Lokaltermin:Hirsch

Traditionen sind immer dort am schönsten, wo man sie mit Erneuerung zu verbinden weiß - zum Beispiel im Gasthaus von Andreas Sondej in Monakam.

Traditionen sind immer dort am schönsten, wo man sie mit Erneuerung zu verbinden weiß. Andreas Sondej führt den Hirsch in Monakam im Nordschwarzwald in sechster Generation. Lange hatte er Erfahrungen in Spitzenküchen gesammelt, vor drei Jahren übernahm er schließlich das Gasthaus seiner Eltern. Das Ergebnis ist köstlich, findet Philipp Maußhardt.

Mit den Geheimtipps ist es so eine Sache: Kriegt man einen, bezieht er sich oft auf Restaurants, die längst zum Szenetreff mutiert sind. Und auch selbst zählt man seltener, als man zugeben mag, zu den seligen Ersten, die eine echte Entdeckung feiern dürfen. Der "Hirsch" in Monakam gilt zwar noch als Geheimtipp, in Wahrheit befindet er sich aber schon im Übergang von "noch-nie-gehört" zu "war-ich-auch-schon". Mit etwas Glück lässt sich derzeit noch am Vortag ein Tisch reservieren. Wir jedenfalls profitierten davon, dass kurzfristig zwei Plätze frei wurden.

Es gibt eigentlich keinen anderen Grund als den Hirsch, um nach Monakam zu fahren. Es sei denn, man möchte spazieren gehen. Denn das verschlafene Dorf liegt oberhalb des reizvollen Monbachtals im Nordschwarzwald, gut 40 Kilometer von Stuttgart entfernt (immer stur nach Osten fahren). Und weil es nur eine Hauptstraße in Monakam gibt und der Hirsch der einzige Gasthof ist, erübrigt sich jede Wegbeschreibung. Wer die Landstraße nimmt, kommt durch viele Dörfer mit dunklen Wirtshausfenstern. Das Sterben der Landgasthöfe ist in vollem Gang.

Da ist umso interessanter, was sich der neue Besitzer vom Hirsch einfallen ließ, um sich zu behaupten. Äußerlich: nichts. Von der Straße aus wirkt der Hirsch so wie viele der geschlossenen Gasthöfe auf der Strecke: zuletzt wohl in den 90er-Jahren renoviert, ein weiß verputztes Haus mit Satteldach. Doch gleich hinterm Eingang wird der Unterschied deutlich: statt echter Geweihe finden sich stilisierte Wildtrophäen an der Wand - aufgemalt in grellen Farben; statt schwerer Möbel stehen helle, leichte Stühle an schönen Holztischen und von der Decke strahlt warmes Licht. Auf den etwa 40 Plätzen des Lokals sieht man ein eher jüngeres, städtisches Publikum, das für ein Essen hier auch den Anfahrtsweg aus Pforzheim oder Böblingen in Kauf nimmt.

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"Do hätt i no zwoi Plätz". Die uns so nett begrüßt und an den letzten freien Tisch bugsiert, heißt Rosemarie Sondej und ist, wie sich herausstellt, die Mutter von Andreas Sondej, dem neuen Koch und Besitzer in sechster Generation. Vor drei Jahren kam der Sohn nach Monakam zurück, er hat in Spitzenküchen wie der "Wielandshöhe" in Stuttgart und im "Söl'ring Hof" auf Sylt gearbeitet und nun zusammen mit seiner Frau den Gasthof übernommen. Er selbst sieht sich als "Genusshandwerker" - ein schönes Prinzip.

Minuten später kommt Rosemarie Sondej mit Brot und einem Töpfchen mit grünem Öl, das ihr Sohn mit Kräutern aus dem eigenen Garten und aus dem Monbachtal aromatisiert. Ihr Stolz ist gerechtfertigt, das in Öl getauchte, selbstgebackene Brot duftet intensiv nach Sommer und Bergwiese. Die Speisekarte listet gerade einmal fünf Hauptgerichte ("Hauptsächliches"), was ebenfalls für eine frische und handwerklich ausgefeilte Küche spricht. Wir wählen das Drei-Gänge-Menü (39 Euro) und drei weitere Gerichte von der Karte, darunter als Hauptgang den Hirschrücken mit französischer Blutwurst (33 Euro).

Doch zunächst die Vorspeisen, die sich als geheimtippmäßig sensationell erweisen: Hummersuppe mit gebratenem Tatar vom Rind und Blumenkohlcreme (9 Euro) klingt ungewöhnlich und nicht gerade regionaldogmatisch. Das Tartar ist nur so kurz gebraten, dass es eine leichte Kruste, innen aber noch die nötige Röte besitzt und mit Hummersüppchen und Kohl aufs beste korrespondiert. Nicht weniger Begeisterung löst der Kaninchenrücken mit Wintergemüse (15 Euro) aus. Beides stammt von "Opa Knapp", dem Schwiegervater des Kochs, wie die Karte informiert, auf der alle Produzenten gelistet sind. Knapp zieht demnach auch die seltene Knollen-Zieste in seinem Garten, ein zu Unrecht unterschätztes Gemüse, das im Geschmack an eine Mischung aus Artischocke und Blumenkohl erinnert. Dazu gibt es rote Bete, Kürbis, Kohlrabi und eine Gemüse-Mousse.

In einem Satz

Wunderschön gelegenes Gasthaus, das dermaßen an der Karte gefeilt hat, dass die Gäste nun auch längere Anfahrtszeiten einplanen.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●●●

Beim Hauptgang sind wir dann der Meinung, dass der Koch hier sich womöglich noch in die süddeutsche Spitzenklasse emporarbeitet . Sein Hirsch (Filet und Rücken) kommt mit einer Rotwein-Schalotten-Sauce, die fein mit Schokolade austariert ist, dazu Selleriecreme, Petersilienwurzel sowie angenehm sauren Cranberries. Und Hirschfilet mit Blutwurst zu verbinden ist mutig, aber gelungen, weil schon die unterschiedlichen Texturen des Fleisches auf einfache Art Spannung erzeugen. Schön auch die wunderbar rosa gegarte Entenbrust aus dem Menü. Bei Entenbrust kann man im Grunde ja nur zwei Dinge falsch machen: Sie beim falschen Metzger kaufen oder totbraten. Die hier ist aber perfekt, auch weil sie nicht mit den üblichen Sättigungsbeilagen kommt. Statt in schwerer Sauce liegt sie in einer feinen Entenconsommé, die sich zusammen mit schwarzer Champignonmousse, Lauch-Gemüse und in Matcha-Tee gekochten Himbeeren zum harmonischen Vielklang fügt.

Unter den Desserts reizte uns besonders der "Obatzer à la Andi", den man hier nicht nur eigenwillig schreibt, sondern auch mit geschmortem Radicchio und Sonnenblumencreme serviert. Eine mutige Idee, die sich als Menüabschluss aber als zu massiv herausstellt - nach Ente, Hirsch und Blutwurst (es gibt übrigens für alle Gänge auch eine vegetarische Variante). Da gefällt uns das dekonstruierte "Tiramisu à la Hirsch" dann doch besser: zum feinen Mascarpone-Eis gibt es Bisquitcreme und Kakaokrokant.

Wir nehmen einen letzten, kleinen Schluck Württemberger Wein aus dem leider nicht so üppigen Angebot offener Weine - da dürfen sie im Hirschen gern noch etwas nachlegen. Dann kehren wir zurück in die große Stadt und haben uns bereits vorgenommen wiederzukommen.

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