Ladies & Gentlemen:Im Büßerkleid

Lesezeit: 2 min

Letizia und Felipe VI. von Spanien müssen das angeschlagene Image der Monarchie retten. Weil Krise ist, sollte das Outfit auf der Promo-Tour vor allem eines sein: bescheiden.

(Foto: Carlos Alvarez/Getty Images)

Für sie: Büßerkleid

Hier sehen wir Königin Letizia von Spanien auf Promo-Tour durch ihr Reich. Tapferkeit durchdringt ihren Look: preiswerte Espadrilles eines spanischen Labels sowie ein blumiger Jumpsuit, den wir vor zwei Jahren schon mal an ihr sahen. Das Wiederauftragen von Kleidung hat königliche Tradition - weil ausgefranste Blusenkrägen und Kaschmir mit gestopften Löchern eine stilistisch wichtige Abgrenzung von den Neureichen sind, bei denen immer alles so neu aussieht, dass einem so schlecht wird wie vom Geruch eines frisch vom Band gelaufenen Autoinnenraums. Aber dieser Overall ist noch dazu vom spanischen Massenlabel Uterqüe. Muss eine Königin wirklich einen alten Viskosefummel auftragen? Sie muss, lautet die tragische Antwort. Denn es ist Krise, und ihr Schwiegervater, der auf elefantengroßem Fuß lebte, hat sich bekanntlich aus dem Staub gemacht. Jetzt muss Letizias Göttergatte das angeschlagene Image der Königs retten, und wer muss es ausbaden? Klar, die Ehefrau. Selbst ein hübsches neues Leinenkleid wäre jetzt zu abgehoben in den Argusaugen des Volkes! Und so ist Mitleid gegenüber einer Frau mit Prinzessinnenkarriere zum ersten Mal wirklich angebracht. Das bisschen Mobbing von der Yellow Press wäre für Meghan Markle bei ihrem Kleiderbudget ja wohl auszuhalten gewesen. Aber diese Entchanelisierung einer Königin ist es nicht. Das Vernunftjahr 2020 hat den Traum vom Glamourspitzenjob - egal ob als Regentin eines Modemagazins oder eines Landes - also endgültig wegrationalisiert. Bleibt Frauen nur, was Anständiges zu lernen, damit sie sich ihre Klamotten selbst kaufen können. Julia Werner

(Foto: Carlos Alvarez/Getty Images)

Für ihn: Leicht verwaschen

Den gleichen Beruf auszuüben wie der eigene Vater, ihn gar im Familienunternehmen zu beerben, das ist traditionell eine knifflige Sache. Nicht nur, weil der Alte immer alles besser weiß, sondern weil man ihm womöglich auch schonend beibringen muss, dass der Karren wegen ihm im Dreck sitzt. Felipe VI. ist in diesem Sinne als spanischer König seit seiner Thronbesteigung gut damit beschäftigt, das Volk zu besänftigen und die väterlichen Fehltritte zu kaschieren. Wie macht man das? Na, mit einem Gegenkurs, der den Gegnern Wind aus den Segeln nimmt, Felipe ist ja Segler. Totales Understatement gehörte von Beginn an zu seinen Grundsätzen, weder Stierkampf noch Großwildjagd stehen auf seiner Bucket-List, und dazu hat er sich ein Auftreten angewöhnt, an dem nicht mal Nörgler Spuren von bourbonischer Prunksucht finden: Beim Besuch am Hafen zur besten Krisenzeit zeigt Felipe dann auch das weltweit anerkannte Freizeitoutfit von Männern, die in ihrem Beruf Anzug tragen müssen: Dad-Jeans und ein Hemd, das alle Insignien der Lockerheit vereint, also schlampig umgeschlagene Manschetten, geöffnete Knopfleiste, leicht verwaschener Gesamteindruck. Die Hose ist sichtbar bequem, die Maske das uneitle Einweg-Modell. So geht man auch zum Nachbarschaftsfest oder holt die Tochter vom Flughafen ab. Die Welt wäre ein angenehmer Ort, wenn alle Männer über 40 fortan diesen Look tragen würden, vielleicht mal mit Chino als Abwechslung. Man ist damit angezogen, aber nicht ernst. Und niemand würde einen auf den ersten Blick mit Millionenbetrug oder Großwildjagd in Verbindung bringen. Max Scharnigg

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: