Lokaltermin:Hobenköök

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Hamburg hat nun auch eine Markthalle, in der man nicht nur regionale Produkte kaufen, sondern sie auch sofort verzehren kann.

Von Stevan Paul

Hamburg gilt in Sachen kulinarischer Innovation als zurückhaltend. Andere europäische Metropolen haben vor Jahren begriffen, dass eine kreativ bespielte Markthalle ein Ort der Begegnung und kulinarischen Kommunikation sein kann. Vordenkerprojekte wie die "Markthalle Neun" in Berlin oder die "Torvehallerne" in Kopenhagen wurden sogar zur Touristenattraktion. Gegen den langen Dämmerschlaf der Hamburger Stadtväter half indes nur Privatinitiative: Am Oberhafen, am Rande der Hafencity, schuf Koch und Gastronom Thomas Sampl die 600 Quadratmeter große Markthalle "Hobenköök" (plattdeutsch für "Hafenküche"), die vergangenen Sommer endlich eröffnen durfte - mit einem Sortiment von 175 heimischen Produzenten. Dabei ist die Hobenköök mehr als ein Markt mit Umlandgemüse und gut sortierten Fisch-, Fleisch- und Käsetheken: Im zugehörigen Restaurant (mit Catering-Service) versucht man sich an nachhaltiger Kreislaufwirtschaft: Was nicht direkt verkauft wird, kommt auf die Speisekarten.

Die tagsüber gut besuchte Markthalle ist auch abends beliebt, selbst an diesem Montag sind alle Tische besetzt. Gäste jeden Alters sitzen bei Kerzenlicht im weiten Raum mit seinen gewollt nachlässig verputzten Wänden und der offenen Großküche, die Gastraum und Markt verbindet. Die herzliche Bedienung dankt uns gleich zu Anfang für unsere Geduld - nicht nötig! Wir waren beschäftigt mit der Lektüre der Karte, die seitenlang feinheimische Köstlichkeiten listet.

Allein die Bierkarte führt 21 Biere von fünf Hamburger Handwerksbrauereien auf. Wir beschließen, die Weine aus Baden, Pfalz und Mosel heute mal Wein sein zu lassen - und nur heimisches Bier zu bestellen. Es gelingt auch gleich ein frischer Auftakt mit dem Gose-Bier "Elbe" (5,50 Euro) aus der Kehrwieder Kreativbrauerei. Als spritziger Aperitif passt es toll zum ersten Teller des Abends: süß-sauer eingelegte Stücke von der Edelmaräne, die Haut appetitlich geflämmt, das Fischfleisch zart und fein mariniert, kombiniert mit modisch gekringelten Karotten- und Staudenselleriestreifen im cremigen Buttermilch-Dillsud (14,50). Das ist die Handschrift von Thomas Sampl, der schon im Hamburger Restaurant "Vlet" die norddeutsche Küche umsichtig weiterdachte. Hobenköök ist die praktische Vertiefung seiner Philosophie, der Koch hat sich die Produzenten ins Haus geholt. Die Edelmaräne ist aus dem Plöner See, der Schafsgrillkäse zum Feld- und Senfsalat mit Wintergemüsen (12,50) kommt von einer Hofmeierei in Lüchow. Die feine Fischvorspeise entpuppt sich im Nachhinein als eleganter Täuscher, alle weiteren Teller des Abends kommen als rustikal drapierte Sattmacherportion auf den Tisch. Gleich vier große Stücke vom Schafsgrillkäse lehnen an einem Salatberg in Mittagskantinenformat, getoppt mit karamellisierten Kernen und Leinsamenkräckern. Das Nussdressing wurde leider sparsam eingesetzt. In helle Aufregung versetzt uns die Vorspeise nicht, das gleichnamige Lager-Bier (4,50) der Hamburger Landgang Brauerei macht seinem Namen dagegen alle Ehre.

Man spricht (auch) platt und den Vorspeisen, die hier als "Vördeeem" betitelt sind, folgt ein "Middemang", die Hamburger Aalsuppe als Zwischengang (9,90), zu Teller gebracht mit freundlicher Unterstützung einer friesischen Aalräucherei. Damit wäre geklärt, ob denn nun Aal hinein soll in die Aalsuppe, oder ob das hanseatische Traditionsgericht vielmehr für die "aal bin" - Alles-drin-Restesuppe steht. Meist ist es eh Besserwissern und Touristen überlassen, sich an der Frage aufzureiben, die Hamburger selbst wissen: Schmecken muss es, Aal hin, Aal her. Hier gelingt der Klassiker mit einer großen Menge Gemüsewürfeln und einem Stück Rippenfleisch vom Susländer Schwein, in dunkler, aalrauchiger Brühe. Dem Zugereisten kann die, recht süße, nordische Geschmacksoffensive aber nach wenigen Löffeln zu viel werden. Auch die Portion ist wieder fordernd, inklusive sättigender Klütjes, Mehlklößchen, hier würfelig geschnitten.

Die Hobenköök funktioniert wie ein regional-rustikales Wirtshaus. Das unterstreichen auch die Hauptgänge: Auf allen Tellern finde sich ein Durcheinander von nur eben grob geschnittenen, gekochten und gerösteten Gemüsen, das Produkt dazu ist der schnörkellos angerichtete Star: ein ganzer, auf den Punkt saftig gebratener Saibling mit grüner Dill-Zitronenbutter (23,50) auf dem einen Teller und ein Brummer von Schweinekotelett (24,50) auf dem anderen. Das Kotelett ist perfekt gegart, es fehlen aber jegliche Röstaromen, das Fleisch ist unter der buttrigen "Gewürzkruste" fahl und blass. Größe und Güte zeugen dabei von einem langen, glücklichen Schweineleben, auch der herrlich dicke Fettrand, der leider ebenfalls kaum Brathitze noch Röstung abbekommen hat und darum, im Gegensatz zum Fleisch, kein Genuss ist.

Es ist der Chronistenpflicht geschuldet, dass wir einen Nachtisch bestellen, es war von allem reichlich. Doch der "Eisbecher Juri" macht Laune: Salzkaramell-, Schokoladen- und Joghurt-Eis, getoppt mit Hamburger Karamell-Popcorn und Lakritzkugeln aus dänischer Manufaktur - manchmal macht einfach der gute Einkauf den Teller. Darum geht es letztendlich in der Hobenköök, im Markt wie im Lokal: Beste handwerkliche Produkte unter die Leute zu bringen und eventuell, ganz nebenbei, vielleicht auch ein neues Bewusstsein für Qualität und Geschmack zu schaffen. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

In einem Satz: Die Hobenköök bietet rustikale nordische Heimatküche, die schnörkellos serviert auf Produktqualität und Handwerk vertraut.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●○

© SZ vom 23.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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