sauerrahm, gutem Speck und wenig Zwiebeln eher belebt als belegt. Oder den Salat mit Ziegenkäse: Da werden gemischte Blattsalate mit feinen, cremigen Frischkäsebrocken gekrönt, Senfäpfel geben angenehm scharfe Süße, krosse Speckstreifen sorgen für Salzigkeit und sanften Knusper.

Dass ein Koch mit Grips am Werk ist, merkt man daran, dass Gurken und Karotten zu geschmeidigen Bandnudeln gehobelt wurden, auf dass sie das zarte Arrangement nicht stören. Und am Dressing, das kein alles vernichtendes Säurebad ist, sondern seinen Zweck vorbildlich erfüllt, indem es die Zutaten geschmacklich verbindet und umschmeichelt.

Für Fischfans gibt es stets einen "Fang des Tages", etwa eine Maräne direkt aus dem Sacrower See. Steakfreunde lockt eine Auswahl verschiedener Dry-Aged-Cuts von deutschen Rindern, etwa ein wunderbar würziges Entrecôte - mit Beilagen nach Wunsch. Das kann ein auf den Punkt gegrilltes mediterranes Gemüse sein, ein Honig-Senf-Püree oder luftig-knusprige Trüffel-Parmesan-Pommes, die so dezent aromatisiert sind, dass einen das Fehlen echter Trüffel nicht stört. Und die saftigen Lammchops werden von Rosmarinkartoffeln und Couscous-Salat begleitet, der durch getrocknete Tomaten, schwarze Oliven und Estragonblättchen eine angenehm herbe Note gewinnt. Experimente macht man auch beim Dessert lieber nicht, weshalb auch die schlichte Crème brûlée genau das tut, was sie tun soll: leise krachen, ehe der Löffel ins sahnig schmelzende Innere dringt.

Natürlich geht es hier nicht um innovative Gourmet-Küche. Klar ist aber auch, dass man so ein Festmahl nicht zu Kioskpreisen kriegt: 25 Euro kostete das Steak, Flammkuchen liegen bei zehn Euro, die hausgemachte Pasta beginnt bei 9,50 Euro. Aber der Wein ist fair kalkuliert: ein Glas des guten Grünen Veltliners von Bernhard Ott zu 4,20 Euro. Überhaupt verdient die Weinkarte ein Lob, vom Legras & Haas-Champagner über einen J.J.Prüm-Kabinett bis zum "Einzelstück" von Markus Schneider bietet sie allerlei für Liebhaberherzen - vieles sogar im offenen Ausschank. Wie textete der Kabarettist und Liedermacher Rainald Grebe dereinst so schön? "Nimm dir Essen mit, wir fahren nach Brandenburg." Ab sofort ist kein Proviant mehr nötig.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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