Lokaltermin:Dankbarkeit

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In die Dankbarkeit zu fahren klingt, als sei man auf dem Weg ins Paradies, findet Katharina Seiser. Doch zum Glück handelt es sich dabei auch um ein Gasthaus nahe dem Neusiedler See. Hier gibt es Feines und Rustikales zu eigenem Wein.

In die Dankbarkeit zu fahren klingt, als sei man direkt auf dem Weg ins Paradies, findet Katharina Seiser. Doch zum Glück handelt es sich dabei auch um ein Gasthaus nahe dem Neusiedler See. Hier serviert Familie Lentsch seit Generationen Feines und Bodenständiges zu eigenem Wein. In bester Qualität und in aller Bescheidenheit.

Restaurants verordnen sich derzeit gerne geschliffene Marketingkonzepte. Das hat etwas Gutes, denn so wissen die Gäste, was sie erwarten dürfen: brutal lokal, südamerikanische Fusion oder vegane Superbowls. Es funktioniert aber vor allem in der Stadt, wo der Wettbewerb groß ist und die Laune der Kundschaft so schnell wechseln kann wie Sonne und Regen bei Sommergewitter. Doch schon eine knappe Stunde südöstlich von Wien ticken die Uhren ganz anders. Im burgenländischen Seewinkel, der sonnenverwöhnten Region östlich des Neusiedler Sees, ist das Sommerwetter stabil. Von hier kommen bestes Gemüse und bester Wein. Und mittendrin steht die "Dankbarkeit", ein Gasthaus, das mit konstanter Qualität und legendärem Understatement quasi wortlos für sich wirbt und das sich schon immer jedem modischen Konzept und jeder pfauenhaften Angeberei widersetzt hat, obwohl es gute Gründe dafür gäbe.

In die "Dankbarkeit" fahren klingt ja ein wenig so, als sei man auf dem Weg ins Himmelreich. Aber dieses Gasthaus ist zum Glück sehr irdisch. Familie Lentsch betreibt es seit Generationen. Seinen Namen verdankt es dem Großvater, der im Krieg seine Ersparnisse verloren hatte und dankbar war über die Chance, die sich ihm mit diesem gut 300 Jahre alten Haus geboten hatte. So wurde die Dankbarkeit zu einem der wenigen Sehnsuchtsziele im Osten Österreichs, wenn man Lust auf komplette Vorhersehbarkeit hat: zeitgemäße pannonische Küche ohne modische Verirrungen, Fisch aus dem See, richtig reife Paradeiser und Paprika, Steppenrind aus dem Nationalpark ebenso wie Wild vom Nachbarn, eingemachtes Obst zu fast vergessenen Mehlspeisen und zeitlos große Weine der Region, denn Weinbau betreibt Familie Lentsch natürlich auch.

Die erwartbare Idylle beschränkt sich aber nicht nur auf Teller und Glas. Es geht hier auch um einen jener raren Orte, an denen es sich draußen im großen Hofgarten unter Kastanien- und Ahornbäumen genauso schön sitzt wie drinnen in den gepflegten Gaststuben. Die Dankbarkeit ist damit kein Wirtshaus im kultigen Sinne, wie es oft aus Nostalgie überhöht wird, mit blank gesessenen Bänken und aufgeworfenen Böden, mit fetten, schweren Speisen aus längst vergangenen Epochen. Nein, es ein anständiges, schönes Gasthaus. Und trotzdem wird es nicht von der Schickimicki-Gesellschaft überrannt, wahrscheinlich weil der Wirt, Josef Lentsch, nie jemanden hofiert und sich auch selbst nie in den Vordergrund spielt. Er gilt als Vater des großen kulinarischen Aufschwungs im Seewinkel, als einer mit gleich viel Herz wie Verstand, der die Dinge in aller Stille voranbringt.

Es ist also kein Wunder, das hier alles ist wie immer, und das schmeckt Anfang Juli (die Karte wechselt alle 14 Tage) so: Zum Gedeck (3 Euro) gibt es Pusztawurst und Kräutertopfen, obligatorisch ist danach die Bestellung der Jiddischen Hühnerleber (7 Euro), die seit Jahrzehnten auf der Karte steht: ein Gläschen fein majoranwürziger Pastete, nur die Briocheweckerln vom Bäcker können mit der Qualität nicht mithalten, dafür schmecken sie zu aufgeblasen und vanillinaromatisiert, da würde eine Scheibe Hausbrot besser passen. Die weich-aromatische Eierschwammerlcreme mit Kaninchenpralinen (11 Euro) - knusprig panierte Knöderln aus saftigem Kaninchenfleisch - sind dann der erste Beweis, wieso sich die Anreise hierher immer auszahlt: So schmeckt feine, saisonale Küche, aufwendiger als zu Hause, aber stets bodenständig und appetitlich. Die kräftige Fischsuppe (6,50 Euro) mit Zander und Waller aus dem Neusiedler See zeigt, woher der Würzwind weht: aus dem benachbarten Ungarn, von dem die pannonische Küche so viel in ihrer DNA trägt.

Der gebratene Zander mit Erbsenrisotto und Minzsauce (18 Euro für die kleine Portion) ist der nächste Beweis: Noch komme er aus dem See, sagt Lentsch, aber im Sommer würden die Fische bei Hitze im Wasser stehen und nicht in die Netze gehen, da müsse er dann auch auf andere Quellen ausweichen. Vom Gäste Anschwindeln hält er gar nichts, auch eine Tugend, die leider etwas aus der Mode geraten ist. Die Rehschulter (16,50 Euro, kleine Portion) ist perfekt saftig gegart, die kleine Sauce frisch-wacholderduftig und trotzdem reichhaltig, selten schmeckt ein dichter Wildjus an einem heißen Sommertag so gut ausbalanciert. Dazu Kohlgemüse und Erdäpfellaibchen, beides Musterbeispiele dafür, wie Speisen, die banal klingen, idealtypisch ausgeführt werden können: Der Kohl (Wirsing) ist noch knackig, aber nicht zu fest, saftig und nur mit ein bisschen Obers cremig abgeschmeckt, die Erdäpfellaibchen verführen mit inneren Werten: Erdäpfelstückchen sorgen für überraschenden und willkommenen Biss, ein wenig kleinstgewürfelter Speck hat sowieso noch nie geschadet. Dass der charakterstarke Pinot Noir 2012 (4,50 Euro) mit dem Reh aus dem nahen Gols perfekt harmoniert, war zu erwarten. Schließlich stammt er von Wirt & Winzer Josef Lentsch, der aus seiner großen Burgunder-leidenschaft nie einen Hehl gemacht hat. Nur das Golser Bier ist vielleicht adäquater für jene Gäste, die mit dem Fahrrad anreisen.

Platz lassen für Nachspeisen ist in der Dankbarkeit übrigens Pflicht. Irgendwo sind sicher Heidi Lentschs eingemachte Früchte dabei, wie heute bei der Topfenterrine (7,50 Euro) die ersten Marillen. Die Somloer Nockerl (6 Euro), eine ungarische Verführung aus beschwipstem Biskuit, Vanillepudding, reichlich Schlagobers und Schokosauce sind so unzeitgemäß wie zeitlos köstlich. Ein guter Ort zum Dankbarsein.

© SZ vom 21.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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