Lokaltermin:Frisch vom Acker

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Auf Gut Wildshut bei Salzburg macht die Stiegl-Brauerei vor, wie vorteilhaft sich nachhaltige Landwirtschaft im Geschmack niederschlägt.

Wenn sich eine Marke eine begehbare Erlebniswelt schafft, geht das oft gründlich daneben. Die Privatbrauerei Stiegl, gegründet 1492, hat aber offenbar genügend Jahrhunderte auf dem Buckel, dass ihr solche Missgeschicke nicht passieren. Eher zeigt sie gerade, wie man vieles unter einen Hut bekommt: In Salzburg stillen die Brauerei und ihre Gastrobetriebe den Durst der Massen, das Unternehmen ist Mitglied der so erlesenen wie strengen Slow-Brewing-Vereinigung, und eine halbe Stunde nördlich der Stadt macht Stiegl mit dem "Bier-Gut Wildshut" im Kleinen vor, wie das Große künftig aussehen könnte: Bio-Landwirtschaft, eigene Mälzerei, Freiland-Tierhaltung, eine Gastwirtschaft und seit Mai auch Zimmer. Das macht neugierig.

Nachhaltigkeit wird hier konsequent gedacht: Die Lokalbahn hält auf Knopfdruck an der eigens eingerichteten Haltestelle; neben den Versuchsfeldern für alte Getreidesorten und dem Areal, auf dem die Mangalitza-Schweine ein offenbar gutes Leben führen. Wildshut ist mehr als doppelt so alt wie die Stiegl-Brauerei, auch das Bierbrauen hat an dem kleinen oberösterreichischen Ort an der Grenze zu Salzburg und Bayern seit 250 Jahren Tradition. Als das Gut Wildshut vor einem Jahrhundert in den Besitz von Stiegl kam, schloss die Brauerei. Doch seit ein paar Jahren braut man nun wieder, und zwar ausschließlich Bio, vom Feld weg. Das ist ungewöhnlicher, als es klingt. Üblicherweise kommt Malz nämlich aus einem nahezu monopolisierten Markt mit wenigen Anbietern. Auf Wildshut dagegen werden die Getreide - nicht nur Gerste, sondern auch Urgetreide wie Emmer und alte Sorten wie Alpine Pfauengerste, Laufener Landweizen und Schwarzhafer - selbst angebaut, gemälzt und geröstet. Das Gebäude-Ensemble hat man mit warmer, aber gar nicht anthroposophischer Holz-Architektur zu einem unverkennbar heutigen Ort modernisiert. Und die gläserne Brauerei hier bietet ausschließlich Spezial- oder "Kreativ"-Biere an. Mitten im Hof liegen außerdem fünf Quevri - je tausend Liter fassende Ton-Amphoren - bis zum Hals in der Erde vergraben. Hier lagert das Urbier, das aber leider gerade aus ist.

Überhaupt ist nicht einfach herauszufinden, was es auf Wildshut gerade wann und wo gibt. Der "Kramerladen" heißt nämlich wie ein Geschäft, ist aber zugleich auch die Gastwirtschaft. Auf der Speisekarte ist von verschiedenen hausgemachten Broten die Rede, die gibt es jedoch nur freitags frisch und am Samstag sind sie oft schon ausverkauft. Das Roggenbrot ist von so einfacher wie köstlicher Machart und kommt von einem benachbarten Bauernhof. Die herrliche Bauernbutter wird aus der hofeigenen Milch von Pinzgauer Rindern gemacht. Den Schweinsbraten von den Mangalitza-Schweinen gibt es wiederum nur alle 14 Tage, abwechselnd mit Dry-Aged-Steaks. Leider ist diesmal nicht Bratenwoche, aber bei Hochsommerwetter und in dem bezaubernd grünen Hofgarten ist eine ausgiebige Jause (14,50 Euro) zum Bier vermutlich ohnehin vernünftiger.

Die Namen der drei ganzjährigen Spezialitätenbiere - das "Sortenspiel", die "Gmahde Wiesn" und die "Männerschokolade" (Verkostungsbrett mit je 0,2 Litern zu 4,40 Euro) - klingen ein wenig hyperkreativ, aber keine Sorge, die Biere halten sogar weit mehr, als ihre Namen versprechen. Die Gmahde Wiesn etwa, ein mit Wiesenkräutern und aus mehreren Malz- und Hopfensorten gebrautes untergäriges Bier, macht ihrem Namen Ehre, denn sie ist geschmacklich tatsächlich ein Selbstgänger: elegant und frisch-duftig, man ist sich nicht sicher, ob man den Kräutergarten hinter den Kastanienbäumen oder doch das Bier riecht. Nur hier vom Fass gibt es außerdem die "Sommerliebe" (0,2 Liter für 2,90 Euro), ein fantastisches, zitrusfrisches, schön trocken-bitteres, dabei aber ungemein harmonisches und süffiges Bier. Wer es mitnehmen möchte, bekommt es im Laden in die Bügelverschlussflasche gezapft (0,75 oder 2 Liter).

Der Biergarten ist nicht mit den großen seiner Art vergleichbar, weil viel kleiner, leiser und auf eine bodenständige Art eleganter. Hier gibt es dreierlei mürben Speck vom Mangalitza-Schwein (9,90 Euro), Fett- und Salzphobie sollte man allerdings eher keine haben, Mangalitzas sind bekannt für ihren hohen Fettanteil, allerdings auch für dessen guten Geschmack. Mustergültig sind die Bio-Schweinsbratwürste mit Sauerkraut (10,90 Euro), weil fein gewürzt und mit schönem Biss. Gäbe es sie doch öfter in dieser Qualität! Die Aufstriche wie guter Liptauer und würziger Winterkümmel-Leinöltopfen (5,20 Euro für drei Sorten mit Brot) verschlingen wir fast schon gierig. Das knackige frische und eingelegte Gemüse dazu bietet eine nette Abwechslung. Das Beef Tatar (18,50 Euro) ist leider zu fein gehackt, immerhin aber harmonisch abgeschmeckt. Etwas enttäuschend gerät der Speckwurstsalat (8,70 Euro), weil ihm die erfrischende Säure in der cremigen Marinade fehlt. Dafür kümmert sich die Kellnerin mit Sorgfalt um jedes Anliegen und jede neugierige Frage ("Ja, selbstverständlich kann man Führungen und Verkostungen in der Brauerei buchen!").

Die Idee, Malakoff-Torte (5,20 Euro) mit "Wildshuter Männerschokolade" zuzubereiten, ist übrigens gut, allerdings ist die Torte für den Frühsommer eindeutig zu mächtig, ein Dessert für heiße Tage sieht anders aus. Stattdessen sollte man einfach noch eines der großartigen Biere trinken. Und dann beim Spaziergang rund ums Gut den Sonnenuntergang über den weiten, grenzübergreifenden Hügeln genießen. Eine heile Welt wie diese hat möglicherweise nicht die schlechtesten Antworten auf dräuende Fragen der Zeit im Allgemeinen und jene der Landwirtschaft im Besonderen.

© SZ vom 30.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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