Ladies & Gentlemen:Mode und Aktivismus

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Wenn Cardi B explizit über weibliche Sexualität rappt, kann man sich jetzt mit einem Regenmantel als Fan outen. Für Männer ist dafür das politisch korrekte Slogan-T-Shirt zurück.

Für sie: Heißer Mantel

(Foto: PR/Bearbeitung: SZ)

WAP - so heißt der zurzeit meistgestreamte Song der Welt, der gleich die Sittenwächter auf den Plan gerufen hat. US-Politiker haben sich empört, außerdem der einstige Rebell Russell Brand. Was war los? Die Worte alleine können es nicht gewesen sein, das Lied ist ein ganz normaler Rapsong mit ziemlich eindeutigen Formulierungen von sexuellen Wünschen, also das, was man schon seit Jahren im Radio hört.

Aber eben immer nur von Männern. WAP hingegen ist das Werk einer Frau namens Cardi B - zusammen mit ihrer Komplizin Megan Thee Stallion, die auch ihren riesigen Hintern aggressiv durchs Video schwingt. Die sexuell selbstbestimmte Frau - hatte Madonna die nicht längst für uns durchgehechelt? Schon. Neu ist, dass hier nicht länger Macht über einen Mann ausgeübt werden soll. Girls sind geil, na und, das ist die Botschaft. Gut möglich, dass da selbst mancher Feministin der Mund offen stehen bleibt, weil sie Sex generell gar nicht so geil findet.

Ob das Werk stilvoll ist, kann man diskutieren, aber das wäre ja langweilig. Denn bei Stilfragen geht es seltener um Schönheit als um Haltung. Und so ist die Merchandise-Kollektion zum Song gerade das wahrscheinlich Lässigste, was man als Frau tragen kann. Die Abkürzung WAP steht übrigens für Wet Ass Pussy, und sie auf einem Regenmantel zu tragen ist eine gute Tat, solange die Russell Brands dieser Welt noch aufmucken. Und in Wahrheit kein Risiko: Die wirklich reinen Seelen werden sie mit Women Are Powerful übersetzen. Julia Werner

Für ihn: Weiße Weste

(Foto: PR/Bearbeitung: SZ)

Meinungsstarke Zeiten wie diese produzieren Slogans am laufenden Band, im Diskursbetrieb dreht sich das Schlagwortkarussell immer schneller. Während man in den Achtzigerjahren gesinnungsmäßig lange Jahre mit "Atomkraft? Nein danke" und "Petting statt Pershing" durchkam und von den Neunzigerjahren eigentlich nur eine mahnende Zeile wie "Morgens Aronal, abends Elmex" hängen geblieben ist, rauschen jetzt jeden Monat eindrucksvolle neue Hashtags, Mottos und Kampfbegriffe ins globale Geschichtsbuch: Je suis Charlie, #MeToo, Fridays for Future, Black Lives Matter - an griffigen Parolen besteht kein Mangel.

Etwas unklar ist allerdings, wo man diese Slogans eigentlich platziert, um seine Haltung breitwürfig zu demonstrieren. Der Autoaufkleber ist nicht mehr zeitgemäß, das Pappschild seit Greta irgendwie durch und die Facebook-Profilseite ein wenig zu beliebig. Der gefragte Tausendsassa Virgil Abloh bringt jetzt mit seiner Marke Off-White wieder das alte T-Shirt als Datenträger ins Spiel. Dort hat er die Botschaft platziert, die ihm am Herzen liegt: I support Young Black Businesses. Dieses textile Bekenntnis reagiert auf gleich zwei aktuelle Probleme - zum einen auf die von Covid-Erkrankungen stärker betroffene schwarze Bevölkerung und zum anderen auf die Ereignisse, die zur "Black Lives Matter"-Bewegung führten. Mit den kompletten Erlösen der Shirts will Abloh thematisch passende Organisationen unterstützen. Und das hilft vermutlich noch mehr als schöne Worte. Max Scharnigg

© SZ vom 22.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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