Lokaltermin:Hase und Igel

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In Düsseldorf mag man es von jeher etwas lauter. Aber muss es so laut sein wie das Tamtam um das neue Lokal von TV-Koch Stefan Marquard?

Von Jutta Göricke

Hat man das schon erlebt? Da eröffnet ein neues Restaurant, und seit einer Viertelstunde dreht sich alles um den Abort. Der Chefkoch wird einfach nicht müde, die Vorteile seines fortschrittlichen Wasserklosetts zu preisen. Und immer, wenn man hofft, es sei nun genug der Details - japanisches Vorbild, warme Dusche von unten - dreht der Mann weiter auf. Schließlich müsse man, ach ja, die Nahrungskette von Anfang bis Ende denken. Ein Ende, an dem, ach nein, womöglich eine Art "Toilettentourismus" stehe.

Stefan Marquard (Bandana, Ziegenbart, Hipsterbrille) ist ein Koch, der sich bis heute freut, wenn er "Rock-Chef" oder "Wilder" genannt wird, schließlich hat er auch schon TV-Quote damit gemacht, dass er Lachs im Geschirrspüler garte. Und so ist es wohl nur folgerichtig, dass Marquard bei der Eröffnung seines Düsseldorfer Restaurants "Hase und Igel" im vergangenen Oktober seinem Sponsor, der Warmwasserklos herstellt, volle 15 Minuten widmete. Marketing, so weiß man, ist die halbe Gastro-Miete, Berührungsängste wären da nur hinderlich. Manche Münchner kennen Marquard vielleicht noch aus dem "Lenbach", das er bis 2003 geleitet hat. Anderen mag er aus dem Fernsehen bekannt sein, als eine Art rastloser Kochnomade. Und laut seiner Homepage ist er ein "gern gesehenes Aushängeschild für viele Projekte", wobei besagtes Lokal selbstverständlich sein aktuelles "Leidenschaftsprojekt" ist.

Das er künftig wie intensiv begleiten wird? "Ich werde alles tun, um so oft wie möglich hier zu sein", sagt er. Und wenn das nicht klappt? Nur das Konzept und das zuverlässige Team zählen! Schon recht. Aber zunächst mal ist das legitim.

Das "Hase und Igel" ist untergebracht im ehemaligen Gewächshaus der Dr.-Thompson's-Seifenpulver-Fabrik im Stadtteil Flingern, einem Arbeiterviertel mit dem Stallgeruch der Toten Hosen, mit Hausbesetzervergangenheit und mutmaßlich köstlicher Zukunft. Marquards Team soll dort "Hirnfasching" feiern, "heiß, kalt, salzig, süß, alles auf einem Teller, weder Sterne- noch Pizzaküche". Die Lieblingsgerichte der Mitarbeiter, Aha-Erlebnisse mit schockierenden Kutteln und sauren Nierchen, Futtern wie bei Muttern, aber schräg. So weit alles klar?

(Foto: N/A)

An der Wand: ein Plakat der Dead Kennedys. An der Bar: Heavy-Metal-Gebrüll. Das Personal trägt Irokese und Shirts mit Aufdruck: Flingern bleibt asozial. Wie heißt es so schön: Der Teufel steckt im Detail. Und Bruhaha-Wortspiele sind bei Marquard ja unbedingt wörtlich zu nehmen.

Nun aber endlich zum Anfang der Nahrungskette. Ein paar Monate nach der Eröffnung schauen wir nach, wie sich das angekündigte Festival der Innereien und der Andersartigkeit entwickelt hat. Vor allem ist es deftig.

Zum roséfarbenen Crémant gibt es Butterbrot mit grobem Gänseschmalz. Und als erster Gang kommt sogleich Schweinebauch mit krosser Fettschwarte auf den Tisch, mit Semmelbröseln in brauner Butter und Wirsing, was sich schnell als gut erweist. Das Fleisch hat einen vollen Geschmack, die Begleitung spielt harmonisch mit, und trotz der sehr kräftigen Zutaten kommt das Gericht angenehm leise daher. Unaufgeregt. Für ganze 9,90 Euro. Eine schöne, entspannte Überraschung.

Wie auch das Ambiente, das sich durch eine ungezwungene Bistro-Atmosphäre auszeichnet. Der nackte Beton-Chic wird durch viel Holz und weiches Licht erwärmt. Zu den Dead Kennedys haben sich poppige Dürerhasen gesellt. Und der Service ist freundlich und aufmerksam ("Und für die Damen ein Räuberlöffel!"). Innereien sind heute nicht im Angebot, der Chef ist auch nicht da. Dafür aber steht eine dieser typischen Marquard-Spielereien auf der Karte, der "Fetisch Laxxx" (13,40 Euro), ein Lachsschnittchen, das in einer mattschwarzen Latexhaut steckt, die von einer Sepia-Tunke herrührt. Das arme Ding. Es wäre auch ohne die verruchte Verkleidung prima klargekommen. Der Fisch ist jedenfalls auf den Punkt gegart und die schwarze Marinade ohnehin geschmacksneutral.

Nach der kleinen Effekthascherei geht es wieder ernsthaft zu. Mit einem schlichten, aber beeindruckenden Nudelgericht: Die Pappardelle mit weißem Tomatenschaum und Ragout vom Ossobuco (17 Euro) sind ein fein abgestimmter, süßsäuerlicher Genuss. Auch der Hauswein ist schön, eine fruchtig-frische Cuvée von Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon Blanc aus dem Veneto und eigens für "Hase und Igel" kreiert. Den Namen - "The Bad Bad Bunny Blend" vom "Winepunk" - darf man überlesen, aber geschenkt: Was gut ist, darf etwas lauter sein.

Das Essen macht zudem weiterhin Freude. Der zweifache Ochse - einmal kurz gebraten, einmal faserig zerfallend - ist wunderbar (26 Euro). Und das interessante Prinzip der beiden Fleisch-Texturen als Gegenspieler findet sich auch bei den Beilagen: Zwiebelpüree zu Kartoffelschmarrn, das passt. Zum Schluss erinnert der Nachtisch an die gute alte Hundeschnauze aus Kindheitstagen: Bananenmousse mit Schokoguss auf knusprigem Keksboden. Das ist ein deftiger wie stimmiger Abschluss eines guten Abends in einem unaufgeregten großstädtischen Ambiente mit solidem Essen, das für sein Preisniveau viel Spaß am Kochen offenbart und sogar einige Raffinesse zu bieten hat.

Klappern mag zum Handwerk gehören, doch bei Marquard ist es oft nervtötend wie Topfschlagen. Vielleicht ist das aber mittlerweile auch notwendig, bei einem neuen Restaurant in einer Stadt, die eh alles hat. Doch jetzt darf getrost Ruhe einkehren. Wenn die Qualität so bleibt, bleiben Hase und Igel im Rennen.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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