Lifestyle:Hochprozentiger Körpereinsatz

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Jede neue Saison braucht einen neuen Fitnesstrend: Über Gin-Yoga und die Frage, ob man zumindest sich selbst schöntrinken kann.

Von Titus Arnu

Das Wort Yoga kommt aus dem Sanskrit und bedeutet "Joch". Im übertragenen Sinn ist damit die Verbindung von Körper und Geist gemeint, von geistigen Getränken war dabei ursprünglich allerdings keine Rede. Obwohl die grundlegenden Übungen schon seit gut 2000 Jahren existieren, werden jedes Jahr neue Yoga-Varianten als Trend ausgerufen. Nach Nackt-Yoga, Ziegen-Yoga, Lach-Yoga, Karaoke-Yoga und Hot Yoga soll jetzt Gin-Yoga die Variante der Stunde sein. Von der Spiritualität zur Spirituose: Beim Gin-Yoga ist tatsächlich hochprozentiger Alkohol im Spiel.

Die Saufsportart kommt, wie könnte es anders sein, aus Großbritannien. "Gin lockert die Muskeln", behauptet die britische Fitnesstrainerin Emily Worsnop. In einem BBC-Beitrag ist zu sehen, wie sie ihre Kursteilnehmerinnen dazu anleitet, den Geschmack des Gins wahrzunehmen und der "Reise des Drinks vom Mund durch die Speiseröhre in den Magen ganz genau nachzuspüren." Ob diese Form des legalen Dopings bei der Meditation hilft?

Egal, beim Publikum kommt die spaßige Kombination aus Fitness und Fusel offenbar hervorragend an, das BBC-Video wurde bereits mehr als fünf Millionen Mal geklickt. Die Sportfachmesse Ispo ordnet Gin-Yoga in die Reihe der "Yoga-Hybride" ein, in den vergangenen Jahren ein recht beliebter Cocktail. "Für Yoga- und Fitnessstudios ist dieser neue Lifestyle-Trend eine Möglichkeit, neue Besucher und Kunden zu gewinnen und für virale Aktionen auf den sozialen Kanälen zu sorgen", heißt es in einer recht trocken formulierten Analyse über die Fitnesstrends für das Jahr 2020 auf der Website ispo.com. "Solch ausgefallene Kursarten sind nur für eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern interessant", meint dagegen Alexander Wulf, Sprecher des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV). Das klingt ernüchternd. Aber die Gesamttendenz kann Wulfs Verband bestätigen: Die Kombination von mentalen und körperlichen Übungen ist gerade in Mode.

Ob Alkohol wirklich hilft, beim Sport die innere Mitte zu finden?

Ganz oben auf der Liste der Fitnesstrends steht das High Intensity Intervall Tranining, kurz HIIT. Bei dieser Art des Trainierens folgen auf kurze, intensive Einheiten ebenso kurze Pausen, in denen sich der Puls verlangsamen soll. Das ist nicht ganz neu, früher nannte man es einfach Intervalltraining. Die Kombination aus HIIT und Yoga wiederum nennt sich Athleticflow: Effektive, schnelle Aktivitäten wie Sprints oder schnelle Liegestütze werden mit ruhigen Yoga-Übungen kombiniert. Anspannung und Entspannung folgen im kurzen Wechsel aufeinander, was Ausdauer und Konzentration fördern soll. Außerdem verbrennt diese Form des Trainings angeblich mehr Kalorien in kürzerer Zeit.

Neue Sportarten kann man eigentlich kaum noch erfinden, aber man kann immer zwei trendige Disziplinen zu einer neuen verschmelzen. Barre Workout setzt sich aus Figuren aus klassischem Ballett, Gymnastik, Yoga und Pilates zusammen. Glide Fit heißt die Kombination von Stand-up-Paddling und Yoga: Es ist der Versuch, Stabilitäts-, Kraft- und Balanceübungen auf einem wackeligen Brett auf dem Wasser zu vollführen. Das ist superanstrengend, erfordert höchste Konzentration und geht dementsprechend oft schief. Anders formuliert: Manchmal geht Glide Fit direkt in Unterwasser-Yoga über. Diese Disziplin wiederum kann man in speziellen Tauchkursen lernen, Stichwort: schwerelos fit.

Der wichtigste Baustein für das ideale Fitnessprogramm ist aber ohnehin ein anderer: Achtsamkeit. Immer mehr Fitnessstudios bieten Kurse an, deren Ziel nicht der äußerliche Waschbrettbauch, sondern die innere Mitte ist. Dazu zählen Atem- und Meditationsübungen und natürlich auch wieder alle möglichen Arten von Yoga. Achtsamkeit sei wie ein Muskel, den man trainieren kann, heißt es in solchen Seminaren, sogar beim Jogging. "Mindful running" heißt das in den entsprechenden Kreisen. "Achtsames Laufen kombiniert die Laufeinheit mit Meditations- und Atemübungen", erklärt das Fitnessfachorgan "Fit for fun". Mentaltrainer bringen Läufern bei, dass sie auf das Tracken der Laufkilometer und die digitale Analyse der Schrittfrequenz getrost verzichten können, wenn sie ihren eigenen Bordcomputer benutzen - das Gehirn. Achtsames Laufen empfiehlt sich ja generell, auch für Nichtsportler, um Stürze zu vermeiden.

Ob Alkohol wirklich dabei hilft, die innere Mitte beim Sport zu finden, darf man dagegen getrost anzweifeln. Aus medizinischer Sicht ist von der Kombination von Alkohol und Sport grundsätzlich abzuraten. Alkohol hemmt die Ausschüttung von Wachstumshormonen, wirkt sich negativ auf Stoffwechsel, Muskelaufbau und Schlafqualität aus. Wer alkoholisiert Sport treibt, setzt sich einer höheren Gefahr aus, Krämpfe zu bekommen, sich zu verletzen und zu dehydrieren. Doch die Anhänger des Drunk Yoga behaupten, dass ihre Bewegungen automatisch fließender werden, wenn Alkohol fließt. Die Verbindung von Gin und Gym entfalte tatsächlich eine "muskelentspannende Eigenschaft", versprechen Experten, dadurch sei "ein intensiveres Dehnen, Strecken und tieferes Bücken möglich", heißt es auf ispo.com. Cheers und Om!

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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